Umwelt

Gemeinde Reilingen ließ Krähennester ohne Genehmigung entfernen: Hohe Strafe möglich

Für den Versuch, die Krähen bei der Schiller-Schule zu vergrämen, droht dem Bürgermeister ein Bußgeld. Er hatte es versäumt, die nötige Erlaubnis einzuholen.

Von 
Markus Müller
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Mit Hilfe eines Steigers entfernen Bauhofmitarbeiter im Februar leere Krähennester aus der Baumkrone. © Josef Dufrin

Reilingen. Was ist passiert? In den Baumkronen auf dem Gelände der Friedrich-von-Schiller-Schule in Reilingen hatten Krähen mehrere Dutzend Nester gebaut. Ihr Krächzen störte nicht nur die Grundschüler und ihre Lehrer sehr, sondern auch die Anwohner entlang der Wilhelmstraße. Vor allem aber hinterließen die Vögel überall ihre Exkremente - auf dem Schulgelände, an den Zugängen, dem Gehweg. Von diesen Hinterlassenschaften sei ein erhebliches Gesundheits- und Infektionsrisiko ausgegangen, betont Bürgermeister Stefan Weisbrod. Die Krähen seien nämlich Allesfresser und Überträger von Salmonellen sowie der Papageienkrankheit. Da sich neben der Grundschule obendrein die Kita „Die kleinen Sterne“ befindet und der Friedrich-Oberlin-Kindergarten ebenfalls nicht weit ist, sah die Kommune dringenden Handlungsbedarf. „Es ging um die Gesundheit unserer 700 Schul- und Kita-Kinder!“

Anfang Februar wies der Ratshauschef daher den Bauhof an, ungefähr 30 leere Nester zu entfernen. Zumal sich damals wegen des Nachtumzugs gerade ein Steiger im Dorf befunden habe. Dieses Fahrzeug ist nötig, um die Baumkronen zu erreichen, und hätte normalerweise eigens für die Aktion gemietet werden müssen, da der Bauhof über kein eigenes Exemplar verfügt. Mitten im Winter unbelegte Niststätten zu beseitigen, sei nicht zuletzt eine sehr sanfte, schonende Methode, um eine Kolonie zu vergrämen, wenn diese - wie in Reilingen - zur Plage geworden ist, erklärt Weisbrod. „Wir haben zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige gemacht“, bekräftigt er. Die gewählten Mittel seien verhältnismäßig gewesen. „Eine direkte Bekämpfung fand selbstverständlich nicht statt. Wir haben keinem Vogel etwas zu leide getan.“ Die natur- und artenschutzrechtlichen Vorgaben seien sorgfältig beachtet worden.

Bis zu 50.000 Euro Bußgeld möglich

Trotzdem droht dem Reilinger Verwaltungschef jetzt rechtliches Ungemach. Denn eine wichtige Sache hat die Verwaltung bei all dem versäumt: vorab die Untere Naturschutzbehörde - also das Landratsamt in Heidelberg - über die geplante Vergrämung informieren und die hierfür erforderliche Ausnahmegenehmigung beantragen. Dass die Gemeinde selbst auf ihrer Website über die Aktion berichtete und die Behörde auf diesem Weg davon erfuhr, spielt juristisch keine Rolle. Deshalb stellt die Aktion im Februar einen Verstoß gegen Paragraf 44 Absatz 1 Satz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes dar. Dieser verbietet es, „Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören“.

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Ausnahmen sind allerdings unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die Paragraf 45 Absatz 7 auflistet. Im Reilinger Fall hätte eventuell Satz 4 greifen können: Wenn die jeweilige Maßnahme „im Interesse der Gesundheit des Menschen“ erfolgt. Die Entscheidung darüber oblag jedoch der Unteren Naturschutzbehörde und nicht der Gemeinde oder ihrem Bürgermeister. Wegen des Verstoßes droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro, wie Paragraf 69 Absatz 7 zu entnehmen ist.

Die Heidelberger Behörde hat den Vorgang mittlerweile an die Bußgeldstelle weitergeleitet mit der Bitte, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten und gegebenenfalls ein Bußgeld zu verhängen. Das Verfahren richtet sich gegen Bürgermeister Weisbrod, da er das Entfernen der Nester persönlich angewiesen hat. Sollte ein Bußgeld verhängt werden, müsste er dieses als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde selbst bezahlen. Zunächst darf er sich aber erklären. „Wir werden in den nächsten Tagen ein Anhörungsschreiben erhalten“, sagt er und ergänzt: „Über den Badischen Gemeindeversicherungsverband habe ich bereits einen Rechtsbeistand beantragt.“

Krähen durchwühlen auch die Mülleimer und verteilen deren Inhalt wie hier eine Chips-Tüte in der Umgebung. © Soeren Stache

Ob die Bußgeldstelle tatsächlich einen Bußgeldbescheid erlässt und falls ja, in welcher Höhe, bleibt damit vorerst offen. Denn sie könnte das Verfahren auch einstellen, wenn sich das rechtswidrige und schuldhafte Begehen der Ordnungswidrigkeit nicht nachweisen lasse oder das weitere Verfolgen der Tat nicht opportun erscheine, erläutert Ralph Adameit, stellvertretender Pressesprecher des Landratsamts. Wiegt in diesem Fall der Natur- und Artenschutz wirklich schwerer als die Verpflichtung der Gemeinde zu Schutz der Kinder? „Das ist im Einzelfall zu prüfen – wenn in einem entsprechenden Verfahren seitens des Antragstellers alle relevanten Informationen dargelegt sind“, sagt er.

Zurück nach Reilingen: Hat das Entfernen der Nester den erhofften Vergrämungseffekt erzielt? „Es gibt im dortigen Quartier auf anderen Bäumen schon wieder neue Krähennester. Die sind zumindest aber weiter weg vom Schulhof“, berichtet der Bürgermeister. Zur Frage, ob der Gemeinde noch Alternativen zur Verfügung stünden, um das Krähenproblem in den Griff zu bekommen, antwortet er: „Eine andere wirkungsvolle, aber schonende Maßnahme zur Vergrämung sehen wir derzeit nicht.“

Redaktion

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