Hockenheim/Reilingen. „Das könnt ihr knicken, ich bleib da! Meinetwegen kann Weihnachten ausfallen!“ Der zwölfjährige Lukas verschränkte seine Arme und stapfte auf dem Parkettboden im Flur auf. Sein Vater beugte sich zu ihm hinunter, legte ihm seine rechte Hand auf die linke Schulter und entgegnete: „Entweder alle oder keiner.“ Diese Bemerkung bereute er sogleich. Lukas holte Luft, um zur Antwort anzusetzen . . .
Das ist der Beginn der Geschichte über „Lukas und die gestohlene Weihnacht“ – einer Zeitreise in die Vergangenheit, in der Lukas verschiedene Abenteuer zur Rettung der Weihnachtsbräuche und des heutigen Weihnachtsfestes bestreiten muss.
Hockenheimer Lehrer schreibt Buch: Zurück ins Jahr 325
„Ich war schon immer ein Fan von Weihnachten“, sagt Philipp Seitz, der die Geschichte von Lukas und seiner Schwester Rebekka, die ihren Eltern auf dem Weihnachtsmarkt davonlaufen, geschrieben hat. Der 50-jährige Lehrer der Friedrich-von-Schiller-Gemeinschaftsschule in Reilingen lädt zu einer spannenden Tour in die Vergangenheit ein.
Das Geschwisterpaar erfährt beim ersten Halt der Zeitreise vom ursprünglichen Adventskalender, der 1892 gemacht wurde und der Vorläufer des ersten gedruckten Adventskalenders war. Dieser entstand zwischen 1902 und 1908 und hieß damals noch Weihnachtskalender. Auf der einen Seite waren Bilder und auf der anderen Seite Gedichte gedruckt.
Der zwölfjährige Lukas und seine ein Jahr ältere Schwester lernen auf ihrer weiteren Reise den österreichischen Komponisten und ausgebildeten Lehrer Franz Xaver Gruber kennen, der 1818 die Melodie zum bekanntesten Weihnachtslied der Welt, „Stille Nacht, heilige Nacht“, verfasste, das der Priester Joseph Mohr 1816 gedichtet hatte.
Überall begegnet den abenteuerlustigen Kindern ein dunkel gekleideter Mann, der versucht, die Weihnachtsbräuche vor ihrem Bekanntwerden im Keim zu ersticken und der dann ebenso schnell wieder verschwindet, wie er aufgetaucht ist.
Lukas trifft in Prag den Jesuiten Petrus Canisius, den heiliggesprochenen Kirchenlehrer, der zwischen 1559 und 1577 dort sowie in Augsburg und München gewirkt hat und der Lukas auf seiner Zeitreise die erste Krippe zeigt. Seine Reise führt den neugierigen Jungen aus der Gegenwart ins Freiburg des Jahres 1419, wo der erste geschmückte Tannenbaum gestanden haben soll. Damals hatten Bäcker einen Baum mit Lebkuchen, Nüssen und Äpfeln behängt.
Und Lukas lässt sich schließlich im Jahr 1329 den leckeren Christstollen schmecken, der erstmals in Naumburg an der Saale erwähnt wurde, bevor er anschließend noch ins Jahr 325 reist, wo er Nikolaus von Myra kennenlernt, den damals dort wirkenden Bischof. Lukas muss auch hier einen Weihnachtsbrauch vor dem dunklen Mann retten: den Gedenktag am 6. Dezember, der in der gesamten Christenheit begangen wird. Natürlich erfährt er dabei auch, wieso sich dies heute im Beschenken der Kinder widerspiegelt. Wer dem dunklen Mann im Weg ist, kann es schlecht ergehen. Ein Engel nimmt Lukas aber in einer brenzligen Situation einmal an die Hand und hilft ihm.
Hockenheimer Lehrer schreibt Buch: Faszination seit Kindertagen
Philipp Seitz interessiert sich seit Kindesbeinen an für Weihnachtsbräuche. „Viele Menschen zelebrieren zwar einerseits begeistert die Weihnachtszeit mit all ihren schönen Bräuchen und Traditionen, besonders die jüngeren unter ihnen wissen aber oft nicht, woher diese Bräuche stammen“, bedauert der Klassenlehrer, der an seiner Schule auch Ansprechpartner und Koordinator für Berufsorientierung ist.
Der 50-Jährige mag Krippen und geschmückte Weihnachtsbäume. Die alte Schneekugel, die einst der Auslöser für sein Buch „Lukas und die verlorene Weihnacht“ war, hat er leider nicht mehr. „Es war ein Dorf in einer Winterlandschaft“, weiß er noch. Er geht immer noch gerne auf Weihnachtsmärkte. Einfach, um die Stimmung zu genießen.
Nebenberuflich arbeitet Seitz als Schulbuchautor und wirkte an der mehrteiligen Reihe „Die Reise in die Vergangenheit“ mit. Seit Jahren wird das Lehrbuch erfolgreich im Geschichtsunterricht von Haupt-, Real- und Werkrealschulen sowie Gemeinschaftsschulen eingesetzt.
Seitz wurde im schwäbischen Esslingen geboren. Er studierte Geschichte, Deutsch und Geografie an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Seine erste Lehrerstelle war in Ulm, später in Böblingen. Seit zehn Jahren ist der Wahlkurpfälzer nun in Reilingen an der Schule.
Der mittlerweile 50-Jährige erinnert sich gerne an seine Kindheit zurück. Im Weihnachtsgottesdienst mit der Familie, in dem Seitz im evangelischen Posaunenchor Trompete spielte, die Bescherung an Heiligabend unter dem mit Kugeln und Lametta verzierten Weihnachtsbaum, anschließend das Essen, wie immer echt schwäbische Saitenwürstchen mit Kartoffelsalat. Auch später als Lehramtsanwärter habe er seine Wohnung stets adventlich geschmückt. Vor Weihnachten sei es danach immer wieder zum Adventsbacken zu den inzwischen am Bodensee lebenden Eltern gegangen – bis heute.
Darauf angesprochen, ob Weihnachten für Kinder früher anders gewesen sei, antwortet Seitz: Früher habe es weniger Geschenke gegeben. „Aber die großen, erwartungsvollen Augen der Kinder sind gleichgeblieben.“ Mit seiner Ritterburg spielen heute noch Neffe und Nichte.
Im Deutschunterricht gehören für ihn in der Adventszeit Klassiker unter den Weihnachtsgedichten, wie etwa Theodor Storms „Knecht Ruprecht“ oder Eichendorffs „Weihnachten“ dazu. Den Ohrwürmern „Last Christmas“ und „In der Weihnachtsbäckerei“ kann er zwar nicht mehr viel abgewinnen, dafür hört er aber immer wieder gerne das grandiose Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach – auch gerne als Livekonzert. Gemeinsam mit seiner Frau Esther, einer gebürtigen Hockenheimerin, wird er am Tag vor Heiligabend den Baum schmücken und sich auf das Fest freuen, das dann im großen Kreis der Familie begangen wird.
Er habe schon immer kleinere Geschichten geschrieben, sagt Seitz. Dann sei ihm die Idee für die historische Zeitreise zu den einzelnen Weihnachtsbräuchen gekommen. Einen Verlag hat der weihnachtsbegeisterte Hockenheimer noch nicht gefunden, dabei wäre es die vor elf Jahren verfasste Geschichte wert, in gedruckter Form zu erscheinen.
Ob Lukas sein Abenteuer – die Reise zurück zu den Entstehungen eines jedes Weihnachtsbrauches – heil übersteht und er Weihnachten für alle Menschen rettet, sollte unbedingt nachgelesen werden.
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