Schwetzingen/Ketsch. Der kleinere Rewe-Markt an der Südtangente in Schwetzingen wird gerade umgebaut. Nach der Neugestaltung soll am 25. August Wiedereröffnung sein. Doch jetzt bringt der neue Chef die Metzgermeister in der Region mächtig gegen sich auf. In dem neuen Einkaufsambiente soll es wieder Bedienungstheken geben. Dafür braucht der selbstständige Kaufmann Personal, das er bei den Metzgereien in der Umgebung aktiv abzuwerben versucht. Er geht in die Filialen und legt den Verkäuferinnen seine Visitenkarte hin, auf der Rückseite steht: 17 Euro. Das soll der Stundenlohn sein im neuen Markt.
Metzgermeister Jürgen Gieße weiß, dass die Frauen auch mit einer Woche mehr Urlaub oder einem 13. Monatsgehalt geködert werden sollen: „Das ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten, einfach in den Laden zu gehen“, schimpft Gieße, der Filialen in Brühl und Schwetzingen hat. Die Meisterbetriebe hätten es schon schwer genug. Jeder sollte mal seine Firmenphilosophie überdenken: „Wir schauen aber alle nur zu.“ Gieße will sich rechtliche Schritte gegen die Vorgehensweise vorbehalten.
„Ja, auch bei uns stand der Herr von Rewe im Laden und hat unseren Verkäuferinnen Visitenkarten von sich gegeben“, bestätigt Metzgermeister Christian Jörger aus Ketsch: „Meiner Meinung ist das eine riesige Frechheit und dreist dazu. So etwas dürfen wir uns nicht gefallen lassen.“ Er habe sich mit seinen Metzgerkollegen bereits ausgetauscht über diese „unverschämte Aktion“. Sicherlich litten alle Metzgereifachgeschäfte unter dem massiven Fachkräftemangel. „Auch wir mussten aus Personalmangel des Öfteren in den letzten Wochen unseren Laden mittags geschlossen halten“, so Jörger: „Trotz dieser drastischen Entwicklung ist ein solches Vorgehen nicht zuletzt aus moralischen Gründen absolut unangemessen und nicht zu tolerieren. Wenn es eine Möglichkeit gibt, rechtlich dagegen vorzugehen, werde ich diese sicherlich nutzen.“
Metzgermeister Thomas Alt findet die Aktion eine „riesengroße Sauerei“. Sein Geschäft in Ketsch hat eine lange Tradition. Seit der Übernahme durch Alt hat sich in dem Familienbetrieb viel geändert. Doch zum 13. August ist Schluss. Der Metzgermeister, der viele Preise für seine Produkte eingeheimst hat, schließt den Laden: „Es geht einfach nicht mehr.“ Hier hat der Rewe-Abwerber Erfolg gehabt. Eine Verkäuferin wechselt in seinen Markt.
Die offensive Art der Personalakquise ist nicht strafbar, das wissen die Metzger. Moralisch fragwürdig sei es aber allemal. Ein normales Geschäftsgebaren ist darin nicht zu erkennen. „Es ist einfach eine Frechheit und wertet uns als Einzelgeschäfte herab“, schimpft Metzgermeister Heinrich Georg Back, der zwei Filialen in Schwetzingen und einen Laden in Plankstadt hat. Die Metzgereien hätten es schon schwer genug. Er sei froh, dass es dem Mann nicht gelungen sei, Verkäuferinnen rüberzuziehen: „Unsere Frauen haben gleich Bescheid gesagt.“ Sohn Heinrich Xaver hat dem Kaufmann Hausverbot erteilt.
Besagte Visitenkarte mit dem 17-Euro-Vermerk, die den Mitarbeiterinnen zugesteckt worden waren, liegt unserer Zeitung vor. Wir haben dem neuen Rewe-Markt-Chef die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Er hat allerdings auf die E-Mail-Anfrage unter der Adresse der Visitenkarte bis zur gesetzten Frist nicht geantwortet.
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