Im Interview

Alltag ohne Auto: So funktioniert es bei Familie Tenhumberg in Schwetzingen

Erwin Tenhumberg aus Schwetzingen hat sich im Rahmen der Klimaschutz-Offensive "Ich. Machs. Jetzt" des Rhein-Neckar-Kreises entschieden, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Mit uns spricht er über seine Erfahrungen.

Von 
Catrin Nähr
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Erwin Tenhumberg hat das Auto in der Familie abgeschafft und fährt jetzt E-Bike. Dafür hat er auch einen kleinen Hänger gekauft. Mit dem Rad kommt er in Schwetzingen mit den kurzen Wegen gut zurecht und fährt damit auch zur Arbeit. © Nähr

Schwetzingen. „Es war Zeit, einen neuen Firmenwagen zu bestellen und das fühlte sich falsch an“, sagt Erwin Tenhumberg, der mit seiner Familie in Schwetzingen wohnt und sich im vergangenen Jahr dazu entschieden hat, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Für die Klimaschutz-Offensive „Ich. Machs. Jetzt“ des Rhein-Neckar-Kreises entschloss er sich, seine Erfahrungen zu teilen. Im Interview mit Catrin Nähr vom Büro für Klimaschutz der Stadt Schwetzingen spricht Erwin Tenhumberg über seine Motivation, seinen Alltag ohne Auto und das entspannte Radfahren in Holland.

Herr Tenhumberg, als man Sie fragte, ob Sie sich an der Kampagne „Ich.Machs.Jetzt“ beteiligen würden, haben Sie sofort zugesagt. Was hat Sie überzeugt?

Erwin Tenhumberg: Tatsächlich hatte ich von der Kampagne bis zum Zeitpunkt der Anfrage noch nichts gehört. Ich habe mir das dann im Internet angeschaut und dachte, das ist eine gute Sache. Menschen aus der Region geben dem Klimaschutz ein Gesicht. Und für mich war klar: Alles, was dem Thema dient, ist gut, da mache ich mit. Klimaschutz ist in meiner Familie schon lange präsent. Ich habe sehr viel dazu gelesen und auch einige Leserbriefe verfasst. Mir ist es wichtig, sich proaktiv mit dem Thema zu beschäftigen. Nicht belehrend sein, aber sich damit beschäftigen. Es betrifft ja uns alle.

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Sie selbst tun schon einiges für den Klimaschutz. In Ihrem Klimatalk sprechen Sie über Ihre Entscheidung, das Familienauto abzuschaffen. Das war sicher ein großer Schritt. Wie kam es dazu?

Tenhumberg: Ich bin bei einem großen Arbeitgeber in der Region beschäftigt und alle paar Jahre steht die Entscheidung an, welcher neue Dienstwagen angeschafft werden soll. Wir hatten bis dahin ein relativ großes Familienauto, das im Alltag aber selten genutzt wurde. Die Kinder sind mittlerweile elf und 14 Jahre alt und relativ selbstständig unterwegs, meine Frau arbeitet im Homeoffice und ich fahre auch nur zwei- bis dreimal in der Woche ins Büro. Da haben wir uns gefragt, ob es nicht möglich wäre, ohne eigenes Auto auszukommen. Meine Frau war erst skeptisch, aber nach einigem Nachdenken hat sie dieses Vorhaben forciert. Da habe ich eher kalte Füße bekommen.

Wie sieht Ihr Leben ohne Auto nun im Alltag aus? Sicher mussten Sie sich ja in einigen Bereichen neu organisieren.

Tenhumberg: Zunächst mal ist es ja so, dass das Konzept der 15-Minuten-Stadt in Schwetzingen quasi umsetzbar ist. Alles ist in kurzer Zeit zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar. Für Einkäufe schnappe ich mir zwei Jutebeutel und laufe zum Supermarkt, das reicht meistens schon. Ansonsten fahren wir natürlich viel Rad. Wir haben auch einen Fahrradanhänger zur Verfügung, den wir allerdings selten nutzen – wenn wir mal einen Sack Blumenerde brauchen. Für längere Strecken nehmen wir unsere E-Bikes. Die haben wir direkt angeschafft, damit lässt sich der innere Schweinehund eher überwinden. Vor allem für längere Strecken oder wenn es etwas regnet. Einmal in der Woche radeln meine Frau und ich dann nach Heidelberg zum Tanztraining.

Erwin Tenhumberg nutzt auch das Carsharing. © Nähr

Was wenn das Wetter richtig schlecht ist? Vor allem im Winter ist das ja keine Seltenheit. Nutzen Sie auch den ÖPNV, der ja leider oft nicht den besten Ruf genießt.

Tenhumberg: Wenn es regnet oder wenn wir längere Strecken zurücklegen wollen, nutzen wir natürlich auch öffentliche Verkehrsmittel. Zur Arbeit habe ich eine sehr gute Busverbindung. Viele Leute wissen wahrscheinlich gar nicht, dass es zum Teil sehr gute ÖPNV-Verbindungen gibt, weil sie sich nicht damit beschäftigen. Ab und an leihen wir uns auch ein Carsharing-Auto von „Stadtmobil“. Das Carsharing-Angebot in Schwetzingen hat uns die Entscheidung gegen das eigene Auto übrigens sehr erleichtert. Zu wissen, dass zur Not ein Auto verfügbar ist, wenn es mal nicht anders geht, war sehr hilfreich.

Das ist ein interessanter Aspekt. Welche Erfahrungen haben Sie mit „Stadtmobil“ gemacht? Und wie schätzen Sie das Potenzial für Carsharing ein?

Tenhumberg: Unsere Erfahrung mit „Stadtmobil“ sind eigentlich sehr gut. Es kam noch nie vor, dass kein Auto verfügbar gewesen wäre. Einziges Ärgernis war mal, dass der Parkplatz für das Carsharing-Auto besetzt war. Dann fragt man sich schon, wohin jetzt mit dem Auto? Dann muss man extra den Kundenservice informieren, weil der- oder diejenige, die das Auto im Anschluss gebucht hat, ja sonst nicht weiß, wo das Auto steht. Praktisch finde ich, dass man bedarfsorientiert ein Auto leihen kann und ich denke, dass vor allem Zweitautos sehr gut durch Carsharing ersetzt werden könnten. Perspektivisch wäre es schön, wenn es in Schwetzingen ein großes Auto gäbe. In Heidelberg habe ich für den Sommerurlaub einen Minivan gebucht. Damit waren wir in Holland und sind dort mit den Fahrrädern zu verschiedenen Naturgebieten gefahren. Das war sehr entschleunigt. In Holland macht das Radfahren einfach viel mehr Spaß. In vielen Städten sind Fahrradfahrer oft bevorrechtigt, wie in Utrecht oder Houten. Das ist natürlich ein sehr entspanntes Radfahren dort.

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Wie ist Ihr Fazit zu Ihrer Entscheidung, das Auto aufzugeben? Haben Sie es schon mal bereut?

Tenhumberg: Nein, bereut haben wir das noch nicht. Wenn man sich die Statistiken anschaut, tun wir alle nicht genug für den Klimaschutz. Wir als Familie haben uns mal die Frage gestellt, ob wir das Thema als echte Krise ansehen. Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir das tun und daher auch entsprechend handeln müssen. Und ich habe gedacht: Wenn wir es nicht schaffen in unserer privilegierten Situation, wer dann? Für viele ist es ein völlig schräger Gedanke, das eigene Auto aufzugeben. Für manche Leute sind wir Inspiration, für andere Provokation. Es wird damit ja auch ein Lebensstil infrage gestellt. Meinen Kollegen habe ich dazu inspiriert, ebenfalls mit dem Rad zu Arbeit zu fahren, das ist eigentlich das Beste, was dann passieren kann.

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