Landtagsvizepräsident Daniel Born schildert seine Eindrücke

An der Grenze zwischen Krieg und Frieden

Der Landtagsvizepräsident Daniel Born aus Schwetzingen trifft auf Geflüchtete aus der Ukraine und Helfende in Polen. Er schildert seine Eindrücke.

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Gastbeitrag von Daniel Born
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Daniel Born im Gespräch mit den Helfern des Roten Kreuzes in Lublin. © Polnisches Rotes Kreuz

Schwetzingen. Ein Gastbeitrag von  Landtagsvizepräsident Daniel Born

Von Willy Brandt stammt das Zitat: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ Mit dem verbrecherischen Angriff Putins auf die Ukraine ist die Außengrenze zwischen der Europäischen Union auch die Grenze zwischen Krieg und Frieden. Wie geht es den Menschen in diesem Grenzbereich? Denen, die vor dem Krieg geflohen sind, denen, die helfen und denen, die Angst davor haben, dass sich die Grenze zwischen Frieden und Krieg weiter nach Westen verschiebt. Aus unserer Region haben Helfer, die vor Ort an der polnisch-ukrainischen Grenze waren, zu mir in Telefongesprächen gesagt. „Daniel, du kannst Dir das nicht vorstellen. Jeden Tag 20 000 Geflüchtete, die Hälfte davon Kinder. Das ist eine humanitäre Katstrophe – durch einen Krieg ausgelöst.“

Mit meinen Landtagskollegen Dorothea Kliche-Behnke und Florian Wahl habe ich das Grenzgebiet besucht, weil wir begriffen haben, dass wir eine Vorstellung davon brauchen, welche Not und Sorge hier herrscht. Aber auch welche Tapferkeit und Entschlossenheit auf Flucht und Vertreibung mit Humanität und Solidarität zu antworten.

Intensives Gespräch mit dem deutschen Generalkonsul Dr. Michael Groß: Daniel Born (M. ) hat sich über die Hilfsbereitschaft vor Ort in Polen informiert. © Deutsches Generalkonsulat Krakau

Die polnische Zivilgesellschaft und die Hilfsorganisationen leisten vor Ort wirklich Beeindruckendes, um das Leid der Menschen zu lindern. Wir haben mit Aktiven des Internationalen Bundes in Krakau gesprochen. Sie betreiben dort ein multikulturelles Zentrum und wurden in den letzten sechs Wochen zu einer ersten Anlauf- und Beratungsstelle für viele der über 100 000 Geflüchteten in der Stadt.

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Ein weiteres intensives Gespräch fand mit dem deutschen Generalkonsul Michael Groß statt. Er hat uns noch einmal gut aufzeigen können, wie umfangreich sich derzeit die Hilfsbereitschaft vor Ort aufstellt und wo gleichzeitig die politischen Probleme von Integration über Wohnraumversorgung bis Bildung bestehen.

Bitte weiter helfen!

Besonders eindrücklich war für mich der Besuch des Refugee Reception Centre Budomierz-Hruszów, dort werden die ankommenden Geflüchteten registriert und betreut. Frauen, die vor wenigen Wochen noch ein Alltagsleben hatten, warten nun mit einem Kind an der einen und einem Rollkoffer an der anderen Hand darauf, wie es weitergeht. Die meisten wollen bald zurück, sie haben zu viel zurückgelassen: ihren Mann, ihr Haus, ihre Arbeit, ihre Freunde. Mir war es ein besonderes Anliegen, den Menschen zuzuhören, die ehrenamtlich ihre ganze Kraft darauf verwenden, Leid und Not ein wenig zu lindern. Eine israelische Hilfsorganisation hat in dem großen Zentrum eine Kinderbetreuung eingerichtet. Ein wenig spielen, lachen und sich kennenlernen an einem Ort voller Sorgen.

Schwerpunkt unseres Vor-Ort-Besuchs waren die Gespräche mit den Hilfsorganisationen: mit dem THW, dem Roten Kreuz und der Organisation International-Search-and-Rescue. Das Zusammenwirken des Muts der Geflüchteten, der großen Hilfsbereitschaft der polnischen Bevölkerung und des Einsatzes der Ehren- und Hauptamtlichen der Hilfsorganisationen ist mehr als ein Hoffnungsschimmer. Es ist wirklich gelebter europäischer Zusammenhalt.

Vor Ort sind rasch Strukturen geschaffen worden, um der humanitären Katastrophe zu begegnen. Wir waren etwa bei einem polnisch-ukrainischen Betrieb, wo bisher Tiny Häuser entworfen und gebaut wurden. Der Unternehmer hat spontan seine Lagerhallen für die Hilfsorganisationen geöffnet, die dort nun die medizinischen Hilfsgüter für ukrainische Krankenhäuser sammeln und auf den Weg bringen können. Ein ganz wichtiger Hinweis der Hilfsorganisationen war, dass die Bereitschaft der Bevölkerung in Deutschland für Geldspenden nicht abreißen sollte. Denn Hilfe wird langfristig notwendig sein.

Von einer besonderen Kraft

Aber ich habe auch einen weiteren Hinweis wahrgenommen: Nicht nur finanzielle, auch physische Kraftreserven können irgendwann erschöpft sein und müssen wieder gefüllt werden. Was die Ehrenamtlichen hier leisten, ist enorm. Und ich kann gut verstehen, dass man ob des erlebten Leids sich nie beklagen würde. Ein Helfer hat mir gesagt: „Natürlich vermisse ich meine Familie in Bayern – aber meine Familie ist in Sicherheit. Ich bin hier für Menschen da, die innerhalb von sechs Wochen alle Sicherheiten verloren haben.“

Und doch müssen wir als Politik genau hinschauen, wie wir die Helfer während und nach ihrem Einsatz unterstützen können. Und wie wir auf ihre Erfahrungen bauen können, wenn diese Krise auch uns ganz konkret in unseren politischen Entscheidungen herausfordert. Wie organisieren wir auch längerfristigen Wohnraum, Kinderbetreuung, Schule und Arbeitsmarktzugänge? Und das alles im Sinne der Geflüchteten, um tatsächlich solidarisch zu sein.

Ich bin nach meinem Besuch in der Grenzregion mehr denn je überzeugt: Dieser völkerrechtswidrige Angriff ist nicht das letzte Wort. Auf Putins Krieg wird Europas Frieden folgen. Dieser Frieden wird solidarisch, humanitär und demokratisch sein. Und bei dem großen Engagement an der Grenze zwischen Polen und der Ukraine – in all dieser Not und diesem Leid – ist bereits zu spüren, welche Kraft dieser Frieden hat.

  • Zum Autor: Daniel Born (SPD) ist Landtagsvizepräsident in Baden-Württemberg. Er kommt aus dem Wahlkreis Schwetzingen-Bruchsal und wohnt in Schwetzingen.

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