Für die 200 Jazzfans in der Wollfabrik hielt der Donnerstagabend einen Leckerbissen bereit: Denn mit Avishai Cohen erwartete sie eine echte Größe des Genres, der auch als Sänger, Komponist und Arrangeur bekannt ist. Nicht umsonst zählt das Insiderblatt „Bassplayer Magazine“ den Israeli zu den einflussreichsten Bassisten des 20. Jahrhunderts. Zusammen mit der erst 22-jährigen Drummerin Roni Kaspi, mit der er im Lockdown virtuell über das Internet performte, und dem in der New Yorker Jazzszene etablierten 26-jährigen Guy Moskovich interpretierte er die Stücke aus seiner Feder. Harmonisch wohnen diesen Einflüsse der israelischen Musik, der des Nahen Ostens und des Acoustic Jazz mit Elementen der Minimal Music inne.
Schon mit dem ersten Stück „Dreaming“ ging das Publikum komplett mit. Sanften Pianoklängen, den gekonnt gezupften Saiten des Basses und den rhythmischen Drums folgte ein Crescendo, das sich gewaschen hatte und die Zuschauer mit sich immer weiter steigendem Tempo und auftrumpfenden Piano schon zu diesem Zeitpunkt zu einem ersten Beifallssturm hinreißen ließ. Auch beim zweiten Stück, „Win-dow“, war die Begeisterung groß, mit gehörigem Applaus nach einem krassen Schlussakkord, sodass sich Altmeister Avishai Cohen doch zu ein paar Worten hinreißen ließ. Denn, wie er später, stets auf Englisch kommunizierend betonte, sprächen er und seine Bandmitglieder nicht viel, sondern sie würden lieber spielen. „Was für ein großartiger Ort um Aufzutreten. Ihr strahlt so viel Energie aus, sodass es nur ein großartiger Abend werden kann“, meinte er, um danach zu ergänzen: „Es sind neue Lieder und solche, die ich im Laufe der letzten 20 Jahre geschrieben habe. Ja, so alt bin ich“, scherzte der weltbekannte Musiker und endete: „That’s it – enjoy“, also: „Das war’s. Genießt einfach“.
Es folgten Stücke, die einer regelrechten Reise durch die Gefühlswelt des Komponisten gleichkamen. Mit ganzem Körpereinsatz zauberte Cohen eine erstaunliche Klangvielfalt aus seinem Instrument, mit dem er eine Einheit zu bilden schien. So begeisterte das Trio das Publikum mit mal an Minimal Music eines Ludovico Einaudi erinnernden Pianoklänge, mal mit sehr „freestyligen“ Klängen, überraschenden Tempiwechseln und fantastischem Zusammenspiel der Musiker. Spontaner Zwischenapplaus und Rufe der Begeisterung waren hier Regel und nicht Ausnahme.
Bei „ Dvash“ konnte man fast das Verrinnen der Zeit spüren, als Roni Kaspi auf ihrem Instrument das Ticken einer Uhr imitierte – oder das Geräusch eines Metronoms, das den Takt des Lebens vorgab. Bei „Shifting Sands“, dem Titel gebenden Stück von Cohens neuem Album, schien man das Dahingleiten des Lebens ebenfalls körperlich zu spüren. Drummerin Roni Kaspi sorgte für einen Höhepunkt des Abends, als diese nach einer sanften Einleitung bei „Joy“ alles aus ihren Instrumenten herausholte, nicht nur sich, sondern auch die Zuschauer in Ekstase trommelte und diese so zum Jubeln brachte. So mancher hatte sich gar die Schuhe ausgezogen und tanzte oder wippte versunken im Takt des Modern Jazz. Avishai Cohen war voll des Lobes für seine Kollegen: „Das ist das erste Konzert mit Guy Moskovich, diesem großartigen brillanten jungen Mann. Es ist unser erstes gemeinsames Konzert, aber hätte ich gesagt, wir spielen schon Jahre zusammen, hätte das sicher jeder geglaubt. Ich hatte schon lange mein Ohr auf ihn geworfen und auf den rechten Moment gewartet“, lobte und scherzte der Meister, der fortfuhr: „Und neben mir diese fantastische junge Drummerin, die die Jazzwelt im Sturm erobert hat. Ein Applaus für Roni Kaspi!“
Publikum ist begeistert
Alexander und Irina Kuleff aus Heidelberg fassten ihre Eindrücke in zwei Worten zusammen: „Mega gut!“ Und Lutz und Ulrike Neuweiler aus Edingen-Neckarhausen schwärmten: „Einfach toll – das Experimentelle, die Einflüsse der israelischen, orientalischen und osteuropäischen Musik. Immer intelligent und nie trivial“ und witzelten: „Die Mega-Einlage der Drummerin, ob der Meister das auch so goutiert hat?“ Man kann sicher sein: hat er. Denn Avishai Cohen ist als Förderer junger Talente bekannt.
Wollfabrik-Geschäftsführer Joachim Schulz kommentierte: „Ich mag guten Jazz wie von Stanley Clarke oder John McLaughlin. Als ich mit Clarke darüber sprach, Cohen einzuladen, meinte auch Stanley, dass dies eine gute Idee sei. Es war ein großartiger Auftritt.“ Schulz ergänzte: „Avishai war sofort von der Location begeistert und unserer neuen Soundanlage. Ein neues Phänomen ist, dass rund 20 bis 40 Prozent derer, die Karten gekauft haben, nicht zum Konzert kommen. Das fehlt dann bei den Einnahmen des Getränkeverkaufs.“ Er appellierte: „Wenn die Menschen weiterhin ein vielfältiges Kulturangebot haben möchten, wäre es wichtig, dass sie wieder mehr zu den Vorstellungen kommen. Es war ein wunderbares Konzert, aber rein finanziell betrachtet werden wir heute keinen Gewinn machen.“
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