Schwetzingen. Während die drei Hauptvertreter der Klassik – Mozart, Beethoven und Haydn – wie Gipfel aus der Musiklandschaft herausragen, gibt es noch zahlreiche Berge, die es zu erkunden gibt, so Dr. Rüdiger Thomsen-Fürst vom Forschungszentrum Hof-Musik-Stadt (vormals südwestdeutsche Hofmusik). Zusammen mit Dr. Sarah-Denise Fabian gestaltete er im Rahmen der Schwetzinger SWR Festspiele einen musikhistorischen Stadtrundgang durch Schwetzingen mit anschließendem Kurzkonzert im Palais Hirsch.
Rund 180 Jahre nachdem Carl Theodor zum Kurfürsten der Pfalz ernannt wurde, begaben sich die Besucher auf die Spuren des kunstsinnigen Kurfürsten und seiner Hofmusiker. Vor der Skulptur von Peter Lenk (dem „Glücksschwein“ auf dem Schlossplatz), die den Kurfürsten mit einer koketten Dame auf einem Schwein reitend darstellt, eröffnete sich ein wunderbarer Blick aufs Jagdschloss, der Sommerresidenz Carl Theodors. Hierhin begab er sich alljährlich von Mai bis Oktober samt seinem Hofstaat, um „Im Paradies der Tonkünstler“ warme Sommerstunden zu genießen. Dafür sorgten seine Hofmusiker, deren Leben und Wirken Schwetzingen, das bis Anfang des 18. Jahrhunderts noch als Dorf galt, zu einer wichtigen Musikstadt machten.
Bis heute bietet Schwetzingen eine Bühne für international bekannte Künstler, aktuell wieder mit den SWR Festspielen. Für damalige Verhältnisse war ein Orchester mit 80 Musikern schon etwas Besonderes, bot es schließlich eine Dynamik von leise zu laut, die heute selbstverständlich ist, im 18. Jahrhundert aber als einzigartig galt. Während in anderen Orchestern ein Musiker meist mehrere Instrumente beherrschte, waren es im Hoforchester Virtuosen an nur ihrem eigenen Instrument, die sich zudem auch als Komponisten hervortaten. Vor dem weitläufigen Park des Schwetzinger Schlosses erklärte Thomsen-Fürst, wo Kammermusik, Konzerte und Opern überall zu Gehör kamen. Als eindrucksvollste Kulisse gilt das Rokokotheater. 1753 wurde das Theater mit der Oper „Il figlio delle selve“ von Ignaz Holzbauer, dem ersten Hofkapellmeister des Orchesters am Hofe Carl Theodors, eröffnet. Bis heute dient das Theater trotz seiner akustischen Eigenschaften als beliebte Konzertstätte für hochkarätige Musiker. Neben dem Mozartsaal bot auch das Badhaus eine Bühne für gemeinsames Musizieren, bei dem der Kurfürst gerne mitwirkte. Während er in den Sommermonaten im Schloss residierte, waren seine Hofmusiker in verschieden Quartieren überall in der Stadt untergebracht. Sie brachten ganz Schwetzingen zum Klingen, so wie der englische Gelehrte Charles Burney auf seinen Reisen berichtet: „Einem jeden, der des Sommers durch die Straßen von Schwetzingen geht, muß es gänzlich von einer Colonie von Musikanten bewohnt zu seyn scheinen, die ihre Profession beständig ausüben.“ Doch es wurde nicht nur geübt, viele Musiker hatten hier ihren Lebensmittelpunkt. In den Kirchenbucheinträgen der St. Pankratius-Kirche lesen Musikwissenschaftler über Taufe und Hochzeit, während die Spendenliste der Stadtkirche verrät, dass auch katholische Musiker für die Orgel der lutherischen Kirche gespendet haben.
Technische Perfektion
Die letzte Station vor dem Konzert war an der „Hörbar“ auf dem „Weg der Hofmusik“. Hier kann man durch Scannen der QR-Codes der Musik der Schwetzinger Komponisten noch mal lauschen. Noch eindrucksvoller wurde das Hörerlebnis durch das Kurzkonzert im Palais Hirsch, das Studierende der Musikhochschule Mannheim gestalteten.
Die Mezzosopranistin Annike Debus und der Tenor Stijn Ritzen hatten innerhalb eines Monats ein bisher wenig aufgeführtes Programm der Komponisten Johann Friedrich Hugo von Dalberg, Sophie Gail und Franz Danzi einstudiert und überraschten das kunstversierte Publikum mit einer hohen künstlerischen Reife und technischer Perfektion der Darbietungen. Min Young Kim, die im Moment für ihr Konzertexamen studiert, zeigte pianistische Finesse mit dem 3. Satz aus Daniel Steibelts „Grande Sonate op. 45 in Es-Dur“, bevor ein langer Applaus Künstler und Musikwissenschaftler für den wunderbaren musikalischen Nachmittag belohnte.
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