Rhein-Neckar. Seit etwa eineinhalb Jahren sammelt Katharina Schneeberg, Zoologin am Pfalzmuseum für Naturkunde in Bad Dürkheim, Informationen über die Ausbreitung der Nosferatu-Spinne in der Region. Den aktuellen „Hype“ um das Tier sieht sie kritisch, wie sie im Interview mit dieser Redaktion sagt.
Frau Schneeberg, wie häufig klingelt bei Ihnen derzeit täglich das Telefon wegen Meldungen zur Nosferatu-Spinne?
Katharina Schneeberg: Momentan ist es so, dass ich mehr Telefonanrufe erhalte, als ich annehmen kann. Nach zehn gespeicherten Nummern werden sie auf meinem Telefon nicht mehr angezeigt - also sind es deutlich mehr. Durch die vielen Veröffentlichungen in den Medien hat das stark zugenommen.
Mit welchem Gefühl betrachten Sie die mediale Berichterstattung über die Nosferatu-Spinne in diesem Sommer?
Schneeberg: Sie begeistert mich wenig, weil sie keine Aufklärung über die Spinne an sich darstellt, sondern weil Menschen verunsichert werden. Das merke ich auch bei den Personen, die sich bei mir melden, dass sie durch die Pressemeldungen stark verunsichert sind. Das ist nicht notwendig. Teilweise werden die Tiere auch getötet, weil ein ganz falsches Bild vermittelt wird.
Was unterscheidet denn die Nosferatu-Spinne von hiesigen Spinnenarten?
Schneeberg: Sie tut nichts Spinnen-untypisches. Sie nutzt Gift, um ihre Beute zu erlegen. Das machen alle anderen Spinnen auch, außer die Arten aus der Familie der Kräuselradnetzspinnen (Uloboroidea), die haben keine Giftdrüsen. Spinnen leben alle räuberisch, so wie die Nosferatu-Spinne auch. Was sie von den meisten heimischen Spinnenarten unterscheidet, ist, dass sie mit ihren Mundwerkzeugen an dünnen Stellen die menschliche Haut durchdringen kann. Es kann also zu einem Biss kommen. Aber auch eine Große Winkelspinne kann mal zwicken - allerdings kommt die meist nicht durch die Haut.
Eine Gefahr für den Menschen stellt die Spinne aber nicht dar?
Schneeberg: Nein.
Wie verhält es sich mit anderen Spinnen. Findet eine Verdrängung statt?
Schneeberg: Wir beobachten die Verbreitung der Art und wollen irgendwann herausfinden, wie die Auswirkungen auf die heimische Fauna sind. Das aktuelle Bild ist, dass es keinen großen Einfluss gibt und kein großes Invasionspotenzial besteht. Das gilt es aber final auszuschließen. Bei einem direkten Aufeinandertreffen verlieren die Hauswinkel- oder die Große Winkelspinne den Kampf. Und wenn zwei räuberische Arten aufeinandertreffen, sehen sie sich gegenseitig als Beute an.
Es entsteht der Eindruck, dass die Ausbreitung der Nosferatu-Spinne von heute auf morgen rasant explodiert ist. Trifft das zu?
Schneeberg: Ich habe im April 2021 damit angefangen, die Verbreitung der Art zu untersuchen. Da die Tiere vor allem in Häusern vorkommen und ich nicht rausgehen kann, um sie zu suchen, habe ich das über Pressemeldungen veröffentlicht. Es gab über die Zeitung Aufrufe, die Spinne zu melden. Dadurch habe ich das Ganze ein bisschen vorangetrieben, da die Aufmerksamkeit auf die Spinnen im Haus gelenkt wurde. Viele der gemeldeten Spinnen sind gar keine Nosferatu-Spinnen. Es macht aber letztlich auch keinen Unterschied, ob man eine Nosferatu-, eine Winkel- oder eine Zitterspinne im Wohnzimmer hat.
Wie verhält man sich im besten Fall, wenn man eine findet?
Schneeberg: Man nimmt ein Glas, stülpt es vorsichtig über, verschließt es mit einer Pappe und setzt das Tier nach draußen. Hier ist es gut, wenn man es in eine strukturreiche Gegend setzt - wo man viele Insekten vermutet, fühlt sich die Spinne wohl.
In welchem Umfeld oder auf welchen Anwesen hält sich die Spinne denn besonders gern auf?
Schneeberg: Dort, wo viele Insekten sind. Wenn jemand keine Insektennetze vor den Fenstern hat, fühlt sich die Spinne entsprechend wohl. In Gebieten mit vielen Gärten kommt sie häufig vor. Aber auch in den Innenstädten ist sie stark vertreten.
Wer keine Nosferatu-Spinne im Haus haben will, muss also auf Insektennetze zurückgreifen?
Schneeberg: Eine komplett spinnen- und insektenfreie Wohnung kann man im Prinzip nicht erreichen. Aber wenn man Netze vor die Fenster spannt und an den Türen anbringt, kann man die Wahrscheinlichkeit senken.
Fühlt sich die Spinne in der Region hier besonders wohl - oder wird sie sich perspektivisch in gleichem Maße in ganz Deutschland ausbreiten?
Schneeberg: Durch den Klimawandel bedingt, weiten viele Arten ihr Verbreitungsgebiet nach Norden aus. Das beginnt meist in wärmebegünstigten Regionen wie bei uns und weitet sich dann mit dem Fortschreiten des Klimawandels auch auf andere Regionen aus.
Wir werden uns also künftig dauerhaft mit der Nosferatu-Spinne arrangieren müssen?
Schneeberg: Genau, ja.
Was sagen Sie den Leuten im Gespräch, um ihnen die Angst vor der Nosferatu-Spinne zu nehmen?
Schneeberg: Dass man sich wegen der Spinne keine Sorgen machen muss. Dass sie nicht aggressiv ist. Dass sie die Flucht ergreift, wenn sie die Chance dazu hat. Oft ist es so, dass durch die falschen Informationen im Internet die Menschen eine handtellergroße Spinne erwarten, die sie aus der Ecke anspringt. Da kann ich versprechen, dass das definitiv nicht passieren wird. Die Spinne springt keine Menschen an - und sie ist auch nicht handtellergroß.
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