Schwetzingen. Der Hallenboden vibriert vom Hin- und Herrennen der Sportler. Die Seitenlinien sind jeweils ihr Ziel. In der Hand hat jeder einen kleinen ledernen Ball, der jeweils nach zwei Schritten auf den Boden geprellt wird: Blopp – Blopp – Blopp. Fröhliches Lachen überlagert die sportliche Atmosphäre, die immer wieder von freudigen Zwischenrufen der Sportler getränkt wird. Spaß, das ist hier deutlich spürbar, steht bei allen Aktionen an diesem Tag im Vordergrund.
Wir besuchen den Trainingsstart der HG Unified Hyänen, dem inklusiven Team der HG Oftersheim/Schwetzingen. Bei diesem betätigen sich Menschen mit Behinderung gemeinsam sportlich und spielen primär Handball. Seit Anfang Oktober 2022 ist das inklusive Team schon aktiv, doch die Überlegung, auch behinderten Menschen einen Zugang zum Handballsport zu ermöglichen, bestand schon länger, wie Trainer Miguel Bundschuh schildert: „Leider wurden wir in unseren Planungen von Corona ausgebremst. Umso erfreulicher, dass die Unified Hyänen nun schon seit letztem Jahr trainieren können.“
Im Rhythmus von zwei Wochen findet das Training in der Schwetzinger Kreissporthalle statt und zum Auftakt dürfen die Betreuer neun neue Teilnehmer begrüßen. „Bei uns darf jeder mitmachen, egal, welchen Alters oder Geschlechts, hier zählt das fröhliche Miteinander. Es gibt sogar einen Fahrservice für Teilnehmer, beispielsweise aus einem Wohnheim in Mannheim“, erzählt Bundschuh. Dass die Gemeinschaft bei den Unified Hyänen auch gelebt wird, zeigt die Altersstruktur bei den 18 Teilnehmern: Von neun bis 53 Jahren ist alles vertreten.
Von Beginn an Stimmung
Auf den Bänken der Kreissporthalle sitzen die Teilnehmer gespannt und warten auf die Begrüßung der anwesenden vier Trainer und Betreuerin Nadja. Es wird schon vorm Start gelacht, die Vorfreude auf zwei Stunden Handballspaß ist förmlich greifbar. „Wir machen hier nichts anderes, als viel Spaß zu haben“, gibt Coach Uwe vor. Die Übungsleiter stellen sich vor, erklären den Ablauf des Trainings und dann kommt jeder Einzelne der Teilnehmer zu Wort. In seinem Bayern-München-Trikot mit HG-Nummer sorgt Teilnehmer Roland schon von Beginn an für Stimmung. Jeder lässt sich mitreißen, die Handbälle liegen bereit und schon begibt sich die Gruppe voller Freude zum Warmmachen.
Unterstützung willkommen
Insgesamt hat das Unified-Team derzeit sechs Trainer, dazu kommt eine Betreuerin. Doch wenn es nach Miguel Bundschuh geht, darf sich die Gruppe der Übungsleiter gerne vergrößern: „Wir freuen uns über jeden, der uns unterstützen möchte und bei uns mitmachen will. Unsere Türen stehen offen.“ Das aktuelle Team – alles basiert auf Ehrenamt – setzt sich aus erfahrenen ehemaligen Handballern, Trainern und generell Menschen zusammen, die für Inklusion stehen. So waren Miguel Bundschuh und Chris de Maria jahrelang Jugendcoaches. De Maria trainierte auch die HG-Herren. Übungsleiter Uwe Ziegenhagen war zudem Geschäftsführer beim Badischen Fußball- sowie Handball-Verband. Dazu kommt mit Peter Sander ein weiterer ehemaliger Handballer. Nadja Reißner ist selbst bei der Damenmannschaft der HG aktiv. Petra Frank kam über den Open Sporty Sunday dazu und Betreuerin Jana Luther übernimmt viele organisatorische Aufgaben.
Die Übungsleiter legen Turnmatten aus, jeweils in zwei Reihen, die sich gegenüber liegen, mit einem Abstand von gut fünf Metern. Gespannt verfolgen die Sportler nach dem Warmmachen und einer Trinkpause, was in der Hallenmitte passiert. Sie wissen: Das erste Spiel steht an. Es werden zwei Gruppen gebildet, jeder bekommt einen Handball, in der Mitte zwischen den Matten liegt ein Basketball. Es gewinnt die Gruppe, die diesen von der jeweiligen Mattenreihe aus per Handballwurf auf die gegnerische Seite befördert. Die Unified Hyänen sind sofort voll bei der Sache, Bälle fliegen, einige treffen zielsicher den Basketball und dieser rollt in Richtung Mattenreihe. Ein anderer erwischt den Fotografen, der die Szene mit seiner Kamera festhält. Jauchzen, schreien, lachen – beim Training des Teams darf sich jeder austoben und die zwei Stunden genießen.
Chillen gehört zum Training dazu
Genau das macht auch der 29-jährige Julius Demuth. Er ist sportbegeistert wie kaum ein anderer. Beim Unified Team der HG ist er von Beginn an mit Eifer dabei und Coach Bundschuh bescheinigt ihm sogar „auch bei der 3. Mannschaft der HG mitspielen zu können“. Der Schwetzinger ist multitalentiert, vor allem im Schwimmen hat er sich schon beeindruckend bewiesen. So war bei den Special Olympics dabei. Außerdem klettert er, spielt Tennis, fährt Ski und lernt gerade Golf sowie Tanzen. Sport ist sein Leben. Über den Club lernte er auch seine Freundin Katrin kennen und bei der HG hat er „viel Spaß“. Seine Sportbegeisterung gab er sogar als Trainer beim Schwetzinger „Open Sporty Sunday“ weiter.
Zeit für eine Ruhepause – die Trainer haben im hinteren Hallenbereich eine große und dicke Matte bereitgestellt. Auf dieser machen es sich die Teilnehmer nach dem actionreichen Programm bequem. Aus der kleinen Bluetooth-Box von Coach Bundschuh tönen beruhigende Klänge wie Meeresrauschen oder das Geplätscher eines Wasserfalls, das Unified-Team geht auf Traumreise. Alle lauschen dem Rauschen, jeder scheint in Gedanken versunken. Die lärmende und von Spaß geprägten Kulisse verwandelt sich in eine Oase der Meditation.
„Wir legen sehr viel Wert auf Ruhe- und Trinkpausen“, verdeutlicht Bundschuh. Dies sei wichtig, um die Balance zu halten und ein „Überdrehen“ zu verhindern. Betreuerin Nadja Reißer sieht dies ähnlich, sie ist nicht nur aktive HG-Spielerin, sondern auch studierte Sozialarbeiterin: „Es macht richtig Spaß, Freizeit mit Beruf zu verbinden. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung im Sport ist unglaublich wichtig.“ Dass die Teilnehmer auch vom Training profitieren, bestätigen sowohl Bundschuh als auch dessen Coach-Kollegin Petra, die jeweils auch ein Kind haben, das beim Unified-Team dabei ist.
Tanzen zu „Italodisco“
„Italodisco, scusa se insisto, ma questa notte“ tönt inzwischen der Refrain des bekannten aktuellen Hits von „The Kolors“ aus der Lautsprecherbox. Nach der Ruhepause und Gedankenreise ist nun tanzen angesagt. Es wird sich zum Takt bewegt oder einfach nur nach Gutdünken das gemacht, auf das man Lust hat. Vor allem der FC-Bayern-Fan Roland hat sichtlich Freude und animiert seine Mitstreiter zum Tanzen.
Kürzlich haben sich die Unified-Hyänen auch bei einem Heimspiel der Oberligamannschaft der HG vorgestellt. Präsenz zeigen, das Thema Inklusion an die Menschen bringen, das zählt auch zu den Aufgaben des Teams. Als das jamaikanische Team anlässlich der Special Olympics in Schwetzingen weilte, waren die Unified Hyänen ebenfalls dabei. Und vor Kurzem ging sogar eine Einladung von Oliver Roggisch, dem Teammanager der Rhein-Neckar Löwen ein. Die Hyänen dürfen ein Heimspiel des Bundesligisten in der SAP-Arena in Mannheim besuchen.
Zum Abschluss des Trainings heißt es Torewerfen – der Moment, auf den alle Teilnehmer sehnsüchtig gewartet haben. Ziel ist es, aus jeweils zwei Ringen heraus, die am Boden am Kreis liegen und eine Distanz zum Tor markieren, in den oberen Winkel des Kastens zu treffen. Voller Engagement gehen die Sportler nacheinander zur Wurfstelle und beweisen eine mehr als ordentliche Trefferquote. Ein Abschluss nach Maß an einem Vormittag, der schöner nicht hätte sein können.
Noch viele Pläne
Und wie geht es weiter? „Wir trainieren auch in Zukunft alle zwei Wochen und hoffen auf weiteren Zuwachs, sowohl bei den Teilnehmern als auch im Trainerteam“, blickt Bundschuh in die nahe Zukunft. Mittelfristig soll sich das Drumherum auch entwickeln: Reisen, Spiele gegen andere Unified-Teams und vieles mehr. Zeit zum Wachsen ist nötig und die Verantwortlichen sind guter Dinge, dass sich auch Förderer für das Team finden werden. Denn hier wird der Spaß an Sport einfach gelebt.
Kontakt und Training
Immer samstags an folgenden Daten: 21. Oktober, 11. November, 25. November, 9. Dezember, 16. Dezember.
Trainingsbeginn ist immer um 10 Uhr in der Kreissporthalle Schwetzingen, Eingang an der Bruchhäuser Straße.
Infos und Anmeldung über die E-Mail-Adresse inklusion@hghandball.de. hef
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