Gemeinderat

Gemeinderat Schwetzingen kritisiert Schließung der Notfallpraxis

Alle Stadträte unterstützen Forderung an Sozialminister Lucha, die Kassenärztliche Vereinigung zu stoppen. Die Mitglieder haben einen gemeinsamen Brief verfasst und unterschrieben.

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Der Redaktion
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Schwetzingen. Mit einer gemeinsamen Erklärung, die per Brief an den Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) geschickt wurde, reagiert der Schwetzinger Gemeinderat auf die geplante Schließung der Notfallpraxis in der GRN-Klinik. Initiiert und verfasst hat den Brief Carsten Petzold, der Fraktionssprecher der Schwetzinger Freien Wähler. Unterschrieben haben ihn alle Stadträte aller Fraktionen. Darin heißt es wörtlich:

„Nahezu sprachlos, geschockt, entsetzt und empört haben wir Stadträte der Großen Kreisstadt Schwetzingen aus der Schwetzinger Zeitung erfahren, dass die KVBW plant, die dem GRN-Klinikum angegliederte Bereitschaftspraxis zu schließen. Mittlerweile scheinen sich erste Spekulationen derart verfestigt zu haben, dass wir davon ausgehen, die KVBW will diesen unbedachten und unüberlegten Plan tatsächlich durchziehen, weshalb wir uns fraktionsübergreifend an Sie wenden, um Sie aufzufordern, von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen und dies letztlich zu verhindern“, so der Brief an den Minister.

Verständnis fehlt

Und weiter: „Uns Stadträten fehlt jegliches Verständnis für die beabsichtigte Schließung des Schwetzinger Standortes und das aus guten Gründen: Es ist völlig unverständlich, warum die KVBW eine so gravierende Entscheidung treffen will, ohne die tatsächlichen Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger in unserer Region, immerhin gut 150 000 Menschen, zu berücksichtigen. Mit der Zusammenführung des Bereitschaftsdienstes und der Notaufnahme in der GRN- Klinik haben wir moderne und vor allem effektive Strukturen geschaffen, die den Patienten eine zeitnahe und effiziente Versorgung ermöglichen. Der Bereitschaftsdienst Schwetzingen erfüllt eine ganz zentrale Rolle für eine große Zahl an Menschen. Er ist nicht nur durch Bewohner aus der Stadt, sondern auch durch Bewohner umliegender Städte wie Hockenheim und Wiesloch sowie der Anrainergemeinden frequentiert. Deshalb wissen wir bei unserem Protest auch alle Oberbürgermeister der Region, die Bürgermeister und den Landrat des Rhein- Neckar- Kreises hinter uns, ja sogar an der Spitze des Protest. Dieser wurde in den letzten Tagen auch deutlich formuliert.“

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Dann nennt Petzold Zahlen und Gründe für den Protest: „Die Notfallpraxis Schwetzingen hat im vergangenen Jahr sage und schreibe 14 000 Patientinnen und Patienten behandelt und versorgt. Hierbei handelte es sich nicht nur um sogenannte „Sitzpatienten“, also solche, die in die Praxis kommen, sondern auch um „Fahrdienstpatienten“, mithin Menschen, die vom Notarzt aus verschiedenen wichtigen Gründen zu Hause aufgesucht werden. 14 000 Menschen, deren Versorgung bei einer Schließung nahezu wegfallen würde. Hierbei sind insbesondere die Patienten des Fahrdienstes betroffen, die sich dann selbstständig in eine Notfallversorgung begeben müssten – egal, wie krank sie sind, egal, ob ein Privatauto zur Verfügung steht oder ein Taxi finanziert werden kann. Wer sich im hiesigen Bereich auskennt, weiß genau, dass die angegebenen Zeiten zur Erreichung einer Notfallpraxis in Heidelberg oder Mannheim utopisch und rein theoretisch sind. Diese Zeiten mit dem ÖPNV zu schaffen, ist einfach schlichtweg unmöglich.“

Das Ende des Fahrdienstes?

Die Gemeinderäte argumentieren zudem so: „Völlig unabhängig davon, halten wir es für unmöglich, dass die Praxen in Heidelberg und Mannheim die 14 000 Patienten noch zusätzlich versorgen können, denn auch diese Praxen sind bereits jetzt an der Leistungsgrenze. Wir können uns auch nicht vorstellen, dass ein dort diensthabender Notarzt in der Nacht im Rahmen des Fahrdienstes einen kranken Menschen in Reilingen aufsuchen kann, was eigentlich nur heißt, der Fahrdienst fällt völlig weg. Wir Stadträte sehen die Verlagerung des Bereitschaftsdienstes nach Heidelberg und Mannheim nicht nur als logistische und organisatorische Fehlentscheidung, sondern auch als Maßnahme, die die Patientensicherheit nachhaltig gefährdet. Gerade bei akuten Gesundheitsproblemen zählt jede Minute.“

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Das Fazit des Briefes an Manfred Lucha lautet: „Der Schwetzinger Stadtrat stemmt sich entschlossen gegen die Zerschlagung einer funktionierenden, bewährten Struktur der Gesundheitsversorgung in unserer Region. Seit der Zusammenführung des Bereitschaftsdienstes mit der Notaufnahme in der GRN- Klinik hat sich das System als äußerst effizient und patientenorientiert erwiesen. Die geplante Schließung ignoriert diese positive Symbiose und gefährdet die medizinische Grundversorgung für Hunderttausende von Menschen. Die KVBW muss erkennen, dass der Schwetzinger Bereitschaftsdienst unverzichtbar ist, so unsere klare Haltung. Wir werden uns gemeinsam mit unseren Partnergemeinden, dem Landrat und den Landtagsabgeordneten und über Parteigrenzen hinweg dafür einsetzen, dass dieses Vorhaben gestoppt wird. Wir werden uns auch nicht scheuen, die betroffenen Menschen zu Protestaktionen auf die Straße zu bringen und rufen die Bevölkerung auf, sich aktiv gegen die Schließungspläne zu wehren und sich an bevorstehenden Aktionen und Protesten zu beteiligen. Nur gemeinsam können wir verhindern, dass unsere Region von einem wesentlichen Teil der medizinischen Grundversorgung abgeschnitten wird“, heißt es abschließend.

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