Schwetzingen. Die Frau weiß, wovon sie spricht. Anne Vogd, Boomer-Mutter und Autorin von „Ge*gendert wird was auf den Tisch kommt“, mit Cis-Mann, und woker Tochter, die sich die neben Klimaschutz und Nachhaltigkeit auch die politische Korrektheit, speziell die geschlechtergerechte Sprache auf die Fahnen geschrieben hat, verwandelt sich das eigene Heim zu einem sprachlichen Irrgarten rund um die Themen: Was darf man noch sagen und was geht gar nicht mehr. Dabei, und das war wohl das Schönste an diesem Comedy-Lese-Abend in der Stadtbibliothek, sie tat das mit viel Humor, auch gegen sich selbst. Vogd, die heute in der Pfalz lebt, ist unüberhörbar eine Rheinländerin. Und gerade die Kölner können am Ende wohl schlicht und einfach nicht verbissen sein.
Was sie aber können, ist schlagfertig sein. Bevor sie sich den Zeilen in ihrem Buch widmet, nimmt sich Vogd für die knapp 30 Zuhörer kurz des Bildungslandes Deutschland an. Und, um es kurz zu machen, so richtig gut sieht es da nicht aus. Gerade Tiktok und Co. machten klar, dass der Hirntod wohl doch nicht das Ende des Lebens beschreibe.
Deutsche Bildung bei Auftritt in Schwetzingen thematisiert
Pythagoras wird zum Grillteller und dann sei es doch krass – so eine gespielte Dialogeinheit zwischen zwei Jugendlichen – dass Konrad Adenauer nach einer Brücke benannt worden sei. Der Jugend sei da kein Vorwurf zu machen. Man denke nur an Werbesprüche, wie „Wer günstig will, muss Lidl“. Man möchte hinterherrufen, wer deutsch will, muss Duden.
Ja, es gibt ein paar Defizite. Es stellt sich aber doch die Frage, ob das früher nicht mindestens ähnlich war. In Teilen stimmt sicher, was Vogd sagt, „das deutsche Bildungsniveau bekommt im Keller Höhenangst“. Der Autor dieser Zeilen ist aber davon überzeugt, dass es für diese These auch aus den 1980ern hinreichend Belege gibt.
Sexismus und Klimawandel: Autorin wandelt in Schwetzingen auf schmalem Grat
Herrlich waren die Beschreibungen Vogds rund um die kommunikativen Fallstricke im eigenen Zuhause mit ihrer Tochter. Die Aussage „schönes Wetter heute“ könne einen veritablen Shitstorm auslösen, wenn das schöne Wetter mit dem Klimawandel verknüpft werde. Oder wenn die Mutter über einen Freund der Tochter „hübscher Kerl“ sagt. Zwei Worte, zwei Fehler, denn hübsch sei sexistisch und, dass er ein Kerl sei, sei eine Unterstellung.
Ganz schwierig wird es, wenn der Vater in die Diskussion gerät. Für ihn, so Vogd, sei gendern, „wenn ein Sachse mit dem Boot umkippt“. Ganz grundsätzlich zeigt die Autorin aber Verständnis für dieses Phänomen, das am Ende ja nur den Raum der Gerechtigkeit vergrößern soll. Gerade der Demokratie stehe das gut an. Aber es dürfe auch nicht alles sein. Immerhin habe die Gesellschaft noch ein paar andere Baustellen. Eine gelingende Lebensmaxime könnte doch sein: „Leben und leben lassen“.
Anne Vogd verliert in Schwetzingen nicht ihren Humor
Der Scham- und Tugendterror, da wurde sie kurz ernst, führe am Ende ins Nichts. Ob auf einem Verkehrsschild für den Wildwechsel ein Hirsch oder eine Hirschkuh abgebildet ist, hält sie für solch ein Nichts. Bei manchen dieser Protagonisten, so ihre Vermutung, stand die Schaukel doch zu nahe an der Hauswand.
Das gelte auch in vielen Bereichen der sogenannten kulturellen Aneignung. Die sei doch einer der „Motoren für Fortschritt in eine bessere Zukunft“. Man stelle sich vor, die deutsche Küche ohne kulturelle Aneignung. Am Ende wandte sich die Frau noch einmal der digitalen Welt zu, in der die Paarungsanbahnung besondere Stilblüten treibe. Fotos dürfe man jedenfalls nicht mehr vertrauen. Es gilt: „Wenn du nicht so aussiehst wie auf dem Bild, bezahlst du die Getränke bis du so aussiehst.“
Ja, das Leben ist rund um Ernährung, Körperkult, Mobilität, Älterwerden und Klima nicht einfacher geworden. Aber – und das beweist Vogd an diesem Abend in der Stadtbibliothek – den Humor muss man darüber nicht verlieren.
Und genau dafür erntete sie hier viel Applaus.
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