Im Interview

Buchmesse-Star in Schwetzingen: Autorin Ann-Kathrin Wasle begeistert mit neuem „Rungholt“

Die in Schwetzingen großgewordene Autorin Ann-Kathrin Wasle veröffentlicht mit „Rungholt“ ihren dritten Roman – und den zweiten im eigenen Verlag.

Von 
Nicolai Lehnort
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Die in Schwetzingen aufgewachsene Autorin Ann-Kathrin Wasle schreibt historische Romane mit einem Hauch Übernatürlichem. © Wasle

Schwetzingen. Als „historische Romane mit einem übernatürlichen Touch“ bezeichnet Ann-Kathrin Wasle ihre eigenen Werke. Damit bewegt sich die in Schwetzingen aufgewachsene Autorin in einem ungewöhnlichen und seltenen Genre-Mix. Mit „Rungholt“ veröffentlicht die 37-jährige freiberufliche Lektorin und Autorin am Dienstag, 1. Oktober, ihren dritten Roman. Das Besondere daran: Unter dem Titel „Die Glocken von Rungholt“ hatte Wasle bereits 2016 ihren ersten Roman veröffentlicht – mit beinahe deckungsgleichem Klappentext.

Warum sie die Geschichte acht Jahre später neu aufgelegt hat und weshalb ihre Romane klassische Verlage und Buchhandlungen vor Herausforderungen stellen, verrät die Autorin im Interview. Außerdem erklärt Wasle die Vorteile eines eigenen Verlags und warum sie sich beim Schreiben manchmal „wie ein mittelalterlicher Baumeister“ fühle.

Frau Wasle, Ihr Roman „Die Glocken von Rungholt“ ist schon 2016 als E-Book erschienen. Ihr neuer Titel „Rungholt“ hat eine nahezu identische Beschreibung. Was steckt dahinter?

Ann-Kathrin Wasle: Das Buch hat eine sehr spannende Geschichte. „Die Glocken von Rungholt“ war mein erstes Manuskript, das zu einem Buch wurde. Ich habe damit meinen ersten Verlag gefunden. Das hatte aber zwei Haken: Zum einen war ich nie ganz zufrieden mit meinem Manuskript. Es war eben ein Erstlingswerk. Zum anderen wurden mir vom Verlag diverse Vorgaben gemacht, unter anderem, dass nichts Übernatürliches darin vorkommen darf. Ich habe gemeinsam mit dem Verlag letztlich sehr viel an meiner Originalvision verändert. Das Buch ist nach der Veröffentlichung aber quasi untergegangen. Wirklich glücklich war ich mit dem Gesamtwerk nie.

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Warum?

Wasle: Bei einem kleineren Verlag ist es das zu erwartende Schicksal, wie ich aus jetziger Sicht weiß. Das ist der Hauptgrund, warum ich nicht mehr bei Verlagen veröffentliche. Die sorgen sich in der Regel um die großen Autoren und stecken weniger Aufwand in die kleinen. Deshalb kümmere ich mich jetzt eigenständig darum. „Das Lied des Gaukelspielers“ ist das erste Buch, das ich unter eigener Regie herausgebracht habe, und es ist auch das erste, mit dem ich rundum zufrieden bin.

Darum wollten Sie den damaligen Roman jetzt neu auflegen.

Wasle: Ich hatte damals die Idee und Vision und es hat mich jahrelang geärgert, dass ich sie nicht so rüberbringen konnte, wie ich es wollte. Jetzt kann ich es so präsentieren, wie es sein sollte. Ich habe etwa das halbe Buch neu geschrieben und die andere Hälfte von Grund auf überarbeitet. „Rungholt“ ist die gleiche Geschichte, aber jetzt ist sie richtig. Stilistisch habe ich mich weiterentwickelt und auch inhaltlich haben sich nun andere Handlungsbögen entwickelt. Außerdem hatte ich die Handhabe über das Cover und es erscheint in gebundener Form. Damit bin ich glücklich, zufrieden und richtig stolz drauf.

Im Klappentext von „Rungholt“ ist die Rede von einer versunkenen Stadt und zwei Frauen, die über ein Tagebuch miteinander verbunden sind. Es sei „ein Roman über eine schicksalhafte Begegnung und eine Seelenverwandtschaft über den Tod hinaus“. Können Sie noch mehr verraten?

Wasle: Die Idee entstammt der Ballade „Trutz, blanke Hans“ von Detlev von Liliencron. Die Vertonung hat mein Vater immer gehört und so habe ich die Legende der historisch gut belegten versunkenen Stadt Rungholt bereits als Kind mitbekommen und wollte schon immer stärker in die Geschichte eintauchen. Ein gesamter Landstrich ist 1362 nach einer großen Sturmflut untergegangen. Der Roman handelt von der jungen Frau Janna, die sich wahnsinnig für die Legende von Rungholt interessiert. In ihr Dorf kommt eines Tages eine seltsame Händlerin, die dieses scheinbar sehr wertvolle Tagebuch besitzt. Janna bekommt das von Lenore geschriebene Buch auf schicksalhafte Weise in die Hände. Das Spannende ist: Man hat Spannungsbögen, Vorstellungen, Menschen, die vielleicht mehr wissen, als man anfangs denkt und vielleicht auch etwas Übernatürliches.

Rungholt von Ann-Kathrin Wasle © Verlag

Springen Sie in der Handlung zwischen dem Leben von Janna und der Geschichte in Lenores Tagebuch?

Wasle: Ja, genau. Die Rahmenhandlung handelt von Janna und ihren eigenen Problemen, zum Beispiel ihrem verschollenen Bruder, den sie mit der versunkenen Stadt in Verbindung bringt. Dazwischen gibt es immer wieder Stücke aus dem Tagebuch, die in die moderne Geschichte eingeflochten sind. Lenore hat ebenfalls ihren Geliebten ans Meer verloren. Im Tagebuch schreibt sie außerdem von einer Liebesgeschichte zwischen ihr und ihrem Vetter.

In welches Genre ist diese Geschichte denn einzuordnen?

Wasle: Es ist ein sehr ungewöhnlicher Genre-Mix aus Fantasy und Historischem. Das ist für klassische Verlage oft ein bisschen abschreckend, genau wie Buchhändler wollen sie eine klare Einteilung. Historische Fantasy ist Fantasy mit historischen Anleihen. Aber was ich schreibe, sind historische Romane mit einem übernatürlichen Touch. Diese Kombination ist ziemlich selten und etwas schwer zu erklären. Magischer Realismus beschreibt es vielleicht ganz gut.

Und an welche Zielgruppe richtet sich Ihr Roman?

Wasle: Eigentlich sind Historienleser am ehesten interessiert, aber die haben manchmal Angst vor etwas Fantastischem. Auf der Buchmesse habe ich das Gefühl, dass die Leute, die ich am meisten mit meinem Roman begeistere, gar nicht aufs Genre schauen. Ich bin seit einigen Jahren mit einem Stand auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. Das ist großartig, um die Leser kennenzulernen und zu erfahren, was sie von einem Buch hören wollen. Dort erfahre ich, womit ich das Buch beschreiben und verkaufen kann.

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Welche Bücher lesen Sie selbst am liebsten? Orientieren Sie sich an bestimmten Autoren?

Wasle: Vor allem Fantasy und Historisches. Bezüglich der Autoren glaube ich, dass ich von anderen Stilen lernen kann. Wen ich großartig finde, ist Isabell Allende, vor allem „Das Geisterhaus“. Das ist ein wahnsinniger Stil, dieser magische Realismus, bei dem alles natürlich ist, aber immer wieder fantastische Kleinigkeiten vorkommen. Wen ich auch sehr bewundere, ist Michael Ende. Bei ihm liebe ich die Art, wie alles scheinbar leichtfüßig mit viel Hintersinn versehen ist.

Wie schätzen Sie Ihren eigenen Lernprozess als Autorin von Buch zu Buch ein?

Wasle: Wir haben hier in Deutschland eine furchtbar schlechte Kultur, schreiben zu lehren und zu lernen. In Amerika ist das deutlich besser, wobei es sich dort vor allem auf Drehbuchautoren fokussiert. Wenn ich etwas über die Struktur einer Story lernen möchte, schaue ich mir meistens Filme an, weil ein Film nur zwei Stunden Zeit hat, um eine Welt aufzuzeichnen, während ein Buch sich 1000 Seiten leisten kann. Obwohl Geschichten seit Jahrtausenden erzählt werden, glaube ich: Wir haben uns immer noch nicht überlegt, wie das eigentlich funktioniert. Ich komme mir regelmäßig vor, wie ein mittelalterlicher Baumeister, der eine Kathedrale baut, weil er schon mal eine gesehen, aber keine Ahnung von Statik hat.

Erklären Sie uns diesen bildhaften Vergleich.

Wasle: Ich wusste, was ich machen wollte, habe es aber nicht geschafft, es so zusammenzusetzen, wie es richtig ist. Daran bin ich anfangs regelmäßig gescheitert. Seit „Das Lied des Gaukelspielers“ weiß ich grob, was ich tue. Immer, wenn ich Probleme habe, schaue ich mir an, wie das in anderen Werken gelöst wird. In Sachen Stil lautet das Geheimnis, glaube ich: überarbeiten. Solange ein Autor sein eigenes Werk nicht lesen kann, sollte er weiter daran arbeiten.

Wie viel Aufwand stecken Sie in diesen Schritt? Wie sieht Ihr Schreibprozess aus?

Wasle: Er gliedert sich in Planen, Schreiben und Überarbeiten. Planen ist der coole Teil, der Spaß macht. Das beginnt bei der ersten Idee und findet überwiegend im Kopf statt. Bevor es ans Schreiben geht, habe ich die Struktur Szene für Szene niedergeschrieben. Schreiben ist der anstrengende Teil. Das ist nervig. Nebenbei lasse ich oft den Fernseher zur leisen Berieselung laufen und mache das gern in den Morgenstunden.

Wie müssen wir uns den Entstehungsprozess von der Idee über Lektorat und Cover bis hin zur Veröffentlichung in Ihrem eigenen Verlag „TintenSchwan“ vorstellen?

Wasle: Nach schlechten Erfahrungen mit Verlagen glaube ich, dass ich das selbst professioneller kann. Wo es meiner Meinung nach nicht ohne Profis geht, ist das Coverdesign und das Lektorat. Ich bin zwar selbst Lektorin, aber man braucht einfach den Blick von außen. In meinem Verlag kann ich selbst entscheiden, ob ich die Impulse meiner Lektorin aufgreife oder nicht. Wenn ein anderer Verlag sich Änderungen wünscht, muss ich sie umsetzen. Beim Cover ist es ähnlich: Ich kann es selbst auswählen. Was ich allein mache, ist der Buchsatz. Abschließend suche ich eine Druckerei und trage das finanzielle Risiko für die Auflage. Ich bin dann dafür verantwortlich, dass die Bücher überall verfügbar sind. Mein Anspruch ist, dass das Buch mindestens so gut ist wie von einem großen Verlag.

„Rungholt“ erscheint Anfang Oktober. Arbeiten Sie schon an einem weiteren Projekt?

Wasle: Das nächste Buch steht schon in den Startlöchern. Es ist Szene für Szene fertig geplant. Ich muss nur noch Zeit finden, es zu schreiben, wahrscheinlich nach der Buchmesse. Aktuell beschäftige ich mich außerdem mit dem Thema Mythos und überlege, ob uns eine weibliche Heldenreise fehlt. Die klassischen Heldenreisen sind alle männlich definiert. Ich plane, Themen zu behandeln, die in den anderen Büchern gefehlt haben.

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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