Schwetzingen.
An diesem Samstag, 25. November, machen verschiedene Institutionen auf eine überfällige Forderung aufmerksam – die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Besser spät als nie, denn in Deutschland erfährt alle vier Minuten eine Frau Gewalt durch ihren Partner oder Expartner. Jeden zweiten bis dritten Tag endet eine Gewalttat für eine Frau tödlich, wie der Zonta-Club Deutschland veröffentlicht. Eine düstere Thematik, die auch Schwetzingen betrifft. Doch wie viele Fälle zählt die Region? Wie wird dagegen vorgegangen? Und wie kann Betroffenen und Tätern geholfen werden?
Zu diesem Thema sprach diese Zeitung unter anderem mit Petra Presser und Ursula Hornung-Morgenthaler vom Zonta-Club Schwetzingen.
Was genau ist Gewalt gegen Frauen?
„Gewalt beginnt nicht erst mit einem körperlichen Übergriff. Auch Bedrohungen, Belästigungen und Kontrolle durch den Partner sind Formen von Gewalt. Besonders gefährdet sind Frauen in den eigenen vier Wänden, das ist schon seit vielen Jahren bekannt“, sagt Petra Presser, die Vorsitzende des Zonta-Clubs Schwetzingen. Frauen, die in Schwetzingen von Gewalt im häuslichen Kontext betroffen sind, erfasst die Kriminalstatistik unter dem Titel „Partnergewalt“, so Samina Ashraf, von der Pressestelle der Polizei Mannheim.
Erfasste Straftaten im Bereich Schwetzingen
Wie viele Fälle gibt es in Schwetzingen?
Für das Jahr 2022 erfasste die polizeiliche Kriminalstatistik im Revierbezirk Schwetzingen 114 Straftaten mit weiblichen Opfern. Somit stieg die Zahl um zwölf Fälle gegenüber dem Jahr 2021. Die höchste Anzahl weiblicher Opfer der letzten fünf Jahre verzeichnete die Polizei Mannheim für Schwetzingen im Jahr 2019 – es handelte sich um 133 weibliche Geschädigte. Neben der hohen Dunkelziffer weiblicher Opfer, lenkt Ashraf den Blick allerdings auch auf die Taten, die zwar gemeldet und aufgenommen werden, aber nicht in der Statistik landen. So erfasse diese nämlich ausschließlich Straftaten, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, oder sexuelle Selbstbestimmung verletzten.
Welche Straftaten wurden erfasst?
Laut Kriminalstatistik ist die häufigste Straftat, der Frauen im Bereich Schwetzingen zum Opfer fallen, die Körperverletzung. Allein zwischen 2018 und 2022 zählte die Polizei Mannheim 243 weibliche Geschädigte im Revierbezirk Schwetzingen.
Weit dahinter folgt mit 64 weiblichen Opfern die Bedrohung. Neben verschiedener Formen der Nötigung meldete die Polizei auch in jedem der vergangenen fünf Jahre mehrere Vorfälle der Nachstellung in Schwetzingen. Natürlich akzeptiere der Club keine Gewalt, unabhängig gegen wen, meint Pressesprecherin des Zonta-Clubs Schwetzingen Ursula Hornung-Morgenthaler: „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass 80 Prozent der Opfer im Bundesschnitt weiblich sind.“
Wer sind die Täter – Frauen oder Männer?
Es ist wohl kein Geheimnis, dass Männer durchschnittlich mehr Straftaten begehen als Frauen. Den Statistiken der polizeilichen Pressestelle Mannheim zufolge übertrifft der prozentuale Anteil männlicher Tatverdächtiger bei Partnergewalt in Schwetzingen sogar den ohnehin hohen Anteil der Männer in der Kriminalstatistik. So sind 82,9 Prozent der Tatverdächtigen bei Partnergewalt männlich. Das sind über fünf Prozent mehr, als bei den Tatverdächtigen aller Straftaten. Hier liegt der männliche Anteil bei 77,4 Prozent.
Wie versucht Schwetzingen zu helfen?
„Schwetzingen hat die Problematik erkannt und den Runden Tisch gegründet“, so Presser. Roland Strieker, der von Oberbürgermeister Dr. René Pöttl gebeten wurde, das Gremium am „Runden Tisch“ zu leiten, erklärt: „Neben den öffentlich ausliegenden Flyern haben wir uns dafür entschieden, Hinweisschilder mit dem Verweis auf Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt zu gestalten und diese in öffentlichen Toiletten aufzuhängen.“ Dies erleichtere den völlig anonymen Zugang, da ansonsten schon bei der Mitnahme eines Flyers eine Hemmschwelle sein könne. Die Informationen seien in mehreren Sprachen erhältlich. Wichtig sei das Gremium, welches die verschiedenen Akteure zusammenbringe, um ein Netzwerk zu bilden und so das Thema häusliche Gewalt besser aufgreifen könnten.
Die Verantwortlichen des Zonta-Clubs sehen eine weitere Maßnahme als entscheidend: „Wir haben angefangen, Bänke in der Stadt in einem knalligen Orange zu lackieren. An diesen ist dann ein QR-Code angebracht, über den Betroffene die Hilfsangebote im Internet aufrufen können.“
Welche konkreten Angebote gibt es für Opfer?
Im Rhein-Neckar–Kreis würden noch wenige Schutzplätze für Frauen und Kinder bestehen, meint Elena Lorente vom Deutschen Roten Kreuz.
„Wir bieten drei Plätze für erwachsene Frauen und drei für ihre Kinder. Als zusätzliches Angebot besteht die Schutzwohnung für Seniorinnen in Kooperation mit der „Alwine Stiftung – in Würde altern“, die für andere Art von Klientel passend ist“, so die Koordinatorin für Frauen und Familie.
Hornung-Morgenthaler stellt klar: „Es gibt in ganz Deutschland immer noch viel zu wenig Plätze.“
Was können Hilfsangebote für Täter bewirken?
„Wir müssen von allen Seiten an das Thema ran“, findet Hornung-Morgenthaler. Presser fügt hinzu: „Besonders wichtig ist da die Vernetzung verschiedener Hilfen. Wenn die Opferhilfen auch mit den Stellen für Täterarbeit kommunizieren, kann ein Hilfsnetz erbaut werden, von dem alle Beteiligten langfristig profitieren. Bisher gibt es aber auch noch viel zu wenig Hilfsangebote für Täter.“
Auch diese Arbeit sei ein wichtiger Baustein, um Opferzahlen zu reduzieren: „Viele der Gewalttäter haben selbst Gewalt erfahren und möchten sich verändern, wissen aber nicht wie. Daher braucht es ein breites Angebot“, so die Vorsitzende des Zonta-Clubs Petra Presser beim Hintergrundgespräch.
Welche Rolle spielen soziale Netzwerke?
Presser erklärt: „Gerade Cybermobbing ist eine schreckliche psychische Form der Gewalt. Diese nimmt immer weiter zu, gerade an den Schulen. Da werden dann peinliche Bilder von Mädchen und jungen Frauen verschickt. Daher gibt es in Heidelberg mittlerweile eine Koordinierungsstelle für digitale Gewalt.“ Ursula Hornung-Morgenthaler fügt hinzu: „Deswegen ist Präventionsarbeit an Schulen sehr wichtig, viele Jugendlichen wissen nicht einmal, dass sie sich bei Internetmobbing strafbar machen.“
Was wird an diesem Tag in Schwetzingen gemacht?
„Wir werden aufgrund der Energiekrise dieses Jahr zum ersten Mal kein Gebäude Orange anstrahlen, um auf das Thema aufmerksam zu machen“, erklärt die Pressesprecherin. Eher wolle der Frauenclub mit Banner und Fahnen auf das Thema aufmerksam machen. „Viel wichtiger ist auch die Arbeit unter dem Jahr, um weiterhin Frauen den Zugang zu Hilfe zu erleichtern.“
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