Neue Kunstausstellung (mit Fotostrecke)

Im Schlossgarten Schwetzingen: Voyeur sein ist hier erwünscht

15 Kunstschaffende zeigen in der Orangerie im Schlossgarten Schwetzingen originelle und zum Teil auch frivole Arbeiten zum Thema „Mission Rokoko: Klassik trifft Moderne“.

Von 
Katja Bauroth
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Barbara Berger und Yvonne Wilken (vorne v. l.) gehören zu den Kunstschaffenden, die derzeit in der Orangerie ausstellen. © Bauroth

Wow-Effekte gleich beim Reinkommen in die Orangerie des Schlossgartens Schwetzingen: Aus zwei schwarz lackierten Rahmen entwachsen zwei farbig gestaltete und mit Federboa sowie Tüllrock ausstaffierte Körperhälften im Profil. Helga Hoicke hat für diese Kunstwerke Schaufensterpuppen halbiert, auf Holz befestigt und verziert. Witzig: Eine Hand der dreidimensionalen Darstellung hält ein Glitzerschwein an der Leine – als Gruß an das „Glücksschwein von Schwetzingen“ auf dem Schlossplatz.

Heimspiel: Barbara Berger aus Oberhausen-Rheinhausen vor einigen ihrer Digital-Art-Arbeiten „Rococo meets Future“. © Katja Bauroth

Daneben gleich noch weitere Hingucker der genannten Künstlerin: Ihre „Bouquet de fleurs“ fallen mit den roten, weißen und roséfarbenen Blüten ebenfalls in schwarzen Rahmen sofort ins Auge. Die Dortmunderin hat Collagen aus Stoffblumen gefertigt, mit Autolack bepinselt und so zum Leuchten gebracht. Aus einem Bouquet lässt sie ein Gesicht herausschauen, das auf ein altes Gemälde gebannt ist – sozusagen als Reminiszenz an das Rokoko. Genau das ist das Thema der illustren und sehenswerten Ausstellung: „Mission Rokoko: Klassik trifft Moderne“.

Werke extra für die Ausstellung  gefertigt

Zum dritten Mal in Folge gastiert der Stuttgarter Verein Kunst International in der Orangerie im Schlossgarten Schwetzingen. Die Konzeption der Ausstellung fand in Zusammenarbeit mit Kunsthistoriker Wolfgang Schröck-Schmidt vom Schloss Schwetzingen statt.

Zu sehen sind Malereien, Skulpturen und Installationen von 15 Kunstschaffenden. Mit ihren Arbeiten interpretieren sie das Rokoko – die künstlerische Epoche, die zwischen 1720 und 1780 ihren Höhepunkt erreichte – mal mehr, mal weniger, vor allem jedoch auf moderne Weise. Damals war die Kunst eng mit dem höfischen Leben und rauschenden Festen verbunden. Typische Merkmale sind Verspieltheit, Leichtigkeit und Opulenz. Über die Themen Mode, Spiel, Kommunikation, Form und Farbe nähern sich die Künstler des Vereins dem 18. Jahrhundert an.

Na, welcher Promi wird hier mit tierischem Humor dargestellt? James Dean. Das Werk stammt von Utaellamarie Peter. © Katja Bauroth

Auch Erotik spielt eine Rolle. Christiane Köhne thematisierte das gleich mehrfach. Sie lädt mit ihrem Werk ein, Voyeur zu sein. Hinter kleinen Fensterläden, die sich öffnen lassen, verbergen sich nicht ganz jugendfreie Zeichnungen aus der Zeit des Rokoko, etwa Paare beim munteren Liebesspiel. Daneben lohnt ein genauer Blick auf eine Fotoserie mit einem Model, die dem Mouche gewidmet ist. Denn wie bei der Schleife an der Dirndlschürze hat die Platzierung dieses kleinen schwarzen Schönheitspflästerchens eine Bedeutung: Wird das Mouche zum Beispiel an den Mundwinkel geklebt, wünscht die Dame, geküsst zu werden. Die Erklärungen gibt es auf einem Schild vor Ort.

Hintergrund

  • Seit 2015 verfolgt der Kunstverein Kunst Stuttgart International seine Mission, Ausstellungen und Projekte professionell und international zu organisieren. Mit mehr als 400 Mitgliedern aus zwölf Ländern bietet der Verein Kunstschaffenden überregionale und internationale Ausstellungsmöglichkeiten.
  • Er stellt bereits zum dritten Mal in Folge in der Orangerie des Schlosses Schwetzingen aus. An der Ausstellung „Mission Rokoko: Klassik trifft Moderne“ sind beteiligt: Barbara Berger, Roswitha Bohmann, Klaus Feuchtinger, Susanne Freiler-Höllinger, Dorothe Helmeth, Helga Hoicke, Christiane Köhne, Andrea Kraus, Nicola Maier-Menzel, Olga Manilov, Felix Martin, Utaellamarie Peter, Hanne Plattner, Carmen Eloise Treichler und Yvonne Wilken. Die Konzeption der Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistoriker Wolfgang Schröck-Schmidt.
  • Die Ausstellung endet am Sonntag, 27. August, mit einer Finissage und Preisverleihung (15 Uhr). Bis dato ist sie donnerstags bis sonntags (und an Feiertagen) von 12 bis 19 Uhr zu sehen. Der Ausstellungsbesuch ist im Eintritt zum Schlossgarten enthalten. 

Künstler in der Orangerie vor Ort

Apropos: Während der Werkschau, die bis 27. August donnerstags bis sonntags von 12 bis 19 Uhr zu sehen ist, sind immer wieder ausstellende Künstler vor Ort, die gerne Fragen beantworten und über ihre Arbeiten erzählen. Yvonne Wilken beispielsweise setzt gekonnt bekannte Motive oder Bildnisse in Szene und erzählt damit andere Geschichten. Hier erleben alte Meister eine Huldigung: So hat sie bekannte Venus-Gemälde – von Michelangelo, Tizian Giorgione, Sandro Botticelli und Diego Velázquez – in einem zusammengefasst.

Ein Holzbrett mit kleinen Fensterläden lädt ein, „Voyeur“ zu sein, so auch der Titel des Werks von Christiane Köhne. Hinter den Fensterläden verbergen sich Bilder aus der Zeit des Rokoko – und die sich nicht ganz jugendfrei, jedoch amüsant. © Katja Bauroth

Eine ganz andere Richtung schlägt Barbara Berger ein. Sie hat in der Orangerie sozusagen ein Heimspiel, wohnt sie doch aus Oberhausen-Rheinhausen. Seit 15 Jahren widmet sich die studierte Maschinenbauingenieurin ihrer Leidenschaft Kunst. Für die Ausstellung in Schwetzingen hat sie extra eine Hommage an das Schloss gefertigt. Das großformatige Bild besteht aus 400 kleinen Einzeldrucken. Es wirkt wie ein Puzzle, das im Kleinen aber nicht zusammenpasst, im großen Ganzen jedoch eine Einheit bildet, auf der es eine Menge zu entdecken gibt. Sie hat es „Rokokoschloss in Schwetzingen“ genannt. Sie nutzt für ihre Drucktechnik Gelatineplatten. Durch deren weichen, leicht elastischen Untergrund können auf dem Papier außergewöhnlich Details besonders fein wiedergegeben werden, macht sie deutlich.

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Barbara Berger gibt sich vielseitig und ihre kleine Porträtserie „Rococo meets Future“, die an eine Ahnengalerie erinnert, verliebt sich der Betrachter schnell. Hinter den Bildnissen steckt nicht nur eine Prise Humor, sondern auch eine besondere Herstellung: „Die sind alle mit einem Computerprogramm entstanden“, erklärt Barbara Berger die Digital-Art, die prima in Cafés wie das Kurfürstenstübchen des Schlossrestaurants „Theodors“ passen würde. Käuflich sind übrigens beinahe alle Werke in der Ausstellung.

Von Namen und Hoheiten

Die historischen Räume der Orangerie schaffen einen perfekten Rahmen für die zeitgenössische Kunst dieser Ausstellung, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Auch ein zweiter und dritter Besuch wecken immer wieder neue Eindrücke und lassen weitere Details erkennen. Die ein oder andere Hoheit begegnet einem übrigens auch an den weißen Stellwänden in der Orangerie – namentlich zum Beispiel Camilla und Charles. Wie diese beiden von Utaellamarie Peter dargestellt werden, sollte sich ab diesem Donnerstag jeder am besten selbst anschauen.

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

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