Schwetzingen. Im verregneten Sommer des Jahres 1816 brach in Weimar eine Dame zu einer Reise nach Heidelberg auf, deren Ergebnisse sie wenig später im Brockhaus Verlag Leipzig veröffentlichte. „Ausflucht an den Rhein und dessen nächste Umgebungen im Sommer des ersten friedlichen Jahres“ schlug sie als Titel vor. Das Werk ist überraschenderweise hierzulande kaum bekannt. Autorin ist Johanna Schopenhauer – begleitet wurde sie von ihrer Tochter Adele. In Weimar hatte sie einen literarischen Salon begründet, in dem auch Johann Wolfgang von Goethe verkehrte. Da Mutter und Tochter ein freundschaftliches Verhältnis zu dem Dichter entwickelt hatten, konnte er ihnen auf ihre Bitte hin die Route vorschlagen und ihnen wertvolle Hinweise geben.
Johanna wurde am 9. Juli 1766 in Danzig als Tochter des Kaufmanns Trosiener und seiner Ehefrau geboren und hatte das Glück, in Ihrer Kindheit mannigfaltig gefördert zu werden. Eine besondere Rolle spielte dabei der schottische Theologe Richard Jameson, der Prediger der englischen Kolonie in Danzig. Er vermittelte ihr die englische Sprache und die Kultur Englands. Ebenso begegnete sie dem Künstler und Kupferstecher Daniel Chodowiecki, dem sie über die Schulter zuschauen durfte und dabei Freude am Zeichnen und Malen in sich entdeckte.
Mit 19 Jahren heiratete Johanna den 20 Jahre älteren Großkaufmann Heinrich Floris Schopenhauer. Es war zwar eine Konvenienzehe, aber da ihr Ehemann im Beruf oft unterwegs war und sie mit in der Kutsche saß, sah sie allerhand von Europa. In ihrer Ehe wurde Arthur Schopenhauer geboren, der als Philosoph des Pessimismus nach der Niederschlagung der Revolution von 1848/49 eine große Wirkungsmächtigkeit besonders in Deutschland, aber auch weit darüber hinaus entfaltete.
Die Sympathie gehörte dem republikanischen Geist
In ihrem Elternhaus wie in ihrer Ehe herrschte ein republikanischer und antipreussischer Geist. So gehörte ihre Sympathie den römischen Republikanern, aber ebenso der amerikanischen Revolution, die sie aus der Ferne erlebte.
Etwas von diesem Bürgerstolz leuchtet in ihren Schilderungen über den Besuch in Schwetzingen auf, den sie an dem Tage aufsuchten, an dem die Springbrunnen im Schlosspark angelassen wurden. Zu diesem Zeitpunkt lebte ihr Ehemann nicht mehr. Er hatte sich das Leben genommen.
„Es ist mir unbegreiflich“, so hält sie in ihrem Buch fest, „wie jemand auf den Einfall kommen konnte, die prächtigen großen Anlagen mitten in diese öde Sandwüste zu verlegen.“ Und ein paar Zeilen weiter: „Aber die Fürsten lieben es, das Unmögliche zu besiegen. Zuweilen gelingt ihnen dies, und obgleich der Sieg selten des großen Aufwandes von Kraft und Geld wert ist, mit welchem er errungen wird, so erregt er doch das Erstaunen der Menge. Hier in Schwetzingen wächst dieses Erstaunen noch durch den Kontrast der traurigen Öde der Umgebung mit der reichen üppigen Vegetation, die man im Garten zu erzwingen wusste.“ Und sie schreibt: „Auch die vielen Tempel... erscheinen nicht geschmacklos und lächerlich. Sie sind alle wahrhaftig aus massiven Quadersteinen erbaut, einige in sehr edlem Stil.“
Johanna Schopenhauer hat aber auch ein frühes Erlebnis mit Blutsaugern besonderer Art: „Einen Tag kann man in Schwetzingen recht angenehm hinbringen und sich obendrein müde laufen . . . In Summa, alles wäre hier vortrefflich und gut, wenn nur nicht die Luft von blutdürstigen Ungeheuren wimmelte, die schonungslos jedermann anfallen, und keinem erlauben, nur eine Viertelstunde im Freien auszuruhen. Diese berüchtigten Rheinschnaken, deren Hauptsitz Schwetzingen ist, sind keine Mücken, kleine geflügelte Drachen sind sie“, so die Schriftstellerin.
In Summa können wir ihren Ausführungen freilich hinzusetzen, dass Johanna auch über einen guten Schuss an Ironie verfügte und man gern ihr autobiographisches Werk „Im Wechsel der Zeiten, im Gedränge der Welt“ empfehlen möchte, das von Rolf Weber mit einer eleganten Einführung im Winkler Verlag München im Jahr 1986 herausgegeben wurde.
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