Schwetzinger Mädchen entdecken kurfürstliche Zeit

Beim Ferienprogramm im Karl-Wörn-Haus Schwetzingen erleben drei Mädchen eine abwechslungsreiche Woche mit Platz für viel Kreativität und Fantasie – rund um die Zeit von Kurfürst Carl Theodor.

Von 
Andreas Lin
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Carl Theodor begrüßt Charlotte (v. l.), Samiya Bilgin, Lea, Lars Maurer und Antonia im Karl-Wörn-Haus. Pigage schaut von hinten zu, © Andreas Lin

. Die Gesellschaft ist illuster: Die Kurfürsten Carl-Theodor und Carl Philipp, Philosoph Voltaire, Liselotte von der Pfalz, Baumeister Nicolas de Pigage, Pater Franz-Josef Seedorf und die beiden adligen Damen Luise von Degenfeld und Anna-Maria de Medici schauen genau zu, was Antonia (10), Charlotte (13) und Lea (11) da unter Anleitung von Samiya Bilgin und Lars Maurer so tun. Gerade haben sie Figuren aus Ton modelliert, jetzt wird gemalt. „Museum frei Haus – das Leben der Kurfürsten“ heißt der vergleichsweise trockene Titel der Kinderferienprogramm-Woche – wenn man genau betrachtet, was sie alles gemacht haben.

Ursprünglich waren sechs Kinder angemeldet, erzählt Samiya Bilgin, aus verschiedenen Gründen reduzierte sich das Sextett auf dieses Trio. Kreativität, Ideenreichtum und Fantasie haben die drei Mädchen aber für zehn. Die Lehrerin, Autorin und Märchenerzählerin hat das Konzept des Projekts zusammen mit Museumsleiter Maurer ausgearbeitet und sie leiten es auch. Wobei es eher ein Anleiten ist, sie lassen Antonia, Charlotte und Lea freien Lauf und viel Spielraum für ihre Ideen, Gedanken und Visionen. „Fantasie und Kreativität stehen über Wissen und Daten – das war unser Credo“, erklärt Bilgin. Natürlich haben sie so ganz nebenbei quasi spielerisch auch viel gelernt – auch Wissen und Daten über die kurfürstlichen Zeiten. Aber darauf lag eben nicht der Fokus.

Schlossführung in Kostümen mit vielen Anekdoten

Und so waren die fünf Tage vollgepackt mit Aktionen, Exkursionen, Stationen, Visionen, Emotionen, Dekorationen, Informationen und Fiktionen. Unter anderem ging es zu einer exklusiven Schlossführung mit Dr. Ralf Wagner, der die Mädchen sogar in Kostüme schlüpfen ließ und aus dem historischen Nähkästchen plauderte. „Da haben wir viele Schloss-Anekdötchen erfahren“, erzählt Samiya Bilgin. Anschließend stellte sich das Trio die Frage: Was hat mich im Schloss besonders berührt? „Dass es so oft zerstört und immer wieder aufgebaut wurde“, sagt Antonia.

Beim Rundgang durch den Schlossgarten ging es darum, welcher Platz die drei besonders beeindruckt hatte. „Das Ende der Welt“ war es bei Charlotte – weil dies eine besondere Faszination ausstrahle. Antonia und Lea hat es der Apollo-Tempel mit seinen dunklen Gängen angetan. „Und beim Pan haben wir lange verweilt“, ergänzt Samiya Bilgin.

Im Karl-Wörn-Haus, dem ehemaligen Museum der Stadt Schwetzingen, wurde die Gruppe von den eingangs erwähnten historischen Persönlichkeiten in Form von Aufstellfiguren begrüßt. „Die haben wir mal für solche Zwecke angeschafft“, erzählt Lars Maurer. Zuletzt standen sie an den Fenstern des Rothacker’schen Hauses, das eigentlich das neue Museum der Stadt werden sollte – die Realisierung des Projekts steht aber wohl aufgrund der Finanzen auf der Kippe. Das war aber kein Thema bei Kinderferienprogramm.

Diener hatten einen undankbaren Job

Dass das alte Karl-Wörn-Haus weitgehend leer steht, war eher von Vorteil für das Projekt der Kinder. Denn sie hatten Platz, um ihre kreativen Ideen aufzuhängen und auszustellen. So haben sie sich zum Beispiel Gedanken gemacht, welche Jobs sie am kurfürstlichen Hof nie hätten machen wollen. Unter anderem steht da Putzfrau, Totenwäscher, Tretkutschenfahrer oder Serviettenfalter. Noch unangenehmer fanden sie die Aufgabe, den hochwohlgeborenen Damen beim Toilettengang die Röcke hochheben zu müssen. Aber Diener wollten sie nicht sein. „Die mussten ja immer kommen, wenn der Kurfürst geklingelt hat – auch mitten in der Nacht.“

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Antonia hat sich sogar ein fiktives Tagebuch einfallen lassen, in dem eine Dienerin hineingeschrieben hat, wie sie an ihrer Herrin für die ganze Schikane rächen würde: Läuse in die Perücke setzen, die Tretkutsche den Hang hinunterrollen lassen oder das Kleid auf dem Klo fallenlassen. Und sie setzten sich auch mit der untergeordneten Rolle der Frauen am Hof auseinander. „Ich will auch mal raus aus dem Schloss“, könnte so eine Fürstin gefordert haben. Oder: „Ich will meinen Mann selber wählen.“ Und: „Ich will mich waschen.“ Denn das war zu damaliger Zeit nicht üblich – das unvorstellbar für die Mädchen.

Im Erdgeschoss wurde gemalt, gebastelt und geknetet. Und nach einer Meditation Tonarbeiten mit geschlossenen Augen hergestellt. „Morgen machen wir so etwas Ähnliches mit Schreiben“, kündigt Samiya Bilgin an. Schließlich spielten auch die Figuren eine Rolle. Lea hat sich beispielsweise mit Voltaire „unterhalten“. Was er denn gesagt hat? Er hat mir erzählt, was er den ganzen Tag so macht.“ Der französische Philosoph und Schriftsteller war einst Mitte des 18. Jahrhunderts nach Schwetzingen gekommen, nachdem er sich mit Friedrich dem Großen überworfen hatte.

Sinnvolle Beschäftigung in den Sommerferien

So endete eine Woche für Antonia, Charlotte und Lea mit ganz vielen Eindrücken und Erfahrungen – sie vergaßen vor lauter Begeisterung manchmal sogar die Mittagspause. „Noch sinnvoller kann man die Ferien gar nicht verbringen“, meinte Samiya Bilgin abschließend. Das zustimmende Nicken von Carl-Theodor, Carl Philipp, Voltaire, Liselotte von der Pfalz, Nicolas de Pigage, Pater Seedorf, Luise von Degenfeld und Anna-Maria de Medici war deutlich zu sehen.

Auf bunten Zetteln haben die Mädchen notiert, welche Jobs sie am Hof nie machen würden. © Andreas Lin

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