Schwetzingen. Oversize, also Übergröße, ist durchaus zum Teil der Mode geworden - vor allem in der Rapper-Szene. Ob das aber was für Ärzte in der Notaufnahme des Krankenhauses ist - oder genauer gesagt beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst in den Räumen der Schwetzinger GRN-Klinik - das möchten wir dann doch bezweifeln. Die Mitarbeiter dort fühlen sich jedenfalls nicht wohl, wenn sie die weißen Hosen bis zur Brust hochziehen und verknoten müssen. Und wenn der Kasak - das ist das Oberteil der Mediziner - eher wie ein Poncho wirkt. Ganz davon abgesehen, dass man, wenn alles ins Rutschen gerät, aufpassen muss, nicht über die eigenen Hosen zu stolpern und so selbst zum Notfall zu werden.
Für den Schwetzinger Arzt Dr. Karsten Mrozik war das diese Woche nun wirklich zu viel. Als er jetzt zu seinem ärztlichen Bereitschaftsdienst erschien, suchte er an der Rezeption und in der Kleiderkammer vergeblich nach einem auch nur einigermaßen passenden Outfit. Statt Größe 3, die er sonst trägt, gab’s nur noch Größe 6: „Das hatte Einmannzeltformat. Ich habe mich quasi bei jedem Patienten für mein Aussehen entschuldigt und immer wieder versichert, dass die Patientenversorgung deutlich besser ist als die Dienstkleidung. Ich habe mich unwohl gefühlt und von der Klinikleitung auch wenig geschätzt. Schließlich versuchen wir alles, um für die Patienten da zu sein und eine gute Versorgung vor Ort zu sichern. Und das zahlt ja auch auf den Ruf der GRN-Klinik ein“, sagt Mrozik.
E-Mail an den Landrat Stefan Dallinger verfasst
Er hat sich der Sache jetzt angenommen und sich bei der Klinikleitung und bei Landrat Stefan Dallinger beschwert. Auch weil wohl bisherige interne Beschwerden der Mitarbeiterinnen auf verschiedenen Ebenen nicht gefruchtet haben: „Mir wurde erzählt, dass einige Mitarbeiterinnen genau aus diesem Problem heraus, passende Klamotten zu finden, ihre getragenen Sachen mit nach Hause nehmen, dort waschen und bügeln und wieder zum nächsten Dienst mitbringen, weil sie Angst haben, sonst nichts in ihrer Größe vorrätig zu haben“, erzählt uns der Arzt, der nun schon seit zwölf Jahren im Ärztlichen Bereitschaftsdienst mitmacht, aber nach eigenen Aussagen so eine Mangelsituation noch nie erlebt hat.
Ob das nun Teil der offensichtlich vor Ort bereits eingeführten Sparmaßnahmen ist, die nach dem Rekorddefizit von 2023 notwendig wurden?
Diese und andere Fragen haben wir der Pressestelle der GRN-Klinik gestellt und folgende Antworten erhalten: „Wir bedauern, dass der genannte Arzt im Ärztlichen Bereitschaftsdienst größere Kleidung tragen musste, als von ihm gewünscht. Tatsächlich ist es möglich, dass bestimmte Kleidergrößen in jüngster Zeit nicht verfügbar waren. Die Klinikleitung ist von einer sehr viel höheren Stückzahl der im Umlauf befindlichen Dienstkleidung ausgegangen, als dies tatsächlich der Fall war. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren leider rund die Hälfte unserer Dienstkleidung eingebüßt“, heißt es in der Stellungnahme der GRN-Klinik.
Sprecherin Frauke Sievers schreibt weiter: „Die Dienstkleidung wird nach einer umfassenden Inventur, die für Anfang Februar ansteht, wieder aufgefüllt - außerdem werden konkrete Größenabfragen bei Ärzten, Pflegefachkräften und Funktionsdienst erfolgen, um die Wäsche künftig gezielt in den passenden Größen in Umlauf bringen zu können.“
Die Mitarbeiter müssten ihre Dienstkleidung nicht mit nach Hause nehmen, um sie zu waschen und zu bügeln. Im Gegenteil seien alle dazu angehalten, die Dienstkleidung in dafür vorgesehene Wäschesäcke zu werfen und keine Dienstkleidung in Spinden, Büros, Zimmern oder zu Hause aufzubewahren. Die Reinigung erfolge über die hauseigene Wäscherei. Nur so könne eine ausreichende Anzahl der Dienstkleidung für alle gewährleistet werden. Bestritten wird auch, dass die jetzige Knappheit mit etwaigen Sparmaßnahmen zu tun habe. Nicht beantworten wollte die Sprecherin die Frage, ob das nicht einen schlechten Eindruck auf die Patienten mache, wenn ein Arzt so angezogen ist.
Dienstleister in der Pflicht
Verwaltungsleiter Tobias Schneider kennt das Problem, stellt in einer Antwort auf die Beschwerde von Dr. Mrozik aber erst in drei bis vier Wochen eine Lösung in Aussicht. Er reicht den schwarzen Peter an den Dienstleister und das Personal weiter: „Wir kennen die Situation und sind mit dem Wäscheanbieter in Vertragsdiskussionen. Er hätte die Wäschestücke, die im Umlauf sind, beobachten müssen und uns vor niedrigem Bestand warnen sollen. Dies ist leider nicht geschehen. Das Hamstern der Mitarbeiter ist dazu noch kontraproduktiv und verschärft die Situation zusätzlich. Eine Spirale nach unten. In den nächsten drei bis vier Wochen sind wir allerdings sicher, dass wir mit den nun folgenden Maßnahmen die Situation deutlich entspannen werden“, so Schneider in seiner Antwort an Mrozik. Der Arzt sagt allerdings auch, dass vonseiten der Mitarbeiter das Problem ja schon mehrfach angemahnt worden sei. Er hätte sich ein schnelleres Reagieren gewünscht.
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