Im Interview

Leiter der Schwetzinger Suchtberatungsstelle spricht über Cannabis Legalisierung

Stefan Heizmann ist Leiter von der Suchtberatungsstelle Heidelberg und Schwetzingen und gibt Einblicke in deren Herausforderungen im Zuge der Regierungsentscheidung bezüglich der Legalisierung von Cannabis

Von 
Noah Eschwey
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Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland rückt näher und ist ein heiß diskutiertes Thema. © Georg Wendt

Schwetzingen. Nach langem Stillstand geht es nun voran: Die Ampel-Regierung möchte den Cannabiskonsum legalisieren. Ab dem 1. April sollen Eigenanbau und Besitz der weiblichen Blüte der Cannabispflanze, die aufgrund des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) psychoaktiv wirkt, für Volljährige erlaubt sein, ab Juli könnten sogenannte Cannabisclubs ihren Mitgliedern die Blüte gewinnlos verkaufen. Das rechtliche Grundgerüst möchte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach noch in diesem Monat verabschieden.

Diejenigen, die sich argumentativ auf die Seite der Legalisierungsgegner stellen, sehen die Gefahren für junge Menschen im Vordergrund. Besonders heikel ist die Suchtgefahr, die der Droge nachgesagt wird. Doch wie hoch ist diese Gefahr wirklich? Worauf muss bei einer Legalisierung in Schwetzingen geachtet werden, um Heranwachsende vor den Gefahren der psychoaktiven Pflanze zu schützen? Diese und weitere Fragen beantwortet Stefan Heizmann, Leiter der Suchtberatungsstellen Heidelberg und Schwetzingen.

Cannabis soll nun legalisiert werden. Befürchten Sie infolgedessen einen Anstieg von Suchterkrankungen in Schwetzingen?

Stefan Heizmann: Das ist schwer vorherzusehen, weil die endgültige Ausgestaltung des Gesetzes noch nicht vorliegt. Die Erfahrungen in anderen Ländern mit erfolgter Legalisierung sind sehr unterschiedlich. Da momentan aber keine zusätzlichen Mittel für die Prävention geplant sind, wie von den Fachgesellschaften immer gefordert, ist durchaus ein Anstieg von Suchterkrankungen zu befürchten.

Ab 1. April soll der Besitz der weiblichen Cannabisblüte erlaubt werden. © Freepik

Wie verändert sich Ihre Arbeit, wenn Cannabis legal ist?

Heizmann: Wir hoffen, dass Menschen, die mit dem Konsum ein Problem entwickelt haben, dann vielleicht früher den Weg zu uns finden. Auch wenn wir unter Schweigepflicht stehen, fällt es vielen Menschen schwer, sich jemandem anderen zu offenbaren, da sie sich durch den Erwerb und Besitz einer illegalen Substanz eigentlich strafbar gemacht haben.

Wie sind Sie ausgelastet? Befürchten Sie eine Erhöhung des Zulaufs in Ihrer Beratung?

Heizmann: Wir können uns nicht über mangelnden Zulauf beklagen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass zukünftig noch mehr Menschen unsere Hilfe benötigen, und wir haben keine zusätzlichen Stellen oder Mittel zur Verfügung. Allerdings kommen viele Menschen auch aufgrund anderer Probleme wie Alkohol, Amphetamine oder Glücksspiel zu uns, auf diese Gruppen werden die geplanten Gesetzesänderungen keinen Einfluss haben.

Worauf sollte bei einer Legalisierung in Schwetzingen geachtet werden?

Heizmann: Wir unterscheiden ja zwischen Verhältnisprävention und Verhaltensprävention. Bei der Verhältnisprävention geht es beispielsweise um Konsumverbote an bestimmten Orten oder um die Preisgestaltung durch eine Alkohol- oder Tabaksteuer. Hier kann eine Kommune einiges tun, beispielsweise über die Kontrolle der registrierten Cannabisclubs, inwieweit von diesen die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, oder eben über Konsumverbote und entsprechende Kontrollen an bestimmten Orten um andere, insbesondere Kinder und Jugendliche, zu schützen. Bei der Verhaltensprävention geht es darum, die Menschen selbst zu einem verantwortungsvollen, gesundheitsbewussten und kompetenten Umgang mit Suchtmitteln zu befähigen und Schutzfaktoren zu stärken. Leider sind dafür aktuell keine zusätzlichen Ressourcen bei uns vorhanden.

Befürworter der Legalisierung sehen ein geringes Suchtrisiko bei Cannabis. Was sagen Sie als Experte?

Heizmann: Sicherlich gibt es Substanzen, die über ein höheres Suchtpotenzial und auch ein höheres Schädigungspotenzial als Cannabis verfügen. Es gibt eine ganze Menge Menschen, die Cannabis sporadisch und relativ risikoarm konsumieren, das ist bei Substanzen wie beispielsweise Heroin eher unwahrscheinlich. Dennoch sehen wir in unserer Beratungsstelle viele Menschen, die massive Probleme durch ihren Cannabiskonsum entwickelt haben. Wir dürfen die Substanz also keinesfalls verharmlosen, so wie wir auch Alkohol und Tabak nicht verharmlosen dürfen, die ja auch legal sind.

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Das Risiko, einen Schaden durch Cannabiskonsum zu erleiden, ist für junge Menschen besonders hoch. Welche Rolle spielt dann auch die Aufklärung an Schwetzinger Schulen?

Heizmann: Aufklärung, aber auch die Vermittlung bestimmter Schlüsselkompetenzen und Stärkung von Resilienzfaktoren ist wichtig. Was nicht hilft: Wenn einmal im Jahr die Suchtberatungsstelle oder die Polizei für eine Stunde vorbeikommt und der Rest des Jahres das Thema nicht aufgegriffen wird. Wenn Prävention wirkungsvoll sein soll, muss sie nachhaltig gestaltet werden. Sie muss durch die Schule gelebt und durch ein Präventionskonzept fest verankert sein. Sie muss nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrkräfte und die Eltern miteinbeziehen und sie muss wiederholt und mit verschiedenen Schwerpunkten stattfinden.

Glauben Sie, dass der Konsum anderer illegaler Drogen durch die Legalisierung abnimmt?

Heizmann: Auf andere Substanzen dürfte das wenig Auswirkungen haben, eventuell wird der Konsum „verwandter“ Substanzen, wie der von sogenannten synthetischen Cannabinoiden, etwas zurückgehen.

Gibt es positive Effekte, die die Legalisierung mit sich bringen können?

Heizmann: Auch wenn der derzeitige Gesetzesentwurf viel Kritik zulässt, sind gewisse positive Effekte zu erwarten. Die Konsumenten werden nicht mehr kriminalisiert, dies entlastet einerseits die Justiz und andererseits diejenigen, die durch eine Cannabisabhängigkeit schon genug Probleme haben. Darüber hinaus wird das verfügbare Cannabis deutlich seltener Verunreinigungen, Streckungsmittel oder Beigaben von anderen Substanzen enthalten.

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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