Landgericht

Mann aus Schwetzingen nach Überfällen vor Gericht

Die Mitarbeiterinnen der Tankstelle in der Zündholzstraße in Schwetzingen haben mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, seit sie von einem 35-jährigen Schwetzinger überfallen worden sind. Der Mann steht nun vor Gericht.

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Volker Widdrat
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Am Landgericht wird der Prozess am 20. März fortgesetzt. © Michael Ruffler

Schwetzingen. Die Strafkammer des Landgerichts Mannheim eröffnete die Hauptverhandlung gegen einen 35-jährigen Schwetzinger, der im August und September vergangenen Jahres mehrere Straftaten, möglicherweise im Zustand der Schuldunfähigkeit, begangen haben soll.

Der Beschuldigte, der derzeit in der Psychiatrie untergebracht ist, soll an einer paranoid halluzinatorischen Schizophrenie leiden. Erste Staatsanwältin Sandra Utt listete fünf Taten auf. Der obdachlose Türke lebte damals sechs Wochen lang im Hirschackerwald in einem Zelt.

Mehrere Diebstähle an der Tankstelle in der Zündholzstraße in Schwetzingen

Am frühen Morgen 31. August geht er in die Tankstelle in der Zündholzstraße in Schwetzingen. Er ordert eine Packung Zigaretten und nimmt sich Backwaren. Dann verlässt er den Verkaufsraum, ohne zu bezahlen.

Am 9. September kommt er erneut in dieselbe Tankstelle. Er greift sich drei Colaflaschen und Zigaretten. Die Ware für 40 Euro verstaut er in einem Rucksack. Dann geht er.

Als er am 21. September frühmorgens erneut auftaucht, hat er ein Messer dabei. „Es tut mir leid, aber es muss sein“, drängt er die Kassiererin, ihm das Bargeld zu geben. Er entkommt mit 415 Euro, Zigaretten, Brötchen, Eis und Schokoriegeln.

Raub

Überfall auf Tankstelle in der Zündholzstraße

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pol/sz
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Mitte September bricht er ein Gartenhäuschen bei Rheinau auf. Er schlägt Fenster und Tür ein. Aus einem Vorraum nimmt er sich eine Jacke und eine wärmende Decke.

Am frühen Morgen des 27. September bedroht er eine Angestellte der Tankstelle mit einem Messer. „Mach auf, ich brauche das Geld“, ruft er und verschwindet mit 430 Euro aus der Kasse. Die Polizei fahndet gleich nach dem Überfall mit starken Kräften und einem Hubschrauber - ohne Erfolg.

Dann kommt Kommissar Zufall ins Spiel. Am 5. Oktober ist der 35-Jährige im ICE von Köln nach Frankfurt unterwegs. Er wird beim Schwarzfahren erwischt. Bei der Überprüfung seiner Personalien wird ein bestehender Haftbefehl festgestellt. Er wird vorläufig festgenommen. Am nächsten Tag sitzt er in Untersuchungshaft.

Mann hat in Zelt im Hirschackerwald gelebt

Der Beschuldigte räumte alle Tatvorwürfe vor der Strafkammer unter der Vorsitzenden Richterin Bettina Krenz ein. Er habe eine Psychose gehabt und damals regelmäßig Drogen genommen. Er habe sich erst wieder an die Geschehen erinnern können, als er jetzt das Gutachten von Psychiater Dr. Joachim Schramm gelesen hat. Zuerst habe er in einer Pension im Hirschacker gewohnt, dann in einem Hotel im Stadtzentrum. „Im Wald wollte ich meine Gedanken sammeln, denn ich war komplett durcheinander im Kopf“, sagte der 35-Jährige.

Er habe Hunger und Durst gehabt, deshalb auch Tomaten und Paprika aus dem Garten entwendet. Mit dem geraubten Geld habe er Essen und Getränke gekauft. Er habe die Mitarbeiterin der Tankstelle nur erschrecken wollen, das Messer nie benutzen wollen. Nach einer Woche sei das Geld vom ersten Raub weg gewesen. „Das kann ich noch mal so machen“, habe er sich überlegt. Er hoffe, „dass mich jemand abknallt“, hatte er auf einen Spiegel in der Gartenlaube geschrieben. Zu der Zeit habe er viel Kokain und Amphetamin konsumiert. Er habe das Gefühl gehabt, „dass die ganze Welt gegen mich ist“.

Blaulicht (mit Video)

Tankstelle in Schwetzingen überfallen - Fahndung mit Hubschrauber

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Lukas Heylmann
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Der Beschuldigte machte auch umfassende Angaben zu seiner Person. Er hat drei Schwestern und einen Bruder. Im Alter von sieben Monaten kommt er mit seinen Eltern nach Deutschland. Die kurdische Familie lebt für einige Zeit im Asylantenheim. Er besucht drei Schwetzinger Grundschulen und wechselt nach der Förderschule auf die Hauptschule. Er fängt eine Malerlehre an, später schlägt er sich mit verschiedenen Jobs durch. 2015 heiratet er eine Türkin, deren Eltern gegen ihn sind. Fünf Jahre später kommt es zur Trennung. „Sie war krankhaft eifersüchtig“, sagt der 35-Jährige über seine Exfrau. Nach der Scheidung sei es „mit den Stimmen losgegangen“. Er verliert seine Arbeit. Er verkauft sein Auto, gibt seine Wohnung auf. Die Möbel lagert er ein. In einem Hotelzimmer, in dem er die Einrichtung demoliert, schluckt er Schlaftabletten. Er wird ins Krankenhaus gebracht und schließlich in die Psychiatrie eingewiesen.

Angestellte der Tankstelle in der Schwetzinger Zündholzstraße: Angst und Trauma

Die 67-jährige Tankstellenangestellte schilderte den ersten Tathergang: „Ich erkannte ihn, weil er schon vorher gestohlen hatte. Es ging alles sehr schnell, er hat die Sachen in den Rucksack gepackt, dann ist er rausgerannt.“ Beim zweiten Mal habe sie einen „blitzenden Metallgegenstand“ gesehen. Die Frau ist noch immer in therapeutischer Behandlung, träumt von der Bedrohung und hat Panikattacken: „Das möchte ich kein zweites Mal erleben.“

Ihre 56-jährige Kollegin war beim zweiten Raubzug an der Kasse. Sie hatte dem 35-Jährigen das Wechselgeld in den Rucksack schütten müssen. „Danach habe ich gezittert und geheult“, sagte die Zeugin. Der Mann habe nicht viel gesagt und sei sofort mit seiner Beute verschwunden.

Der 47-jährige Tankstellenpächter schilderte den Ablauf des ersten Diebstahls. Der Täter habe nicht auffällig gewirkt. Er habe Backwaren und Zigaretten wollen. Anschließend sei er weggerannt. Der 47-Jährige hatte seine Mitarbeiter danach gewarnt, morgens erst einmal die Tür zur Tankstelle geschlossen zu halten.

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Der 57-jährige Pächter des Schrebergartens hatte den Mann nur auf einem Videobild gesehen: „Es wurde öfters Gemüse entwendet, außerdem war eine Scheibe eingeworfen.“ Ein 71-jähriger Rheinauer, der auf einem Grundstück neben dem Garten Ponys und ehemalige Zirkustiere hält, hatte den Mann auch nie erblickt: „In den Zaun waren immer Löcher geschnitten.“

Mann hat bereits Frau in Plankstadt Tasche geklaut

Der Auszug aus dem Bundeszentralregister zeigte drei Eintragungen, unter anderem für gemeinschaftlichen Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Das hatte eine zehnmonatige Jugendstrafe auf Bewährung gegeben. Die zwei Täter hatten einer 68-Jährigen in Plankstadt die Handtasche entrissen.

Das forensisch-toxikologische Gutachten hatte mit einer Haarprobe Amphetamin nachgewiesen, als der 35-Jährige in Frankfurt festgenommen worden war. Zwei Polizeibeamte berichteten von den Ermittlungen und den Auswertungen der Videoaufnahmen der Tankstelle.

Familie des Angeklagten erstattet zwischenzeitlich Vermisstenanzeige

Die beiden älteren Schwestern des Beschuldigten sagten ebenfalls aus. Nach der Heirat mit seiner strenggläubigen Frau habe sich ihr Bruder verändert, nach der Scheidung sei er „noch schwieriger“ geworden. „Er hat was genommen, das haben wir an seinem Verhalten gemerkt“, sagte die 43-Jährige: „Vorher war er ein sehr lieber Mensch.“ Die beiden Frauen, die ihm die Wohnung und das Pensionszimmer saubergemacht haben, hatten im August vergangenen Jahres Vermisstenanzeige erstattet.

Verteidiger Hans Auffenberg und Gutachter Joachim Schramm hatten einige Fragen zum Verhalten des 35-Jährigen. „Er war ein anständiger Mensch. Als er heiratete, hat seine Frau ihn kaputtgemacht“, antwortete die 47-jährige Schwester. Es sei ein religiöses Problem zwischen Aleviten und Sunniten gewesen. Die Drogen hätten ihren Bruder schließlich zerstört: „Er wollte sich nicht helfen lassen.“

Die Verhandlung am Landgericht wird am Mittwoch, 20. März, um 9 Uhr fortgesetzt.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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