Mannheim. Am 26. Verhandlungstag im Prozess um das Mannheimer Messerattentat hat der Vorsitzende des Senats eine Entscheidung verkündet, auf die viele seit Wochen gewartet haben – und die für manche ernüchternd ausfällt. Einer der wichtigsten Zeugen des Verbrechens muss nicht vor Gericht aussagen.
Während das Messerattentat in vollem Gange war, stürzte sich dieser Zeuge in das Chaos der Situation und schlug auf den Falschen ein. Seine Schläge trafen den Mann, der den Messerattentäter gerade gepackt hielt. Wegen der Schläge konnte dieser den Angreifer aber nicht länger festhalten, der Messerattentäter kam frei und ging hinterrücks auf Rouven Laur los.
Eingriff ins Mannheimer Messerattentat: Viele Fragen bleiben unbeantwortet
Die Bundesanwaltschaft geht laut Anklage von einer Fehleinschätzung mit fatalen Folgen aus. Doch vieles ist bis heute unklar: Wie kam es zu der Verwechslung? Warum trug der Zeuge eine Jacke, die der Kleidung der Mitglieder der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) zum Verwechseln ähnlich sah? Was machte er an diesem Tag auf dem Marktplatz? Vielleicht besonders wichtig: Warum sprach er kurz nach der Tat bereits von einem „Terroranschlag“? Mannheim markierte den Beginn einer Reihe von Anschlägen in Deutschland, aber davor war es sehr lange ruhig.
Die Entscheidung des Senats steht am Ende einer Reihe von Entwicklungen während des Prozesses. Zunächst erfuhr das Gericht, dass dem Zeugen ein gesetzlich bestellter Betreuer zur Seite steht. Deshalb ordnete es zunächst an, dass er einen Zeugenbeistand erhalten solle – einen Anwalt, der ihn berät. Kurze Zeit später ließ der Zeuge dann über eben diesen Zeugenbeistand verlauten, dass er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen wolle. Dies ist möglich, wenn ein Zeuge durch seine Aussage Gefahr läuft, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit selbst verfolgt zu werden.
Auf Anfrage dieser Redaktion teilte eine Sprecherin der Mannheimer Staatsanwaltschaft mit, dass nach dem Messerangriff geprüft worden sei, ob ein Ermittlungsverfahren gegen „eine männliche Person, welche in das Geschehen eingriff“, einzuleiten sei. Dies sei verneint worden.

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Ein pauschales Schweigerecht wollten mehrere Verfahrensbeteiligte dem Zeugen dennoch nicht einräumen. Wolfram Schädler, der Anwalt der Schwestern von Rouven Laur, beantragte, den Zeugen doch noch zu laden. Dies hat der Senat nun abgelehnt. Die knappe Begründung des Vorsitzenden Herbert Anderer lautete: Das, was Schädler mit seinem Antrag habe beweisen wolle, sei längst bewiesen. Nämlich, dass der Passant beobachtete, wie der Mann, der den Angeklagten festhielt, diesen angriff.
In seinem Antrag hatte Schädler betont, wie wichtig es sei, mehr über die Wahrnehmung, die Motivation und die konkrete Verhaltensweise des Zeugen zu erfahren. Die Umstände und seine Beobachtungen – dies seien keine Aussagen, mit denen er sich selbst belasten würde. Dazu müsse der Zeuge aussagen, hieß es in dem Antrag,
Anwalt der Schwestern von Rouven Laur enttäuscht über Entscheidung des Senats
„Ich bin sehr enttäuscht über die Entscheidung des Senats, der Zeuge spielte eine Schlüsselrolle in dem ganzen Geschehen, das zum Tod von Rouven Laur geführt hat“, sagte Schädler am Donnerstag am Rande der Verhandlung im Gespräch mit dieser Redaktion.
Vor einer Woche hatte der Senat den Beamten befragt, der den Zeugen um 12.20 Uhr, also weniger als eine Stunde nach der Tat, vernommen hatte. Der Beamte sagte vor Gericht, dass er zum Zeitpunkt der Vernehmung keinen Überblick über das hatte, was wirklich geschehen war. Auch das Video hatte er da noch nicht angesehen – und so konnte er auch kaum kritische Nachfragen stellen. Außerdem wusste er nicht, wie viele Zeugen danach noch auf ihn warteten. „Ich habe mich beeilt“, sagte er. Später sei ihm selbst aufgefallen, dass er gar nicht gefragt habe, warum der Mann an diesem Tag überhaupt auf dem Marktplatz gewesen sei.
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Danach war der Beamte nicht mehr in den Fall eingebunden. Und später bat auch niemand den Passanten zur Nachvernehmung, um die offenen Fragen zu klären. „Die Aufklärungspflicht des Gerichts in der Strafprozessordnung gebietet es, so nahe wie möglich an die Wahrheit heranzukommen, ich finde, das hat der Senat mit seiner Entscheidung versäumt“, sagt Schädler.
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