Theater am Puls

"Misery" im Theater in Schwetzingen: Es knistert vor Spannung im Saal

Mit Stephen Kings „Misery“ bringt Regisseur Jörg Steve Mohr ein gruseliges Stück menschlicher Unzulänglichkediten auf die Bühne des Schwetzinger Theaters am Puls.

Von 
Sabine Zeuner
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Die ehemalige Krankenschwester Annie Wilkes (Irinia Maier) geht nicht unbedingt sanft mit ihrem Patienten um... © TaP/Nicole Boehm

Schwetzingen. Klirrend fällt der Lampenschirm neben der Tür zu Boden, das Publikum – zuvor mit Gänsehaut fast erstarrt – zuckt kollektiv zusammen. Zarte Angstschreie sind zu hören. Kurz vor dieser Szene flimmert über einen kleinen TV-Bildschirm die Ansage des erfolgreichen, für einige Zeit verschollenen Schriftstellers Paul Sheldon (Michael Hecht), der erzählt, dass ihm das Schreiben seines Buches das Leben gerettet habe. Die Luft im Theater am Puls in Schwetzingen (TaP) knistert spannungsgeladen wie selten. Es ist Premierenzeit für „Misery“, das Theaterstück von William Goldman nach dem gleichnamigen Roman, in deutscher Sprache mit dem Titel „Sie“, von Horrormeister Stephen King.

Im Foyer trifft man sich, jubelt dauerhaft den beiden Hauptdarstellern zu, die nach 120 Minuten hochkarätigem Schauspiel zu Recht in dieser Anerkennung baden. „Ich liebe solche kleinen Theater“, erzählt David Müller (19), Schüler aus Ludwigshafen und Premierengast. Wie er ausgerechnet nach Schwetzingen und ins TaP kommt? „Im Deutsch-Leistungskurs haben wir ‚Der goldne Topf‘ von E. T. A. Hoffmann gelesen und uns das Stück hier in diesem genialen Theater angeschaut“, erklärt er. Seither ist er Fan der Kreativität, des Engagements der Theatermacher in der Kurfürstenstadt.

Skurille Abgründe menschlichen Seins bei "Misery" in Schwetzingen

Gleichsam ist Stephen King Kult. Der Schriftsteller mit dem Blick für die skurrilen Abgründe menschlichen Seins, das Grauen, das manche Menschen anderen antun und daraus ihre Zufriedenheit ziehen, hat mit Annie Walker (Irina Maier) eine Person geschaffen, die einsam lebend in die Fantasiewelt der Bücher von Paul Sheldon abtaucht. Sie weiß alles über den Autor, fiebert jeder neuen Veröffentlichung entgegen. Im realen Leben war sie Krankenschwester, lebt aber abgeschieden mit ihrem Schwein, das den Namen der Romanheldin „Misery“ trägt, in Colorado. Sheldon zieht sich zum Schreiben gerne in diese Gegend zurück. In einem Schneesturm passiert dann der Unfall, der die Chance für Annie ist, ihrem Idol nahzukommen, ihn zu pflegen.

Kultur

Schwetzingen: Theater am Puls zeigt "Misery"

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Nach kürzester Zeit erkennt Sheldon, ans Bett gefesselt, in den perfekt inszeniert und gespielten Freundlichkeitshöhenflügen und abgrundtief bösartigen Ausrastern seines „Fans Nr. 1“ deren psychische Probleme. Gänzlich den Launen ausgesetzt, lässt Sheldon zur Besänftigung zu, dass Annie sein neuestes Werk liest. Sie hasst den Inhalt, fordert einen weiteren Roman mit ihrer Heldin Misery, wofür sie eine alte Schreibmaschine besorgt, die später noch eine zerstörerische Rolle spielen soll.

Bei der Aufführung von "Misery" zefällt die Fassade der umsorgenden Krankenschwester

Schleichend zerfällt Annies Fassade der umsorgenden Krankenschwester, sie rächt sich brutal für jeden Gedanken, jede Äußerung Sheldons, der sich nicht in ihr Bild fügt. Unendliche Qualen für Sheldon sind ihr Emotionsventil in der Enge des Wohnzimmers zwischen Blumentapete und rosa Vorhängen.

Die Zuschauer sitzen mittendrin im Geschehen ohne Distanz, einige Reihen Stühle stehen direkt neben dem Bett, dem Schauplatz von Folter und Leid, die Annie alias Irina Maier mit bestialischer Leidenschaft, Michael Hecht als Paul Sheldon mit brutal realen Schmerzensschreien darstellen. Die beklemmende Atmosphäre, die Ausweglosigkeit, die Angst Sheldons und auch Annies Dominanz und Wahn sind dank dieser ungewöhnlichen Nähe greifbar.

"Misery" liefer ein sarkastisches Finale in Schwetzingen

Gleichsam springen Sheldons Aufbäumen und der Wille aus dieser Situation lebend zu entkommen über. Gefühle, die Achterbahn fahren münden in ein sarkastisches Finale, das auch den kommenden Besuchern noch zum Erlebnis werden soll und deshalb an dieser Stelle noch nicht erzählt wird.

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Mit geschickt eingesetzter Technik, Live-Filmaufnahmen in der schlau konstruierten Kulisse wirken diverse Spielebenen auf den Zuschauer zum Gesamtbild. „Genial“, attestieren die Premierengäste überschwänglich, loben die Leistung des gesamten Teams. Beste Unterhaltung mit Gruselgarantie live zu erleben, das ist beim Besuch von „Misery“ im Theater am Puls möglich.

Freie Autorin freie Mitarbeiterin

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