Im Gespräch

Theater am Puls: Zwei-Personen-Stück "Misery" kommt nach Schwetzingen

Die beiden Schauspieler Irina Maier und Michael Hecht sprechen über das Bühnenstück, das auf Stephen Kings Roman "Sie" beruht. Bei den Besuchern ist "Misery" für desen Gruselfaktor bekannt.

Von 
Nicolai Lehnort
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Pflegt den von Michael Hecht gespielten Autor Paul Sheldon in "Misery" in ihrem Haus gesund: Irinia Maier als Annie Wilkes. Hier bei einem Probenbesuch im Schwetzinger Theater am Puls. © Nicolai Lehnort

Ein erfolgreicher Autor hat in den Bergen von Colorado, USA, einen schweren Autounfall. Sein größter Fan findet den Verunglückten und pflegt ihn in seinem abgelegenen Haus. Dass Paul Sheldon sich in der Obhut von Annie Wilkes befindet, weiß die Außenwelt nicht. Was hinter der Fassade der anfangs sorgsamen ehemaligen Krankenschwester steckt, erfährt Sheldon erst nach und nach.

Für den Intendanten des Theaters am Puls (TaP) in Schwetzingen, Joerg Steve Mohr, biete die Handlung des Films „Misery“ die perfekte Möglichkeit, sich mit seinem langjährigen Freund und mehrfach ausgezeichneten Regisseur Benjamin Martins zusammenzutun. Gemeinsam mit dem ehemaligen TaP-Schauspieler verbindet Mohr in „Misery“ die Theater- mit der Filmebene. „Ich wollte das schon immer mal machen“, sagt Mohr. Jetzt gebe es die Chance, die beiden Genres miteinander zu kombinieren.

Was die Schauspieler des Stücks, das diesen Samstag Premiere feiert, über diese Kombination sagen, wie sie die Rollen von Annie Wilkes und Paul Sheldon charakterisieren und was sie an der Zusammenarbeit mit Mohr schätzen, darüber haben wir uns mit Irina Maier und Michael Hecht unterhalten.

Das sind die beiden Schauspieler von „Misery“

Michael Hecht wurde in Magdeburg geboren und ist 55 Jahre alt. Er studierte von 1994 bis 1998 am Theaterstudio Berlin. Sein Lieblingsstück im Theater am Puls in Schwetzingen ist Hermann Hesses „Der Steppenwolf“, wo er als Harry Haller auftrat. Zu sehen war der Schauspieler unter anderem auf Bühnen in Dresden, Berlin und Erfurt. Hecht ist seit 2007 als freischaffender Schauspieler tätig.

Irina Maier wurde in Kasachstan geboren und ist 32 Jahre alt. Sie studierte Schauspiel in Aachen und an der Theaterakademie Mannheim, wo sie 2016 ihren Abschluss machte. Maier spielt seit dem Jahr 2020 im TaP, unter anderem in „Pünktchen & Anton“ und „Fettes Schwein“. Regelmäßige Auftritte hat Maier im Mannheimer Theaterhaus G7, auch im Nationaltheater stand sie schon auf der Bühne. nl

Jedes Stück hat seine Besonderheiten. Was zeichnet „Misery“ aus?

Irina Maier: Die Unberechenbarkeit. Es passieren viele unerwartete Dinge, mit denen man nicht rechnet.

Theater soll oft Botschaften transportieren. Was möchte „Misery“ den Zuschauern mitgeben?

Michael Hecht: Es ist in erster Linie ein Thriller, eine spannende Unterhaltung, die Abgründe menschlichen Wesens zeigt.

Maier: Das Stück zeigt, was die menschliche Psyche ausrichten kann, wie weit sie geht, ob es Grenzen gibt oder nicht, wie willensstark die Psyche sein kann, um das zu bekommen, was sie will.

Stephen Kings Roman „Sie“ stammt von 1987, der Film „Misery“ wurde 1990 veröffentlicht. Warum ist das Stück über 30 Jahre später noch immer aktuell?

Hecht: Weil es immer noch spannend ist. Das ist wie mit den Krimis von Edgar Wallace. Wenn man die liest, sind die immer noch spannend. Und Stephen King ist ja ein Meister der Abgründe. Ob „Shining“ oder „Es“ – diese Thriller sind zeitlos.

Maier: Die Themen Psyche und das Böse im Menschen werden immer aktuell sein, solange es Menschen gibt.

Frau Meier, Sie spielen Annie Wilkes, eine ehemalige Krankenschwester und großer Fan des Autors Paul Sheldon. Wie würden Sie Ihren Charakter beschreiben?

Maier: Ich glaube, dass sie sich als guten Menschen einschätzt, weil sie sehr gläubig ist und an Gott glaubt. Viele Menschen, die glauben, religiös zu sein, sehen sich in einem guten Licht. Was sie ausmacht, ist ihre psychische Krankheit und die Impulsivität, die sie grenzenlos und unberechenbar, auch gefährlich macht. Sie schränkt ihre Wünsche nicht gerne ein. Die Chance, die sie bekommen hat, ergreift sie auch – egal, auf welchem Weg. Trotzdem ist sie sehr liebevoll und hat etwas Zärtliches. Am Anfang ahnt man das nicht, weil sie nach außen sehr nett und höflich wirkt. Wenn ihr aber etwas nicht in den Kram passt, dann wird sie anders.

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Was zeichnet den Erfolgsautor Paul Sheldon aus, Herr Hecht?

Hecht: Paul Sheldon ist ein erfolgreicher Schriftsteller und hat bis jetzt sehr viel Glück in seinem Leben gehabt. In der New Yorker Society wird er kaum angesprochen, hat eine schöne Freundin. Sein Erfolg beruht auf der Buchreihe „Misery“, aber als Autor steht er nicht richtig dahinter. Er hat jetzt das erste Mal ein Buch geschrieben, hinter dem er stehen kann, und wird erstmals in seinem Leben mit einer großen Krise konfrontiert. Er hat ja einen Unfall und landet in Annies Haus. Sein Leben nimmt damit das erste Mal eine Wende.

Wie kommt er damit zurecht?

Hecht: Er muss damit zurechtkommen. Er ist sozusagen gefangen in dem Haus. Es ist furchtbar, aber man versucht, zu überleben. Man hat gar keine Chance, darüber nachzudenken, wie man damit zurechtkommt, weil die Situation existenziell ist.

Maier: Annie wiederum denkt, sie tut etwas ganz Tolles und glaubt, ihn pflegen und retten zu können. Im Endeffekt rettet sie ihn aber nicht. Wobei: Irgendwo am Ende rettet sie ihn vielleicht schon – aber auf eine sehr komische Art und Weise.

„Misery“ ist ein Zwei-Personen-Stück, Sie sind dauerhaft zu zweit auf der Bühne. Wie gehen Sie damit um?

Hecht: Es ist schon anders, als wenn man immer mal wieder eine Szene aussetzt. Aber ich finde das spannend, weil man immer in der Konzentration ist. Man kommt gar nicht erst in die Versuchung, ein wenig abzuschalten. So kann man sich gut reinsteigern.

Maier: Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung, weil man sich der pausenlosen Konzentration hingeben muss, ohne ein Rückzugsort zu haben.

Annie lebt eigentlich nicht allein, sondern mit einem Schwein namens „Misery“. Wer spielt das Schwein?

Maier: (lacht) Tatsächlich niemand. Es wird gar nicht zu sehen sein. Es ist im Stall und dort bleibt es auch.

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„Misery“ ist ein düsteres, teilweise brutales Stück. Wie wird dies durch das Bühnenbild untermalt?

Hecht: Erst mal durch das Licht. Normalerweise hat man Theaterlicht und die Schauspieler sind ausgeleuchtet. Wir haben nahezu nur Licht aus natürlichen Lichtquellen: Es gibt eine Stehlampe auf der Bühne oder irgendwo hängt eine Glühbirne. Es ist ein sehr dunkles Licht, das fast gar nicht durch Scheinwerfer unterstützt wird. Außerdem ist das Publikum mitten im Raum. Ich liege in meinem Bett und nebendran sitzen die Leute. Das ist gewollt, dass die Besucher mit in den Thriller und die Situation hineingezogen werden. Auch Annie berührt die Zuschauer fast. Im besten Fall können sie sich nicht herausnehmen, sondern sind mittendrin.

Gibt es noch etwas Außergewöhnliches?

Hecht: Es wird viel gefilmt. Es gibt eine Szene, in der wir zusammen essen. Dabei sind wir in der fiktiven Küche, die aber nicht aufgebaut ist. Das wird gefilmt und auf einen riesigen Bildschirm übertragen. Im ersten Teil ist das ein Fenster, im zweiten wird er zum Fernseher und dadurch werden neue Räume eröffnet, die der Zuschauer nur durch die Kamera sieht. In diesen Momenten sind wir in einem anderen Raum, der hinter der Bühne liegt. Zwei Kameramänner laufen auch während des Stücks immer wieder über die Bühne.

Sie sind beide schon mehrfach im TaP aufgetreten. Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit Joerg Steve Mohr?

Maier: Ich schätze die Art, wie er inszeniert und wie er nicht versucht, ein übertriebenes Schauspiel darzustellen, sondern einen direkten Bezug sucht. Die angenehme, herzliche, aber dennoch konzentrierte und fordernde Arbeit mit ihm macht Spaß. Man fühlt sich bei der Arbeit einfach gut. Es ist sehr persönlich, nah, familiär.

Hecht: Die Art Regisseur, die er verkörpert, ist eine gute Mischung. Er ist vorbereitet und hat einen klaren Plan, aber Joerg lässt sich auch von einem besseren Vorschlag immer überzeugen. Wenn ein Schauspieler Ideen hat, die ihm gefallen, nimmt er sie an. Für mich ist das die ideale Art zu arbeiten. Ich bin nicht nur eine ausführende Maschine, sondern er nimmt auch meine Gedanken mit auf. Hinzukommt, dass er das durchzieht, was er möchte. Ich habe es oft erlebt, dass man an anderen Häusern gesagt hat, Dinge seien zu hart oder zu krass, das könnte man nicht machen. Aber wenn er ein Stück ausgewählt hat, setzt er es so um, wie er es im Kopf hat – und nicht so, wie sein Publikum das möchte.

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Was ist für Sie persönlich das Besondere am Theater am Puls?

Maier: Ich finde, es berührt. Mich berührt es unheimlich. In jeder Vorstellung, auch wenn ich mir privat ein Stück anschaue, bin ich auf irgendeine Art und Weise berührt. Selbst wenn die Thematik mich persönlich nicht betrifft, habe ich das Gefühl, betroffen zu sein und jedes Stück macht etwas mit mir.

Hecht: Das Primat der Glaubwürdigkeit. Joerg ist wichtig, dass man kein falsches Theater macht. Man kann das Publikum schnell beeindrucken, wenn man große Sachen macht. Manchmal geht man in ein anderes Theater und denkt, das ist unglaubwürdig und falsch, wie die Schauspieler reden. Für Joerg ist es unheimlich wichtig, dass das möglichst nicht passiert – absolute Glaubwürdigkeit in jeder Situation.

Sind Premieren nicht nur für Intendanten, sondern auch für Schauspieler etwas Besonderes?

Maier: Eine Premiere ist definitiv immer besonders. Man probt ungefähr sechs Wochen und freut sich darauf, das Ergebnis zeigen zu dürfen und die Reaktion des Publikums mitzubekommen.

Hecht: Es ist die Geburt.

Warum sollten Zuschauer sich „Misery“ im TaP anschauen?

Hecht: Weil es eine außergewöhnliche Form ist: Die Art der Inszenierung, diese Nähe, dieses Hereingezogen werden. Und weil es immer noch ein super spannendes Stück ist. Die Vorlage, der Roman – Stephen King ist einfach ein Meister des Thrillers.

Maier: Es ist nicht typisch, dass man einen Thriller auf der Bühne hat. Es ist nicht nur spannend, sondern man hat noch den Gruselfaktor mit dabei.

Info: Die Premiere von „Misery“ am 17. Februar ist ausverkauft. Weiteren Vorstellungen: 1. und 16. März, 13. April. Karten gibt es im SZ-Kundenforum und unter www.theater-am-puls.de.

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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