Schlossgarten Schwetzingen

Moschee im Schwetzinger Schlossgarten: Denkmal für die Tugenden

Zum Themenjahr „Exotik“ zeigt Dr. Christoph Bühler in der Sonderführung „Die Entführung in den Serail“ die Besonderheiten der Moschee im Schlossgarten Schwetzingen auf.

Von 
Maria Herlo
Lesedauer: 

Der Schwetzinger Schlossgarten mit seinen Bauten birgt unglaubliche Geschichten. Und Dr. Christoph Bühler, Mitarbeiter der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württembergs, macht es zu einem besonderen Vergnügen, ihnen zu lauschen. Den Teilnehmenden der Sonderführung zum Thema Moschee und die Türkenmode des 18. Jahrhunderts bescherte er eine mit viel Humor und Insiderwissen gewürzte Tour, von der alle restlos begeistert waren. Was er erzählte, klang wie ein Märchen.

Und das ist es ja irgendwie auch. Der begnadete Unterhalter zauberte in die Köpfe der Zuhörer Bilder, die sie den Garten nach der zweistündigen Tour mit ganz anderem Augen wahrnehmen ließen. „Der Garten ist kein Garten“, begann er, „sondern Arkadien, das Paradies der griechischen Mythologie, in der Götter und Menschen in Frieden lustwandeln.“ Das nimmt man ihm gerne ab, denn so wie er zurzeit blüht und grünt, kann es schöner nicht sein. An seiner Gestaltung lassen sich laut Bühler einige Regeln ableiten: „Nichts ist so, wie es ist“, ist eine davon, „alles hat eine tiefere, eine symbolische Bedeutung“.

Schwetzingen

Schlossgarten Schwetzingen: Einblicke in die Moschee

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
36
Mehr erfahren

Der Park ist ein Schloss, mit Mitteln der Natur in der Natur selbst gebaut. Alles darin ist im Fluss, in Bewegung. Er vereint Licht und Schatten und bildet das Leben als ewigen Kreislauf ab, als ein Zyklus zwischen Werden und Vergehen, zwischen Geburt und Tod, zwischen Morgen und Abend. Installationen weisen auf die vier Elemente, Wasser, Erde, Luft und Feuer, hin, aus denen die Welt besteht, Sicht- und Wegachsen, die deckungsgleich aufeinander liegen und an beiden Enden durch eine Statue begrenzt sind, auf die Geometrie als höchste Wissenschaft. In ihm verschmelzen Natur und Architektur, Spiegelbilder im Wasser gehören zum Verwirrspiel um Schein und Wirklichkeit. Und Bühler gibt als Beispiel eine Fülle von Figuren und Bauwerken an, die keine bloße Dekoration sind, sondern Bedeutungsträger innerhalb der höfischen Welt des 18. Jahrhunderts, bevor er die Gruppe zur Moschee führte, die zu den großen Geheimnissen des Schlossgartens gehört.

Kulisse höfischer Lustbarkeit

Mehr zum Thema

Schwetzingen

Schlossgarten Schwetzingen: Einblicke in die Moschee

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
36
Mehr erfahren
Schlossgarten

Von der Faszination Moschee

Veröffentlicht
Von
zg
Mehr erfahren
Das Badhaus von Carl Theodor

Ein ganz privater Raum des Kurfürsten im Schlossgarten Schwetzingen

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren

Über den englischen Garten kam die Gruppe zum Merkurtempel, wo Bühler sie aufforderte, den Aussichtspunkt zu suchen, von dem aus man die Moschee in ihrer ganzen Breite erblickt. Niemand fand ihn. „Weil es ihn nicht gibt“, sagte er, „hinter den schlängelnden Wegen, die manches verdecken und überraschend freilegen, steckt die Idee, in Bewegung zu bleiben, auch gedanklich, mit wachem Geist aus zwei Bilder die Wirklichkeit zusammenzusetzen.“

Bühlers Ausführungen bei der Moschee gingen in die Richtung, den Zuhörern Schritt für Schritt den tiefen Sinn dieses Baus zu verdeutlichen. Errichtet zwischen 1779 und 1792 nach Plänen des Hofarchitekten Nicolas de Pigage, galt das Bauwerk lange Zeit als bloße Kulisse inmitten höfischer Lustbarkeit. Dass dies nicht der Wahrheit entspricht, zeigte Bühlers Führung sehr deutlich auf.

Orientalisches Flair als Mode

1761, achtzig Jahre nach dem Sieg der Europäer über die Türken vor Wien, hatte die Türkenmode dem einst bedrohlichen Feind so weit den Schrecken genommen, dass William Chambers in den Londoner Kiew Gardens eine türkische Moschee errichten konnte, die exotisches Flair vermitteln sollte. Damit schuf er ein Klischee, das überall in Westeuropa aufgegriffen wurde, wo man sich Formen des ungefährlich gewordenen Feindes aneignete, die von Kultur, Philosophie bis hin zur Mode reichte – wie Bühler anhand von Fotos zeigte. Man kleidete sich orientalisch, trank Kaffee und liebte die exotische Atmosphäre. Dazu trugen die Märchen aus „1001 Nacht“ bei, die am Anfang des 18. Jahrhunderts erstmals ins Französische übersetzt wurden. Auch die Musik – beginnend mit Mozarts „Die Entführung aus dem Serial“ über Beethovens „Ruinen von Athen“ bis hin zur Dichtung unterlag dem Einfluss des Exotischen.

Vor allem Lessings Drama „Nathan der Weise“ gilt als programmatische Forderung nach Verwirklichung der religiösen Toleranz, wobei die Moschee ihm als „gebaute“ Ringparabel gegenübersteht. Durch die Größe und fehlende religiöse Nutzung, durch den anliegenden „arabischen Garten“, der eine Ahnung vom orientalischen Duft und vom Flair des Orients vermittelt, ist die Schwetzinger Moschee einzigartig in Europa. Bühler belegte diese Aussage, indem er die Stilelemente unterschiedlicher Religionen aufzählte, die das Bauwerk in sich vereint.

Da ist zunächst der Kuppelbau selbst, dessen Zentrum ein Motiv der protestantischen Kirche aufnimmt, da ist der Säulenportikus mit den korinthischen Kapitellen, die an die Antike erinnern, islamisch sind die beiden Minarette links und rechts, die freigestellten Türme nehmen zudem Bezug zur Wiener Karlskirche, erbaut vom Architekten Johann Fischer von Erlach nach dem Sieg der Türken, katholisch ist auch der Kreuzgang hinter der Moschee, da gibt es noch die Sinnsprüche, die keine Koransprüche sind. Sie sind an keiner Konfession gebunden, sondern vermitteln Lebensweisheiten, verpflichtet den Gedanken der Toleranz, des Humanismus und der Vernunft.

Die vielfältigen Architekturzitate vereinen und ergänzen sich zu der großen Idee eines Tempels, der die Religionen der Welt vereint, eines Tempels der Philosophie, der Wissenschaft, Weisheit und Tugend. „Das ist es, was dem aufgeklärten Fürsten Carl Theodor wichtig war. Mit der Moschee hat der Monarch diesen Tugenden ein Denkmal gesetzt“, so das Fazit von Dr. Christoph Bühler.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung