Lutherhaus

Narren feiern ausgelassen bei der Prunksitzung der Schwetzinger Carneval-Gesellschaft

Ein perfekt abgestimmter Mix aus Tanz und Akrobatik, Bütten und Partyhits bei der Prunksitzung der Schwetzinger Carneval-Gesellschaft. Die "Steppenden Deppen" sorgen mit ihrer "Ultimativen Umziehshow" für den Höhepunkt des Abends, während die Garden beeindruckten.

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Nicolai Lehnort
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Die Stimmung im gut besuchten Lutherhaus-Saal könnte kaum besser sein. Das Publikum lässt sich von dem vielfältigen Programm schnell mitreißen. © Dorothea Lenhardt

Schwetzingen. Zunächst noch in grünen Overalls und den passenden giftgrünen Sneakers aus dem Publikum hüpfend, legen Alexander Link und Markus Neuscheler auf der Bühne los wie die Feuerwehr: Handgezählt über 30 verschiedene Kostüme schmeißen die Entertainer sich in Windeseile über – vom viel zu kurzen rosa Bauchfrei-Oberteil bis hin zur glitzernden Elvis-Presley-Schlaghose – und reißen mit einem Gassenhauer nach dem anderen das Schwetzinger Publikum Stück für Stück weiter weg von den Stühlen und Tischen.

Allein die unvergleichliche Show der „Steppenden Deppen“ im Lutherhaus wäre das Eintrittsgeld wert gewesen. Doch bei der Prunksitzung der Schwetzinger Carneval-Gesellschaft (SCG) bekamen die bunt kostümierten Besucher am Samstagabend obendrein ein optimal abgestimmtes Programm aus exzellenten Gardetänzen, nicht ganz jugendfreien Bütten und einer gewaltigen Portion guter Laune und Partystimmung geboten.

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Die Garden sind das Aushängeschild der SCG. Dass eine Minimaus nach dem Einmarsch komplett aus der Reihe tanzte und statt der Choreographie einfach auf der Bühne stampfte und lächelte – wer kann das den Kleinsten in ihren samtig blau glänzenden Oberteilen bei den Kulleraugen und dem von Zahnlücken geprägten Lachen nicht verzeihen?

Mit dem Zünden der ersten Rakete wurden sie gewürdigt. Nicht ohne jedoch die Frau zu widmen, die für die preisgekrönten Auftritte und Auszeichnungen der SCG-Garden verantwortlich zeichnet: Gardeministerin Annemie Ramm feierte am Samstag ihren 59. Geburtstag – von Präsident und Moderator Norman Gref mit einem Blumengeschenk und einem kleinen Ständchen gefeiert.

Das Aktiventanzpaar Lea Karl und Marvin Keck zeigt akrobatische Glanzleistungen und erntet viel Applaus. © Dorothea Lenhardt

Garden der Schwetzinger Carneval-Gesellschaft gewohnt herausragend

Einen Nachweis ihrer hervorragenden Arbeit lieferte als erster Programmhöhepunkt das Juniorentanzpaar Melina Espinosa und Alessio Flaccavento. In bestechender Synchronität schwebten die beiden in ihren rot-weiß glänzenden Outfits über die Bühne, versetzten die Zuschauerreihen mit spektakulären Hebefiguren ins Staunen. „Wann atmen die eigentlich?“, könnte man sich angesichts des breiten Dauergrinsens fragen. Wenig verwunderlich, dass die beiden genau Lugina Ghizzoni und Can-Luca Weidner im März bei der süddeutschen Meisterschaft ihr Können überregional zur Schau stellen werden. Letztere setzten bei ihrem Auftritt mit freien Rädern und Flicflac in Sachen Akrobatik noch mal einen drauf. Den tosenden Applaus der rund 300 Besucher haben sie sich redlich verdient. „Man kann als SCG stolz sein, solche Tänzer zu haben“, sagte Präsident Gref, der im Hintergrund der neu gestalteten Bühne von einem Gast-Elferrat der Frösche aus St. Ilgen unterstützt wurde.

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Als erster in die Bütt stieg der aus Funk und Fernsehen bekannte „De Härtschd“ alias Oliver Betzer. Als Dame in den Wechseljahren zog er – passend zur Einlaufmusik „Der Zug hat keine Bremse“ – das Publikum schon mit seiner ersten Spitze in Richtung Deutsche Bahn auf seine Seite: „Früher hat man gesagt: Es fährt ein Zug nach nirgendwo. Heute sagt man: Es fährt kein Zug mehr irgendwo.“ Mit Frotzeleien über das Älterwerden („Mein Busen hängt nicht – der chillt“), Sinnieren über die jüngere Generation und ein eingeschlafenes Liebesleben strapazierte er zu früher Stunde nicht immer FSK 18 die Lachmuskeln. So wurde der Dame von ihrem langjährigen Liebhaber letztens vorgeworfen, Kochsendungen zu schauen, obwohl sie doch gar nicht kochen könne, worauf sie entgegnete: „Du schaust doch auch Pornos!“

Büttenrednerin Marion Striebich alias Klara Kohlbecker mischt sich mitten unters Publikum. © Dorothea Lenhardt

Die zugegebenermaßen sehr hochgelegte Messlatte konnte die aus einer Bühnenpause kommende Marion Striebich, die als Klara Kohlbecker auftrat, nicht ganz erreichen. Als alleinstehende Hausfrau auf der Suche nach einem vor allem für sexuelle Abenteuer zu begeisternden Partner, sicherte sie sich die Sympathien des Publikums nicht nur, als Oberbürgermeister Dr. René Pöltl auf die Schippe genommen wurde, sondern auch als sie kurzerhand einen Besucher zum Kuscheln auf die Bühne holte. „Wenn sie wollen, können sie noch ein paar Worte zum Brautpaar sagen“, sagte Kohlbecker zum Präsidenten. „Ich würde ihn gleich mitnehmen“, zog sie von dannen.

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Waren es schon bei Kohlbecker mehr die für die vermeintliche Hausfrau erstaunlichen Tanzeinlagen (inklusive Spagat!), die die Zuschauer mitrissen, sorgten die „aus der Weltstadt Ruchheim angereisten“ angekündigten „Steppenden Deppen“ mit ihrer „Ultimativen Umziehshow“ zweifellos für den Höhepunkt des Abends. Durch drei Kleiderstangen und einen Berg an Perücken huschten Alexander Link und Markus Neuscheler von den Ruchemer Schlosshoggern von einer Verkleidung zur nächsten und übertrafen sich mit jedem Song aufs Neue.

Ein echter Knüller: Die Umziehshow mit den „Steppenden Deppen“ reißt die Zuschauer von den Stühlen. © Dorothea Lenhardt

Dachte man nach Klassikern wie „Anita“ und „Die Gefühle haben Schweigepflicht“ bei Elvis Presleys „Jailhouse Rock“, als schon mal ein tanzender Hotdog vor der Bühne auftauchte, noch, es ginge kaum besser, stieg die Mitmachquote bei „Macarena“ auf nahezu Hundert Prozent. „Ohohohoho“ schallte es zu Major Tom’s Raumschiff durch den Saal. Ob „Apache bleibt gleich“ plötzlich auf einem Stuhl zwischen den Zuschauerreihen performend oder die Backstreet Boys in zu engen Oberteilen und etwas zu großem Bauchumfang: Das Schwetzinger Publikum war derart angezündet, das Stimmungsbarometer auf dem Siedepunkt!

Dass die Pause mit einer Polonaise zwischen den Tischreihen quasi durchgetanzt wurde – die Narren waren eben los. Der Showtanz der SCG-Ladys unter dem Motto ABBA hielt die Stimmung für den letzten Showact des Abends auf höchstem Niveau: Madame Gourdin Rouge sparte bei ihrer Travestieshow nicht mit schlüpfrigen Sprüchen á la „Seht ihr die Steine auf meinen Schuhen? Jeder Stein ein Beischlaf“ und erkannte schnell den Durst des Partyvolks nach weiteren Schlagern: Spätestens bei „Joana“ leerten sich die Reihen im Lutherhaus – weil sich kaum einer der Polonaise entziehen konnte.

Claudio Glässer bei der SCG-Prunksitzung: Auf ihn ist Verlass

Nach dem Auftritt der Aktivengarde, die zum Motto „So schön kann doch kein Mann sein“ eine Zeitreise in die amerikanischen 1950er-Jahre rund um Cadillacs und rosafarbene Rockabilly Kleider unternahm, setzte die SCG abschließend auf Altbewährtes: Claudio Glässer gab mit „Verdammt ich lieb’ dich“ – übrigens der Stimmungsgarant schlechthin an diesem Abend – und „Weiß der Geier“ noch mal einige Faschingsklassiker zum Besten und sorgte so für ein grandioses Finale mit zahllosen klatschenden Händen, Tanzeinlagen und einem vollen Parkett vor – diesmal nicht auf – der Bühne.

Madame Gordin Rouge begeistert mit Partyschlagern. © Dorothea Lenhardt

Teil der gut vierstündigen rundum gelungenen Veranstaltung waren am Samstagabend auch 23 Besucher der Schwetzinger „Brücke“. Elferrat Peter Lemke hatte regelmäßige Essensgäste der sozialen Einrichtung unentgeltlich zur Prunksitzung eingeladen. Es sei ein „gemeinsames Erlebnis“ für alle, erzählte die 384-jährige Hexe Monika stellvertretend für die Gruppe. „Sie haben das Gefühl, Teil des Ganzen zu sein“ und einmal nicht als Armut leidende wahrgenommen zu werden.

Einen Wermutstropfen gab es im Lutherhaus aber doch: Ob bereits beim Einmarsch, den Gardetänzen oder den abschließenden Glässer-Hits – das Musikduo kämpfte immer wieder mit Aussetzern und dem Einspielen falscher Lieder. Ob bei den Gardetänzen, als die Gardisten einfach unbeirrt weiter ihre Choreographie durchzogen, oder Glässers Hitmix, der die Sache mit dem nötigen Humor nahm – Protagonisten wie Publikum ließen sich die Feierlaune nicht nehmen und verwandelten das Lutherhaus bis kurz vor Mitternacht in ein Tollhaus.

Wie Prunksitzung im Jahr 2024 geht, das haben die Schwetzinger Karnevalisten einem euphorisierten Publikum an diesem Abend eindrucksvoll gezeigt.

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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