Schwetzingen. Es ist schon einige Wochen her, da veröffentlichten wir zum Tag der Organspende Artikel und einen Meinungsbeitrag. Daraufhin meldete sich Heiko Lauer in der Redaktion. Seine Operation ist etwas mehr als 21 Jahre her. Doch sie ist ihm immer noch nah. Hat sie sein Leben doch von Grund auf verändert. Und zwar zum Positiven. Der 1970 in Mörsfeld geborene Heiko Lauer spricht im Gespräch mit der Schwetzinger Zeitung von seiner Nierentransplantation am 1. März 2001 wie von einem Wunder.
Natürlich weiß er, dass es nur Medizin ist. Aber nach acht Jahren Dialyse kommt alles, was nach einer erfolgreichen Transplantation einem Wunder ziemlich nah. Und seit wenigen Wochen weiß er, wer ihm dieses Wunder geschenkt hat. Es war eine 58-jährige Frau aus Freiburg. Die Dankbarkeit, das sagt Lauer mit Tränen in den Augen, könne mit Worten kaum beschrieben werden. „Sie hat mir ein neues und freies Leben geschenkt.“
Der Start in Mörsfeld nahe Bad Kreuznach, ganz im Norden von Rheinland-Pfalz, verlief unspektakulär. Zur Schule gegangen, Fußball gespielt und Mädchen kennengelernt. Das änderte sich auch 1986 nicht, als bei dem 16-jährigen Lauer ein deutlich erhöhter Eiweißgehalt festgestellt wurde. „Hat mich damals nicht wirklich beunruhigt.“ Denn eigentlich war das eine gute Zeit. Lernte er damals doch Tanja kennen. Die Frau, die er später heiratete und mit der er seit 1997 eine Tochter hat. Es standen alle Zeichen auf Aufbruch. Sogar als in der Folge die Diagnose „beidseitige Schrumpfniere“ lautete, hieß seine Lebensdevise „auf in die Zukunft“.
Doch mit der Zeit änderte sich das. Es ging noch eine ganze Weile mit Medikamenten. Doch 1993 war Schluss damit. Die Nierenfunktion war so stark beeinträchtigt, dass an einer Dialyse kein Weg mehr vorbeiführte. Zu diesem Zeitpunkt war er 23 und das Leben, das ihm möglich war, hatte nichts mehr mit dem Leben zu tun, das Gleichaltrige führen konnten. Dialyse, das muss man sich klarmachen, bedeutet viermal die Woche für vier bis fünf Stunden ins Krankenhaus, an ein Dialysegerät angeschlossen zu werden und das eigene Blut reinigen zu lassen. Das Leben sah für Lauer folgendermaßen aus: tagsüber Ausbildung und abends am Dialysegerät. Man sieht ihm an, dass ihm das Denken an diese Zeit heute noch mitnimmt. Und ohne „seine Tanja“, da lässt er keine Zweifel aufkommen, hätte er diese schwierigen Zeiten kaum durchgestanden.
Schweres Jahr 1996
Besonders schwierig war das Jahr 1996. Er hätte eine Niere bekommen können, stand aber mitten in der Ausbildung zum Bürokaufmann und hatte Angst seinen Ausbildungsplatz zu verlieren. „Es war schwer genug eine Ausbildungsstelle zu bekommen.“ Denn er verhehlte seine Erkrankung bei den Bewerbungen nicht, was ihm reihenweise Absagen einbrachte.
Fakten zu Nierentransplantationen
- Häufigste Ursachen für Nierenschäden sind Diabetes und Bluthochdruck.
- Akutes Nierenversagen entwickelt sich innerhalb weniger Tage bis Wochen.
- Chronische Niereninsuffizienz bleibt oft Jahre unentdeckt.
- Blutwäsche (Dialyse) überbrückt beim Warten auf eine Spenderniere den Ausfall des Organs.
- Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 1992 Spendernieren transplantiert.
- Aktuell warten 6593 Patienten auf eine Spenderniere.
- Für das passende Spenderorgan gibt es eine Warteliste.
- Organspendeausweise können unter www.organspende-info.de bestellt werden.
„Ich wollte Teil dieser Gesellschaft werden.“ Und das hieß für ihn damals, dass er die Nierentransplantation ablehnte, um seine Ausbildung beenden zu können. 1999 bekam er eine Anstellung bei der Rheinpfalz. Und diesem Arbeitgeber ist Lauer heute noch sehr dankbar. Trotz seiner Erkrankung und den Risiken für den Arbeitgeber gab ihm der Verlag eine Chance und eröffnete ihm berufliche Perspektiven. Und diese Chance quittierte Lauer mit enormem Einsatz. „Arbeiten bis 17 oder 18 Uhr und anschließend an vier Abenden die Woche Dialyse bis nach 22 Uhr.“ Und Dialyse sei nichts, was man einfach so wegstecke. „Das ist sehr anstrengend.“
Zum Schlüsseljahr wurde dann 2001. Wobei es wieder konfliktträchtig wurde. Ende Februar ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch bei der EnBW und dann am 1. März der Anruf, dass es eine Spenderniere gebe. „Zuerst wollte ich wieder nicht, um den Job nicht zu gefährden.“ Die Tochter war gerade vier Jahre alt und Lauer wollte als Versorger nicht ausfallen.
Doch sein behandelnder Arzt machte ihm sehr deutlich, dass diese Niere die Chance sei, würden die Werte der Niere doch zu fast 99 Prozent den Werten von Lauer entsprechen. Also sprang er doch. Und natürlich war das der alles verändernde Entscheid. Im Grunde sei unbeschwertes Leben erst seitdem wieder möglich. „Ich konnte endlich wieder Leben planen.“ Urlaub oder spontan am Abend mit der Frau essen gehen oder Zeit mit Freunden verbringen. „Es war alles wieder möglich“, auch der Jobwechsel im Jahr 2009 zu den Schwetzinger Stadtwerken, wo er heute Leiter des Kundenzentrums ist.
Debatte unverständlich
Vor dem Hintergrund seines Lebens, fällt es ihm sehr schwer, die gesellschaftliche Debatte um die Organspende nachzuvollziehen. Ja, man sehe es nicht, aber es gebe viel Leid in Deutschland und das nur, weil die Organspende in einer gesellschaftlichen Nische aus Desinteresse und Vorbehalten gefangen sei. Natürlich darf niemand gezwungen werden, Organe zu spenden. Aber in seinen Augen sei das auch gar nicht notwendig. „Ich glaube die meisten Menschen sind zu einer Organspende bereit.“ Es liege nur leider nicht wirklich auf dem gesellschaftlichen Debattentisch und sei in der Folge im öffentlichen Bewusstsein auch nur schwach verankert.
Die beste Lösung sei da die Widerspruchslösung. „Jeder Bürger ab 18 Jahren gilt als potenzieller Organspender, außer er hat sich explizit dagegen ausgesprochen.“ Dass, so glaubt Lauer, würden nur wenige tun. Und dadurch, davon ist er ebenfalls überzeugt, könnte viel und vor allem unnötiges Leid, das sich in Deutschland hinter der Warteliste verbirgt, vermieden werden.
„Ich versteh einfach nicht, warum das in Deutschland nicht geht.“ Nach Jens Spahn (CDU) versucht es nun der amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Lauer hofft inständig, dass es dieses Mal klappt.
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