Schwetzingen. Es sitzt noch nicht jeder Ablauf und die Schauspieler sind nur mit Teilen ihrer Kostüme ausgestattet, aber der Text klappt einwandfrei – das ist der Eindruck, der sich als Beobachter einer Probe einige Tage vor der Premiere von „Pinocchio“ im Theater am Puls gewinnen lässt. Schon in den wenigen Minuten, die Intendant Joerg Steve Mohr mit kleinen Regieanweisungen unterbrechen muss, lässt sich viel über das Stück herausfinden. Simon Speer wirkt überzeugend in der Titelrolle, obwohl abgesehen von Holzschuhen noch nichts davon zeugt, dass er die berühmteste Holzpuppe der Welt spielt.
Von „Pinocchio“-Inszenierungen wie man sie kennt, möchte sich Mohr abheben. „Oft sieht man die Geschichte auf kurze Abenteuer reduziert, auf Kinder zugeschnitten und 70 Minuten lang“, erläutert der Intendant. Als er die Buchvorlage noch mal gelesen habe, habe er aber etwas anderes reizvoll gefunden: „Eigentlich ist die Geschichte näher am Struwwelpeter als an einer Abenteuergeschichte für Kinder, viel schwarze Pädagogik.“ Samiya Bilgin, die im TaP schon als Märchenerzählerin aufgetreten ist, habe ihm dann die Augen für eine andere Lesart geöffnet: eine Geschichte der Menschwerdung.
Nah an der Vorlage
Was die Handlung angeht, orientiere sich die Fassung des Theaters am Puls relativ dicht an der literarischen Vorlage. „Pinocchio wird von einer Holzpuppe zu einem Esel, landet im Bauch eines Hais – bei uns ist es ein Wal wie bei Jonas in der Bibel – und wird schließlich zum Mensch. Das ist auch eine Coming-of-Age-Geschichte, am Ende übernimmt er Verantwortung“, beschreibt Mohr.
Doch über der Handlung schwebt für ihn ein zentrales Thema: wie Erwachsene mit Kindern sprechen und umgehen. „Erwachsene sind mit Kindern oft überfordert und verstehen häufig deren Absichten falsch. Sie übermitteln Kindern Botschaften, die negativ belegt sind: Tu das nicht, sonst passiert das. Dabei wird außer Acht gelassen, dass Kinder andere Denkstrukturen haben. Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass alles, was wir Kindern sagen, eine Auswirkung bei ihnen hat.“
Während das Stück dieses Bewusstsein beim erwachsenen Publikum schaffen will, soll auch Kindern etwas mit auf den Weg gegeben werden: „Es soll kein Stück mit erhobenem Zeigefinger sein“, stellt Mohr klar. „Pinocchios Weg zeigt, wie man an Schwierigkeiten wachsen kann, wenn man nicht alleine ist. Besondere Herausforderungen schaffen besondere Menschen.“ Auch Pinocchio ist im Stück nicht alleine, sondern wird von einer Fee begleitet, gespielt von Tobias Rieseberg. „Die Fee ermahnt Pinocchio, greift in das Geschehen ein. Sie begleitet ihn, lässt ihn aber auch laufen und seine Erfahrungen selbst machen.“
Hauptdarsteller Simon Speer spielt nicht zum ersten Mal im TaP, wurde aber durch die Pandemie um die meisten Vorstellungen gebracht. Nur zweimal konnte das Stück „Oskar und die wilde Dame“ gezeigt werden. „Inzwischen ist er zu groß für die Rolle des Oskar“, so Mohr. Zu ihm und Rieseberg, der neben der Fee noch zwei andere Figuren verkörpern wird, gesellen sich einige andere Darsteller. Diese haben zwischen 40 und 50 kleinere Rollen unter sich aufgeteilt und verleihen dem Stück eine etwas skurrile und humorvolle Note.
Sechs Wochen hat das Ensemble geprobt, die letzte Woche bis zur Aufführung besonders intensiv. „Da wird das Ganze zusammengebastelt“, berichtet Mohr. „Wir liegen gut im Zeitplan.“ Bis März sind für das Stück 13 Vorstellungen angesetzt, die Premiere ist ausverkauft. Geeignet ist „Pinocchio“ für ein Publikum ab acht Jahren. Es besteht keine Maskenpflicht im Publikum.
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