Politik verspielt viel Vertrauen

Benjamin Jungbluth über die Folgen des langen Konflikts

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Benjamin Jungbluth
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Der Zustand des Racketclubs in der Scheffelstraße ist erschreckend: In der großen Halle kann man kaum atmen, es gibt großflächige Wasser- und Schimmelflecken. Schmierereien und Dreck überziehen Wände wie Böden. Überall sind zerschlagene Türen und Fenster zu sehen. Schnell ist offensichtlich: Hier muss alles ausgetauscht werden – falls das Gebäude überhaupt noch zu retten ist. Für Schwetzingen und die Region entfällt ein Sportzentrum, das für Badminton- und Squash-Freunde viel zu bieten hatte.

Die Argumentation des Rhein-Neckar-Kreises lautet, dass der Racketclub schon vor der Nutzung als Flüchtlingsunterkunft „in einem gebrauchten und überwiegend renovierungswürdigen Zustand“ gewesen sei, so ein Sprecher bei unserer ersten Anfrage im Februar. Bei einem Termin am Mannheimer Landgericht fuhr außerdem ein ranghoher Mitarbeiter des Landratsamtes Matthias Vogel an, er habe doch ausreichend an der Unterbringung der Flüchtlinge verdient – indirekt wird also der Vorwurf erhoben, er wolle sich nur bereichern. Mit einer derart unversöhnlichen und öffentlich vorgetragenen Haltung erweist sich das Landratsamt keinen Gefallen.

Die Flüchtlingskrise hat seit 2015 zu massiven Verwerfungen in Deutschland geführt. Es sind Gräben in der Gesellschaft entstanden und in Teilen der Bevölkerung ist das Unverständnis über „die da oben“ stark angewachsen. Bei vielen Bürgern wird vom Drama um den Racketclub wohl nur hängenbleiben, dass ein unbescholtener Unternehmer um seine Existenz fürchten muss, weil er der Politik in einer Notlage geholfen hat. Und auch wenn viele Politiker hinter vorgehaltener Hand ihr Verständnis für Matthias Vogel äußern: Bis heute konnte noch keiner von ihnen Ergebnisse in dem Fall erzielen.

Die Verantwortlichen im Rhein-Neckar-Kreis sowie die politischen Vertreter unserer Region in Stuttgart und Berlin müssen zusehen, dass das öffentliche Drama rund um den Racketclub nicht immer größere Schlagzeilen produziert – für so manche Strömung an den Rändern des politischen Systems wäre das nämlich ein gefundenes Fressen. Und auch bei der breiten Mitte der Gesellschaft hinterlässt der Fall kein gutes Bild: Eine Politik, die sich hinter Zuständigkeiten und juristischen Spitzfindigkeiten versteckt und keine Lösungen mehr für die konkreten Probleme der Menschen liefern kann, verspielt ungemein viel Vertrauen.

Schwetzingen

Schwetzingen: Keine Bewegung beim abrissreifen Racketclub

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Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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