Schwetzingen. Beim Streit um die Nutzung des Racketclubs als Flüchtlingsunterkunft geht es auch um die geleisteten Zahlungen. Sämtliche Details wurden dabei 2015 allerdings nicht in einem regulären Mietvertrag festgehalten: Es existiert lediglich ein eineinhalbseitiges Schreiben vom Ordnungsamtsleiter des Kreises, das mit „Einverständnis für die Nutzung des Racket-Center Schwetzingen zur Beseitigung eines polizeilichen Notstands“ überschrieben ist.
Darin ist festgehalten, dass der Kreis für die Unterbringung der rund 250 Flüchtlinge eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 39 500 Euro an Matthias Vogel zahlt. Weiter heißt es dort wörtlich: „Die monatlichen Nebenkosten belaufen sich auf 8000 Euro.“
Weder das Landratsamt noch Matthias Vogel wollen sich zu diesen Kosten genauer äußern. „Wir bitten um Verständnis, dass wir angesichts der noch offenen Verfahren beim Landgericht Mannheim hierzu keine Stellung nehmen können“, erklärt Doreen Kuss, die Ordnungsdezernentin des Rhein-Neckar-Kreises. Sie bestätigt allerdings, dass die zum 1. November begonnenen Nutzungsentschädigungszahlungen bis zum 31. Mai 2017 gezahlt worden seien. Daraus ergibt sich bei 19 Monaten eine Summe von insgesamt 750 500 Euro. Die Kosten für eine Renovierung des Racketclubs schätzt Matthias Vogel indes auf rund 1,4 Millionen Euro.
Als Notfallreserve genutzt
Gleichzeitig wurde der Racketclub nur bis Ende Mai 2016 mit Flüchtlingen belegt, danach sollte er als Notfallreserve zur Verfügung stehen, falls die Anzahl der im Kreis zu verteilenden Migranten wieder angestiegen wäre. Die Nebenkostenzahlungen beglich der Kreis bis November 2016, bei zwölf Monaten also insgesamt 96 000 Euro. Vor Gericht streiten das Landratsamt und Matthias Vogel unter anderem, ob es sich dabei um Vorauszahlungen oder eine Pauschale gehandelt hat.
Gerne hätten wir die Zahlungen des Landratsamtes für die Nutzung des Racketclubs in ein Verhältnis zu anderen Flüchtlingsunterkünften in der Region gesetzt. Doch auch hier gibt der Kreis keine Auskunft. „Zu Einzelheiten von Vertragsverhältnissen bei der Flüchtlingsunterbringung können wir aus Gründen der Vertraulichkeit grundsätzlich nicht Stellung nehmen“, erklärt Ordnungsdezernentin Doreen Kuss.
Interessant ist allerdings der Vergleich zu einer Unterkunft in Walldorf. Für die Unterbringung von 100 Flüchtlingen zahlte der Kreis dort einem Medienbericht zufolge monatlich knapp 100 000 Euro Nutzungsentschädigung und rund 30 000 Euro an Nebenkosten. Der Fall machte Anfang 2017 Schlagzeilen, weil die Bewohner nach nur zwei Monaten wieder aus der frisch errichteten Containeranlage ausziehen mussten: Die nicht isolierten Wasserrohre waren gefroren, eine Nutzung nicht mehr möglich. Später einigten sich der private Betreiber und der Rhein-Neckar-Kreis vor Gericht mit einem Vergleich in unbekannter Höhe.
Auch das Verhältnis der Kosten für den Racketclub zu den jährlichen Gesamtkosten der Flüchtlingsunterbringung des Kreises ist aufschlussreich. Leider beantwortete das Landratsamt unsere detaillierte Frage nach den Kosten in den Jahren 2015 bis 2020 lapidar mit dem Hinweis, diese Infos könnten „den öffentlichen Vorlagen zu den entsprechenden Kreistagssitzungen des Rhein-Neckar-Kreises entnommen werden, in denen die Jahresabschlüsse behandelt wurden“.
Mieten nicht aufgeschlüsselt
Dort sind die Kosten allerdings nur eingeschränkt nachlesbar. So scheinen sie in den Jahresberichten 2015 und 2016 nicht ausgewiesen zu sein. Erst 2017 – nachdem der Zustrom an Flüchtlingen bereits wieder weniger geworden war – findet sich eine Tabelle „Unterbringung Flüchtlinge/Spätaussiedler“, in der unter „Summe ordentliche Aufwendungen“ rund 62,4 Millionen Euro vermerkt sind. 2019 lag dieser Wert dann bei etwa 50,7 Millionen Euro. Darin sind auch Personal- und Transferaufwendungen eingerechnet. Eine detaillierte Aufschlüsselung nach Mietkosten erfolgt nicht und wurde uns – wie erwähnt – vom Landratsamt nicht zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig betont die Behörde, dass der Kreis die Kosten nur vorschießen, nicht aber begleichen muss. „Im Übrigen hat die Landesregierung den Landkreisen zugesichert, dass alle bislang bei den Kreisen angefallenen Unterbringungskosten im Wege der Spitzabrechnung vollständig erstattet werden“, erklärt Dezernentin Doreen Kuss.
Diese Art der Abrechnung kritisiert der Landesrechnungshof indes seit Jahren. Die Finanzexperten fordern stattdessen eine pauschale Begleichung der Kosten, damit das Land die hohen Ausgaben der Stadt- und Landkreise besser kontrollieren könne. Schließlich gehe es um Steuergelder. beju
Der „Mavo-Racketclub“ als Flüchtlingsunterkunft
Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise Ende 2015 mietete der Rhein-Neckar-Kreis den größten Teil des Racketclubs für rund eineinhalb Jahre zur Unterbringung von Flüchtlingen an.
Rund 250 alleinreisende junge Männer aus unterschiedlichen Nationen lebten in der ehemaligen Tennishalle. Ihre Etagenbetten waren nur durch Bauzäune abgetrennt, die Essensausgabe erfolgte in der Halle. Durch Kondenswasser bildete sich Schimmel in Böden und Decken.
Es gab viel Vandalismus durch Bewohner. Regelmäßig kam es zu Polizeieinsätzen, die Nachbarn in der Scheffelstraße litten unter der angespannten Situation. Im Mai 2016 quartierte der Kreis die letzten Bewohner um und wollte die Halle die restliche Mietzeit über als Notfallquartier in Reserve halten.
Der Schimmel hat sich in weiten Teilen der Halle ausgebreitet. Zahlreiche Fenster, Türen, Wände und Sanitäranlagen sind zerstört. Der Renovierungsschaden wird von Matthias Vogel auf rund 1,4 Millionen Euro geschätzt.
Der Kreis sieht sich jedoch nicht in der Verantwortung und spricht von normalen Abnutzungen, die „im Wesentlichen dem Nutzungszweck und damit auch den vertraglichen Regelungen“ entsprechen würden, wie ein Sprecher auf unsere Anfrage im Februar entgegnete.
Zwei Gerichtsverfahren beschäftigen sich seit langem mit dem Fall – eines von Matthias Vogel initiiert, das andere vom Landkreis angestrengt. Bis zu endgültigen Urteilen könnte es noch Jahre dauern. beju
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