Racketclub - Weiter keine Lösung beim Streit zwischen Racketclub und Landratsamt / Behörde verbittet sich Kontaktaufnahme von Inhaber / Freundeskreis frustriert

Rempp: Bürger verzweifeln an dieser Politik

Von 
Benjamin Jungbluth
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Machtlos und enttäuscht – so beschreiben Matthias Vogel und Raquel Rempp ihre Gefühle, während sie über den mit Schimmel und Essensresten übersäten Sportboden der ehemaligen Tennishalle in der Scheffelstraße laufen. Bis 2015 hatte Matthias Vogel hier mehrere Badmintonplätze in seinem „Mavo Racketclub“ betrieben, ganze 16 Jahre lang.

Mit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise fragte dann der Rhein-Neckar-Kreis an, ob Vogel die Halle zur Unterbringung von Migranten zur Verfügung stellen könne. Dabei wurde auch mit einem „polizeilichen Notstand“ argumentiert und die Nutzung schließlich nur auf etwas mehr als einer DIN-A4-Seite geregelt. Nach wenigen Monaten gab der Kreis die Notunterkunft wieder auf. Der Racketclub war kaum mehr wiederzuerkennen: Die Bausubstanz war in weiten Teilen ruiniert, Schimmel hatte sich ausgebreitet, der größte Teil des Sportzentrums war nicht mehr nutzbar, ja zerstört. Es folgten jahrelange Rechtsstreits zwischen Matthias Vogel und dem Rhein-Neckar-Kreis, ein Ende ist nicht in Sicht.

Die Berichte unserer Zeitung über den Fall führten im vergangenen Jahr zu großen Diskussionen in Schwetzingen und der Region. Zahllose Bürger bekundeten ihre Solidarität mit Matthias Vogel. Unter der Führung der ehemaligen Gemeinderätin Raquel Rempp, die sich seit Jahren mit viel Einsatz in der Flüchtlingshilfe engagiert, wurde ein Freundeskreis für den Racketclub gegründet. Politiker auf Bundes-, Landes- und Kreisebene wurden angeschrieben. Der SWR berichtete in der Landesschau, auch andere Medien griffen den Fall schließlich auf.

Jetzt, bald fünf Jahre nach dem Auszug der letzten Flüchtlinge, stehen Matthias Vogel und Raquel Rempp etwas verloren in der haushohen Halle. Der Geruch ist noch ein wenig stechender als im vergangenen Sommer, ansonsten hat sich augenscheinlich nicht viel verändert im Racketclub. „Die Schäden am Gebäude sind so verheerend, dass eine Verschlechterung kaum noch möglich ist. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man das fast schon mit Humor nehmen“, sagt Raquel Rempp. „Leider haben sich die Gerichtsverfahren unter anderem wegen Corona verzögert und eine außergerichtliche Einigung lehnt das Landratsamt weiterhin ab.“

Widersprüchliche Aussage

Vor Kurzem hatte Matthias Vogel erneut versucht, der Behörde die Hand auszustrecken: In einem persönlichen Schreiben an den Rhein-Neckar-Kreis stellte er aus juristischen Gründen zwar fest, dass er die Auffassung vertrete, dass der Mietvertrag weiter Bestand habe. Doch er würde eine einvernehmliche, außerjuristische Lösung bevorzugen und gerne mit der Behörde das Gespräch suchen, um die verhärteten Fronten zu überwinden. Daraufhin teilte ein Anwaltsbüro im Namen des Landratsamtes dem Rechtsanwalt von Matthias Vogel mit, dass der Jurist doch bitte auf seinen Mandanten „einwirken möge“, derartige Schreiben in Zukunft zu unterlassen.

Auf Nachfrage unserer Zeitung, warum das Landratsamt eine solche Aufforderung verschickt habe, antwortete eine Sprecherin der Behörde: „Eine entsprechende Aufforderung an den Anwalt von Herrn Vogel ist nie erfolgt.“ Unserer Zeitung legte Matthias Vogel daraufhin allerdings das Schreiben der Anwaltskanzlei des Landratsamtes zur Einsicht vor, um seine Behauptung zu beweisen.

„Das ist genau diese Art von Verhalten, die die Bürger an der Politik verzweifeln lässt“, sagt dazu Raquel Rempp. „Wie damals in der Flüchtlingskrise verlangt man auch heute in der Corona-Krise den Menschen vieles an freiwilligem Engagement und Verständnis ab. Und dann werden die Bürger derart vor den Kopf gestoßen. Da braucht sich doch niemand zu wundern, wenn es zu Politikverdruss und der Wahl extremer Parteien kommt“, so die ehemalige Kommunalpolitikerin.

Keine außergerichtliche Einigung

Auch die gewählten Volksvertreter hätten bislang nur wenig bewirken können, beklagen Raquel Rempp und Matthias Vogel. Der Freundeskreis habe mit sehr vielen politischen Mandatsträgern gesprochen, die zunächst allesamt wohlwollend reagiert hätten. Mit wenigen Ausnahmen sei es dann aber dabei geblieben. „Bundespolitiker verweisen uns aufs Land, das Land auf den Kreis, und der Kreis will mit uns ja nicht reden. Auch die Schwetzinger Stadtverwaltung und die Stadträte halten sich raus, weil der Kreis zuständig sei. Dabei geht es uns doch gar nicht um konkrete Forderungen an diese politischen Ebenen, sondern um eine Vermittlung zwischen uns und dem Landratsamt. In einem persönlichen Gespräch könnten wir außerhalb juristischer Details sicherlich vieles regeln“, sagt Matthias Vogel.

Doch der Rhein-Neckar-Kreis lehnt eine solche außergerichtliche Einigung weiterhin ab. Auf Nachfrage unserer Zeitung teilte eine Sprecherin mit: „Das Landratsamt stand mit Herrn Vogel während der Mietzeit in Kontakt. Zum Vertragsende hin wurde seitens des Landratsamts mehrfach vergeblich versucht, mit diesem einen gemeinsamen Termin zur Rückgabe des Objekts zu vereinbaren. Herr Vogel berief sich jedoch einseitig auf eine Fortsetzung des Mietvertrages, was nach den getroffenen Vereinbarungen nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund scheidet für das Landratsamt eine außergerichtliche Klärung nach wie vor aus.“

Eine solche Klärung könnte aus Sicht von Matthias Vogel und Raquel Rempp aber für beide Seiten die kostengünstigste Lösung sein. Denn im Freundeskreis des Racketclubs gebe es Handwerker und Bürger, die tatkräftig mit anpacken würden, wenn vom Kreis die Zusage für eine gewisse Unterstützung käme. „Wir wollen doch nur den Spielbetrieb für die Badminton- und Squashspieler aus der Region wieder aufnehmen können. Wenn Matthias Vogel mit der ganzen Sache viel Geld verdienen wollen würde, hätte er das Grundstück in dieser zentralen Lage von Schwetzingen schon längst verkaufen und von einem Investor mit teuren Eigentumswohnungen bebauen lassen können“, argumentiert Raquel Rempp.

Öffentliche Führungen geplant

In den kommenden Monaten will der Freundeskreis endlich seinen Plan umsetzen, öffentliche Führungen durch das Sportzentrum anzubieten, damit sich möglichst viele Bürger vor Ort selbst vom Ausmaß der Schäden überzeugen können. Wegen der Corona-Einschränkungen sei das bislang leider nicht möglich gewesen. Außerdem erhoffen sich die Mitglieder Unterstützung von den frisch gewählten Landtagsabgeordneten der Region – Dr. Andre Baumann (Grüne), Andreas Sturm (CDU) und Daniel Born (SPD). „Wir hatten bereits zu allen dreien Kontakt und würden uns sehr freuen, wenn sie tatsächlich eine Vermittlerrolle einnehmen würden. Denn der Politik in Schwetzingen und der Region tut dieser langjährige Streit zwischen einer Behörde und einem Bürger wirklich nicht gut“, sagt Raquel Rempp.

Info: Mehr Fotos gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de

Der „Mavo-Racketclub“ als Flüchtlingsunterkunft

Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise Ende 2015 mietete der Rhein-Neckar-Kreis den größten Teil des Racketclubs für rund eineinhalb Jahre zur Unterbringung von Flüchtlingen an.

Rund 250 alleinreisende junge Männer aus unterschiedlichen Nationen lebten in der ehemaligen Tennishalle. Ihre Etagenbetten waren nur durch Bauzäune abgetrennt, die Essensausgabe erfolgte in der Halle. Durch Kondenswasser bildete sich Schimmel in Böden und Decken.

Es gab viel Vandalismus durch Bewohner. Regelmäßig kam es zu Polizeieinsätzen, die Nachbarn in der Scheffelstraße litten unter der angespannten Situation. Bereits im Mai 2016 quartierte der Kreis die letzten Bewohner um und hielt die Halle die restliche Mietzeit über als Notfallquartier in Reserve.

Der Schimmel hat sich in weiten Teilen der Halle ausgebreitet. Zahlreiche Fenster, Türen, Wände und Sanitäranlagen sind zerstört. Der Renovierungsschaden wird von Matthias Vogel auf rund 1,4 Millionen Euro geschätzt.

Der Kreis sieht sich jedoch nicht in der Verantwortung und spricht von normalen Abnutzungen, die „im Wesentlichen dem Nutzungszweck und damit auch den vertraglichen Regelungen“ entsprechen würden, wie ein Sprecher auf unsere Anfrage bereits im vergangenen Jahr entgegnete.

Zwei Gerichtsverfahren beschäftigen sich seit Langem mit dem Fall – eines von Matthias Vogel initiiert, das andere vom Landkreis angestrengt. Bis zu endgültigen Urteilen könnte es noch Jahre dauern. beju

Schwetzingen

Schwetzingen: Racketclub nach Nutzung als Flüchtlingsunterkunft weiterhin in desaströsem Zustand

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Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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