Schwetzingen. So intensiv war ein Hebel-Treff schon länger nicht mehr. Mag sein, dass es am Thema Künstliche Intelligenz (KI), an dem vortragenden Professor Dr. Karsten Huffstadt von der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt oder am Umzug wegen technischer Probleme vom Multifunktionsraum in einen etwas kleineren Raum im Haupthaus des Hebel-Gymnasiums lag.
Sicher ist, dass es 90 sehr intensive Minuten waren. Und, dass den meisten versammelten Bürgerinnen und Bürgern endgültig klar wurde, dass dem Thema nicht mehr auszuweichen ist. Dafür, das lässt sich erahnen, seien die gesellschaftlichen Umwälzungen zu massiv. „Es wird sich sehr vieles grundlegend ändern und das sehr schnell“, so Huffstadt. Dabei, so betonte der selbsterklärte Optimist, liege es in unserer Hand, ob KI uns in höchste Höhen oder in Abgründe führe.
Der Auftakt war schlicht. KI, so der Professor für Wirtschaftsinformatik, sei ein Computerprogramm, das in der Lage sei, selbstständig Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen. „Dabei ist das, was da passiert, für uns nicht in Gänze nachvollziehbar.“ Generell wird zwischen schwacher und starker KI unterschieden. Die schwache KI sei die, die wir mittlerweile gut kennen. Sie kann Muster erkennen, Schlüsse daraus ziehen und arbeitet auf Basis eines riesigen Datenschatzes im Grunde mit Wahrscheinlichkeiten.
Unter starker KI wird ein Programm verstanden, das kreatives Denken erlaubt und Bewusstsein ermöglicht. Letzteres gibt es bis dato nur in der Fantasie. Ein Beispiel sei der Computer „Hal 9000“ aus dem legendären Film „2001: Odyssee im Weltraum“. Aber auch schon die schwache KI könnte gesellschaftliche Grundüberzeugungen ins Wanken bringen.
Huffstadt, der sich vor allem mit den Auswirkungen von Technik auf den Menschen und sein Sozialverhalten beschäftigt, sieht die Welt vor großen Veränderungen, auf die sich die Menschen vorbereiten müssten. Ein Beispiel fasste er unter dem Titel „Internet statt Friedhof“ zusammen. Es fließe viel Geld in Projekte, die ewiges Leben versprechen. Nicht im Analogen, aber im Digitalen. Die Frage sei, was das mit Menschen mache, wenn die Toten in Form von Avataren bleiben. Und was macht es mit Gesellschaften, wenn die Alten mit ihrem Denken nicht mehr gehen und den Jungen mit ihrem Denken weniger Platz bleibt. Der Tod ist diesbezüglich ja durchaus eine Art Antreiber für gesellschaftliche Evolution.
KI zwischen Glanz und Abgrund: Der kluge Einsatz ist wichtig
Veränderungen dürften auch Schulen und Universitäten erleben. Kürzlich baute Huffstadt in ChatGPT einen Mathebot (Mathematischer Problemlöser) und ließ ihn Schnittpunkte und Nullstellen einer Quadratischen Funktion berechnen. Das funktioniert auf Einser-Niveau. Die Frage sei jetzt, wie geht man damit um. Klar könnten es sich Schüler nun einfach machen. Aber das Programm könne auch als geniale Lernhilfe durchgehen. Schritt für Schritt erkläre der Mathebot sein Vorgehen und sei damit ein ziemlich guter Nachhilfelehrer.
Klug eingesetzt, könnten solche Programme entlastend wirken und den Schülern oder Studenten mehr Zeit für inhaltliches Arbeiten ermöglichen. Also weniger Form, dafür mehr Inhalt. Bleibt aber die Frage offen, ob das Arbeiten mit der Form nicht auch den Sinn für den Inhalt schärft. Schreiben mit der Hand ist mehr als nur eine Zeichenabfolge auf Papier zu bringen. Werden dabei doch neuronale Netze enger verknüpft und das Lernen vertieft.
KI zwischen Glanz und Abgrund: Missbrauchsgefahr ist real - und hoch
Aber das heißt natürlich nicht, dass man nun am Althergebrachten festhalten solle. Ganz im Gegenteil, die Potenziale der KI zum Guten nicht zu nutzen, vergrößere am Ende nur den Raum für das Nutzen zum Schlechten hin. Es gebe ethische Fragen, auf die die Menschen bald eine Antwort finden sollten. Die Singularität (beschreibt den Augenblick, wenn Maschinen dem Menschen intellektuell überlegen sind) datieren Wissenschaftler auf das Jahr 2040. Das sei wenig Zeit für schwierige Fragen. Wichtig sei es aber schon jetzt. Denn die Missbrauchsgefahr sei real und hoch.
Man denke nur an die durch KI generierten Bilder mit dem wahrscheinlichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump Arm in Arm mit schwarzen Frauen auf diversen sozialen Netzwerken. Vermittelt wird eine Nähe zwischen Trump und People of Colour, die nicht existiere, in den USA aber schon Wirkung zeige. Auch der Enkeltrick dürfte Dank KI in Zukunft mehr Durchschlagskraft bekommen. 30 Minuten Stimmproben genügten und die Stimme könne annähernd perfekt nachgebaut werden. Es gibt Risiken. Aber, so Huffstadt, es gebe auch Chancen, wirklich große Probleme zielführend anzugehen.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Ein Autor namens KI