Konversion

Schwetzingen plant Gewerbegebiet auf Areal der Tompkins Barracks

Es kommt Bewegung in die Entwicklung der ehemaligen Tompkins Barracks und der Kilbourne-Kaserne. Stadt, Land Baden-Württemberg und Bundesanstalt für Immobilienaufgaben unterzeichneten eine gemeinsame Absichtserklärung.  

Von 
Katja Bauroth
Lesedauer: 

Schwetzingen. Als „Glückspilze“ bezeichnete Andreas Jacob Schwetzingens Oberbürgermeister Dr. René Pöltl und Bürgermeister Matthias Steffan. Der Geschäftsführer des zuständigen Planungsbüro FIRU mbH aus Kaiserslautern bezog sich damit auf die Möglichkeiten, die sich der Stadt mit den ehemaligen Kasernenarealen bieten. 16,3 Hektar Fläche für gewerbliche Entwicklung zu haben, davon träumt so manche Kommune nicht nur in der Metropolregion. Und das ist nicht das Einzige, was im Nordosten Schwetzingens passieren wird.

Mit einer beispielhaften gemeinsamen Absichtserklärung – „Letter of Intent“ genannt – haben die Stadt Schwetzingen, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und das Land Baden-Württemberg die zukünftige Entwicklung der ehemaligen Kasernenflächen auf den Weg gebracht. Die Unterzeichnung im Beisein vieler Projektbeteiligten – neben den Hauptprotagonisten der Erklärung auch vom Regierungspräsidium Karlsruhe und dem Planungsbüro – fand am Donnerstag im großen Sitzungssaal des Rathauses statt. Am Abend zuvor hatte der Gemeinderat dafür einstimmig grünes Licht gegeben (wir berichteten).

Andreas Jacob; Geschäftsführender Gesellschafter der die FIRU mbH, erklärt anhand der Grafik die Flächenaufteilung bei der Tompkins Barracks. Mit dem Finger deutet er auf den etwa 6,2 Hektar großen Bereich, der für eine Photovoltaik vorgesehen ist. © Bauroth

Zehn Jahre sind seit dem Abzug der US-amerikanischen Streitkräfte vergangen und dabei mussten immer wieder Ideen zur Nutzung der kleineren Kilbourne-Kaserne (zirka fünf Hektar) und des größeren Areals der Tompkins Barracks (etwa 36 Hektar) aus verschiedenen Gründen verworfen werden. Dazu zählten länderübergreifende Entwicklungen (Flüchtlinge), Kostenexplosionen (auch wegen Altlasten auf dem Areal) und der Natur- sowie Artenschutz (Lebensraum der geschützten Bechsteinfledermaus).

Nun kommt neue Bewegung in die Sache: Gemeinsam mit der BImA und dem Land möchte die Stadt eine geeignete Nutzung der Flächen entwickeln. Die früheren Pläne für Wohnflächen im Bereich der Kasernen wurden 2019 zugunsten der Entwicklung auf dem Pfaudler-Areal verworfen. Das dort entstehende Viertel „Schwetzinger Höfe“ schaffe mit Blick auf die Gesamtinfrastruktur der Kommune ausreichend Wohnraum, so OB Pöltl.

Areal der Tompkins Barracks Schwetzingen: Drei Partner – ein Konzept

Die Stadt Schwetzingen hat 2021 die Gespräche mit der BImA und dem Land für eine Entwicklung der Kasernenflächen wieder aufgenommen und dabei erste konkrete Überlegungen für ein Nutzungskonzept entwickelt. Andreas Jacob vom zuständigen Planungsbüro FIRU mbH erläuterte eingangs die Vorklärungsphase, die zum Dreiklang aus Behördennutzung, Gewerbegebiet und Standort für regenerative Energien führte. Zwischen Juni und Dezember 2022 konnte in vier Präsenzgesprächen sowie weiteren digitalen Austauschprozessen mit allen Beteiligten das grob formulierte Gesamtflächenlayout im Detail konkretisiert werden.

Das aufgeteilte Gesamtflächenlayout der Tompkins Barracks: Es wird eine Zufahrt zum Areal geben, die auch der derzeitigen Zufahrt entspricht. Eine „Notableitung“ besteht auf Höhe des Zugangs zu den Gebäuden der LEA.

Dabei wurden folgende Teilthemen untersucht: eine Standortprüfung für Geothermie und weitere mögliche Landesnutzungen, eine Darstellung der möglichen Erschließungsvarianten, eine Darlegung von Standortalternativen für eine künftige Fernwärme-Übergabestation sowie eine Ausarbeitung eines Exposés hinsichtlich einer Verpachtung der nördlichen Flächen für erneuerbare Energien. Diese Teilräume sind definiert und bilden die Grundlage für den „Letter of Intent“ und den weiteren Konversionsprozess. Die Kosten für dieses Verfahren tragen Stadt, BImA und Land gemeinsam, die sich als gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe sehen.

In der am Donnerstag unterzeichneten Absichtserklärung wurden die Eckpunkte genauer beschrieben. Der Fokus liegt dabei auf dem Gelände der Tompkins Barracks. Das Land Baden-Württemberg benennt hier ein allgemeines Kaufinteresse für die dauerhafte Etablierung einer dort bereits befindlichen Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für Geflüchtete. Der Flächenanteil beläuft sich auf etwa 13,1 Hektar, „wobei eine Verringerung des Anteils je nach Bedarf erfolgen kann“.

Mehr zum Thema

Konversion

Konzept zur Konversion der Kasernen in Schwetzingen ist zukunftsfähig

Veröffentlicht
Von
Volker Widdrat
Mehr erfahren
SPD

Konversion der Kasernen in Schwetzingen der aktuellen Lage anpassen

Veröffentlicht
Von
SPD Schwetzingen
Mehr erfahren
Link

Alle Meldungen im Newsticker Schwetzinger Zeitung

Mehr erfahren

Die LEA sei „eine Erfolgsgeschichte“, so OB Pöltl, da die Strukturen in den denkmalgeschützten Gebäuden für diese Nutzung passe. „Die maximalen Belegungszahlen mit Flüchtlingen und Vertriebenen werden in einer gesonderten Vereinbarung mit der Stadt festgehalten“, heißt es dazu in der Absichtserklärung. Und: „Perspektivisch sind weitere bauliche Nachnutzungen sowie Verdichtungen möglich, sofern hierfür entsprechender Bedarf besteht. Nutzungsperspektiven können dabei auch einer städtebaulichen Mehrfachbeauftragung gemeinsam mit der Stadt geprüft und aufgezeigt werden.“ Laut Zeitplan ist hier übrigens für das Frühjahr 2023 ein Bauantrag durch das Land für eine temporäre Erweiterung der Unterbringungsfläche für zusätzlich 200 Geflüchtete vorgesehen.

Anmeldung Newsletter "Topthemen am Abend"

An dieser Stelle noch ein Wort zu den vom Bund belegten Kasernengebäuden, in denen Studierenden der Bundeswehr untergebracht sind: Diese bleiben vorerst bis 2028 vor Ort, dann möchte das Land die Häuser nutzen.

Areal der Tompkins Barracks Schwetzingen: „Wollen keine Logistiklager“

Die Stadt Schwetzingen plant östlich der Gebäude, in denen Asylbewerber untergebracht sind, die Entwicklung eines „modernen, nachhaltigen und zukunftsorientierten Gewerbegebiets von 16,3 Hektar“. Hier gibt es noch keine konkreten Ideen in Bezug auf Gewerbeansiedlungen. Pöltl und auch Wolfgang Leberecht vom Amt für Wirtschaftsförderung schweben hier eher „Kleinteiligkeit und Vielfältigkeit“ vor, also Möglichkeiten, um „attraktive Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen“.

In der Absichtserklärung heißt es: „Die künftigen Ansiedlungsvorhaben sollen höherwertige Gewerbeeinheiten im Bereich Büro, Forschung/Wissenschaft sowie nachfrageorientierter Dienstleistungen umfassen.“ Pöltl stellte klar: „Wir wollen keine Logistiklager.“ Die Stadt hat durch das bestehende kommunale Erstzugriffsrecht die Option auf den Erwerb der Flächen und sieht dieses als „hervorragende Möglichkeit für die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Schwetzingen“. Zur Sicherung der Option auf den Erstzugriff wird die Verwaltung beauftragt, die dazu erforderliche Zweckerklärung für die Flächen des späteren Gewerbegebiets vorzubereiten. Dies beinhaltet jedoch noch nicht den endgültigen Kauf der Flächen.

Areal der Tompkins Barracks Schwetzingen: Freifläche für Photovoltaik-Anlage

Auf den südöstlichen Teilflächen (0,9 Hektar) bleibt die BImA Eigentümerin. In den Gebäuden neben der Kirche soll das das Technische Hilfswerk (THW) einen Standort bekommen. Hier laufen bereits die Planungen, schon nächstes Jahr könnte das THW hier seine Zelte aufschlagen, erläuterte Susanne Dübon, Leiterin der Hauptstelle Portfoliomanagement bei der BImA. Übrigens: Auch hier werden die bestehenden Gebäude genutzt und für die notwendigen Zwecke im Zeichen des Denkmalschutzes angepasst.

Am Tisch: Marco Grübbel, Leiter des Amtes Mannheim und Heidelberg des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg (v. l.), Schwetzingens Oberbürgermeister Dr. René Pöltl und Michael Scharf, Projektleiter der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), unterzeichnen den „Letter of Intent“ (Absichtserklärung) für die künftige Entwicklung der Schwetzinger Kasernenflächen. Im Hintergrund weitere Mitwirkende des Großprojekts: Norbert Baro (BImA, v.l.), Andreas Jacob (Planungsbüro FIRU mbH), Markus Rothfuß (Regierungspräsidium Karlsruhe), Ramon Eck und Wolfgang Leberecht (beide vom Amt für Stadtentwicklung Schwetzingen), Dr. Johann-Christoph Woltag (Land), Susanne Dübon (BImA), Yesim Özcelik (BImA), Martina Block (BImA) und Schwetzingens Bürgermeister Matthias Steffan. © Bauroth

Spannend sind die Ideen für den nördlichen Teilbereich: Hier bleibt die BImA ebenfalls Eigentümerin. Sie möchte die 6,2 Hektar als Standort für erneuerbare Energien verpachten. Michael Scharf, Projektleiter der BImA, freue sich, auf diesem Weg aktiv zur Realisierung klimafreundlichen und nachhaltigen Energieversorgung in Deutschland beitragen zu können: „Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat die Entwicklung der Konversionsflächen in Schwetzingen schon viele Jahre begleitet. Die Planungen für die zukünftigen Nutzungen haben inzwischen eine Umorientierung erfahren. Wir nehmen diese Änderungen positiv auf und wollen zusammen mit allen Beteiligten für eine erfolgreiche Umsetzung des Projekts sorgen.“ Vorgesehen ist eine Freiflächenphotovoltaik-Anlage. Die gewonnene Energie soll im Plangebiet genutzt werden können vor. Laut Absichtserklärung hat die Entwicklung der „Sonderfläche Energie erhöhte Priorität, um die Entwicklung in Anbetracht der aktuellen weltpolitischen sowie klimatischen Lage zu beschleunigen“.

Marco Grübbel, Leiter des Amtes Mannheim und Heidelberg des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg (v. l.), Schwetzingens Oberbürgermeister Dr. René Pöltl und Michael Scharf, Projektleiter der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), unterzeichnen den "Letter of Intent" (Absichtserklärung). © Bauroth

Auch als Geothermie-Standort sind die Flächen der Kilbourne Kaserne oder Tompkins Barracks denkbar. „Das liegt jedoch nicht in unserer Hand“, machte OB Pöltl deutlich, „hier ist die Firma Geohardt am Zuge“. Diese prüft gerade durch 3-D-Seismik mögliche Standorte in der Region. Im ersten oder zweiten Quartal dieses Jahres sollen diese Messungen abgeschlossen werden (wir berichteten).

Ebenfalls soll ein möglicher Standort für die Einrichtung eines Salzlagers für den Straßenwinterdienst zusammen mit dem Eigenbetrieb Bau und Vermögen des Rhein-Neckar-Kreises gefunden werden. Und es wird geprüft, ob die Hundestaffel der Polizei einen Platz vor Ort bekommt.

Areal der Tompkins Barracks Schwetzingen: Natur- und Artenschutz im Blick

Die Gebäude der Kilbourne-Kaserne werden zurückgebaut. Die Stadt behält sich eine Prüfung, inwiefern die dortigen Flächenanteile für künftige Ausgleichsmaßnahmen genutzt werden können, vor. De facto soll das Areal einen Nachhaltigkeitsbeitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, indem die Flächen dem Dossenwald und damit der Stiftung „Nationales Naturerbe“ des Naturschutz- Bundesverbands übertragen wird. „Bei der Entwicklung des Areals sollen alle Natur- und Artenschutzmaßnahmen auf den bezeichneten Flächen kooperativ gelöst werden“, heißt es in der Absichtserklärung. Und: „Der Weg westlich des Dossenwaldes hin zur S-Bahn-Haltestelle Hirschacker soll in das Eigentum der Stadt übergehen, um die Instandhaltung zu erleichtern und dauerhaft zu gewährleisten. Eine notwendige Vermessung erfolgt seitens der BImA, das bilaterale Verkaufsgespräch soll folgen.“

Areal der Tompkins Barracks Schwetzingen: Die nächsten Schritte

Auf Grundlage dieses Nutzungskonzepts wird die Stadt mit BImA und Land einen städtebaulichen Wettbewerb in Form einer Mehrfachbeauftragung vorbereiten. Hierbei soll keine isolierte Betrachtung der Teilbereiche erfolgen, die Konzeption soll die Liegenschaft im Gesamten sowie mögliche Vernetzungen betrachten, heißt es. Die Ergebnisse dieser Mehrfachbeauftragung bilden dann die Grundlage für ein abschließendes Bebauungsplanverfahren. Auch hier werden die Kosten für die Mehrfachbeauftragung und die Planungsleistungen des Büros FIRU mbH zu gleichen Teilen von Stadt, Land und BImA getragen. Es ist eine Kostenobergrenze von insgesamt 140 000 Euro vorgesehen.

„Mit der heutigen Vereinbarung geben wir mit unseren Partnern von Bund und Land den Startschuss, dass ein neues Innovationsquartier in der Metropolregion Rhein-Neckar entsteht. Künftig werden auf der ehemaligen Militärfläche die Themen Mensch, Natur, Energie, Gewerbe und öffentliche Einrichtungen im Mittelpunkt stehen. Mein Dank gilt neben den Projektpartnern auch dem Gemeinderat, der das Projekt wohlwollend und aktiv begleitet“, so Oberbürgermeister Pöltl. Und damit machte er auch klar, dass nicht nur er und Bürgermeister Steffan „Glückspilze“ sind, sondern letztlich die Stadt und ihre Bürger sowie die gesamte Region von diesem großen Schritt profitiere.

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung