Woche der seelischen Gesundheit

Psychische Erkrankungen sichtbar machen

Beim Abschluss der Woche zur seelischen Gesundheit betont das Bündnis Gemeindepsychiatrisches Zentrum Schwetzingen die Bedeutung von Gemeinschaft im Kampf gegen Ängste und psychische Erkrankungen.

Von 
Noah Eschwey
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Belinda Gagliarde (vorne r.) überwindet ihre Angst und trägt ihren Text über einen Erkrankten gemeinsam mit Ulrika Müller-Sulzbach (vorne l.) vor. © Eschwey

Schwetzingen. „Angst betrifft nicht nur Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Für diese sind Ängste aber deutlich gesteigert“, erklärt die Referatsleiterin der Caritas, Katrin Dolle, beim Abschluss der Woche zur seelischen Gesundheit im Josefshaus in Schwetzingen. Der Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis beteiligte sich mit St. Thomas und das Zentrum für Psychische Gesundheit Schwetzingen (zfpG), die im Gemeindepsychiatrischen Zentrum zusammengeschlossen sind, an dieser bundesweiten Aktionswoche mit drei Aktionen (wir berichteten). Es ist das Thema „Angst“ stand dabei über allem. Doch am Abschlusstag wurde sie von etwas Größerem und Mächtigerem verdrängt. Die Rede ist von der Gemeinschaft, denn Diakon Michael Barth-Rabbel stellt diese in den Vordergrund des Gottesdienstes zum Einstieg.

Es sei zumindest ein bisschen Wahrheit in dem Sprichwort „geteiltes Leid ist halbes Leid“, findet die Referatsleiterin, die den Fokus ihrer Rede auf den Wert des Zusammenseins im Kampf gegen die Angst legt. So seien die Positionen in einer Gemeinschaft nicht festgesetzt, man könne sich fallen lassen, um von den anderen getragen zu werden. Eine wichtige Botschaft für Erkrankte, denn Angst mache egozentrisch und verhindere, dass der Betroffene die Gemeinschaft um ihn herum wahrnehme.

Katrin Dolle möchte mehr für psychische Krankheiten sensibilisieren. © Eschwey

Dass Angst für jeden Menschen eine erhebliche Rolle spielt und der Kampf gegen das Gefühl allgegenwärtig ist, könnte an diesem Tag nicht deutlicher sein. Eine Caritas-Mitarbeiterin geht, um das noch einmal zu beweisen, auf ihre eigene ein, wie Katrin Dolle ankündigt: „Sie hat schon letztes Jahr einen Text geschrieben, diesen aber nicht selbst vorgetragen. Heute überwindet Belinda Gagliarde ihre Angst und trägt ihren Text gemeinsam mit Ulrika Müller-Sulzbach vor. Es geht nämlich nicht darum, keine Angst zu haben. Es geht darum, sich von dieser nicht beherrschen zu lassen.“

Kontakt

  • Kontakt für Menschen, die psychosoziale Betreuung benötigen: Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis, Carl-Benz-Straße 3, 68723 Schwetzingen, Telefon 06202/93 14 26, www.caritas-rhein-neckar.de
  • Die bundesweite Telefonseelsorge ist 24 Stunden kostenlos erreichbar unter der Nummer 0800/1 11 01 11.

Der Text, den Gagliarde vorbereitet hatte, handelt von einem Mann, der sich mit der eigenen Psyche auseinandersetzt. Ein Erwachsener, der sich aus Unwissenheit mit seinen Ängsten identifiziert. Jemand, der versucht, das Gefühl von innerer Leere mit Liebe zu füllen, aber nicht versteht, dass er lernen muss, sich selbst zu lieben, bevor er bedingungslose Liebe empfangen kann. „Niemand kann unseren Weg gehen, doch wir können uns gegenseitig dabei unterstützen“, differenziert Gagliarde am Ende ihrer aussagekräftigen Geschichte, in der sich wohl jeder ein bisschen wiederfinden kann.

Ein Betroffener in Schwetzingen berichtet

Für die musikalische Begleitung sorgte die Tagesstättenband der Caritas. Als Einstieg wählten die Musiker passend zum schönen Herbstwetter das Lied „Summertime“. Anstatt der traditionellen Kunstausstellung entschieden sich die Verantwortlichen für ein gemeinsames Gemälde der Welt von Morgen, an der jeder Besucher seine Wünsche für die Zukunft befestigen konnte.

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„Das Schlimmste ist die Angst vor der Angst“, findet der Betroffene Mike Winninger und begründet: „Angst hat eigentlich eine Schutzfunktion, mit einer psychischen Krankheit verliert man allerdings oft die Relation. Man hat vor allem Angst und am meisten vor der Angst selbst. Eine Negativspirale, denn wenn man sich die Angst herbeiwünscht, dann kommt sie auch.“ Winninger, der seit seiner Jugend mit Depressionen zu kämpfen hat, weiß aber auch: „Man kann dagegen vorgehen. Deshalb ist diese Woche auch so wichtig, denn das schärfste Schwert ist das Wissen. Wenn man weiß, wie psychische Erkrankungen funktionieren, kann man lernen sie zu akzeptieren. Die Akzeptanz ist dann der erste Schritt, um gegen die Krankheit kämpfen zu können.“

Gemeinsame Kunst: Eine Welt, an der jeder seine Wünsche heften kann. © Eschwey

Winninger selbst habe einen Weg gefunden, um mit seiner Erkrankung umzugehen: „Es wurde besser, als mir Ärzte Krebs diagnostizieren. Der menschliche Überlebenswille in mir gewann gegen die suizidalen Gedanken der Depression. Spätestens nach meiner Hirnoperation, bei der Metastasen entfernt wurden, ging es mir spürbar besser. Depressionen hängen eng mit der Biochemie des Gehirns zusammen, vermutlich hat sich durch die Operationen viel in meiner Gehirnstruktur verändert“, spricht der 60-Jährige ganz offen. Und er erklärt, dass es zwei Gruppen in der Gesellschaft gebe, für die Aufklärung besonders wichtig sei: „Die, die psychisch leiden, aber die ihren Zustand nicht verstehen und daher nicht wissen, dass sie Hilfe brauchen. Dann gibt es noch die, die schon irgendwie wissen, dass sie krank sind, es sich aber nicht eingestehen. Beide Gruppen brauchen Aufklärung, um gegen ihre Hilflosigkeit anzukommen.“

Zufriedenes Fazit zur Woche der seelischen Gesundheit in Schwetzingen

Das Bündnis Gemeindepsychiatrisches Zentrum Schwetzingen zeigt sich zufrieden mit der Aktionswoche: „Es gab viele Besucher der Veranstaltungen“, erklärt Dolle stellvertretend und fügt hinzu: „Wir wollen weiter für die Endstigmatisierung psychischer Erkrankungen kämpfen. Unsere Aufgabe als starkes Bündnis in Schwetzingen bleibt es, die seelische Gesundheit in der Gesellschaft zu thematisieren und zu zeigen, dass es Hilfsangebote gibt.“

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