Schwetzingen
Aber darüber hinaus macht St.-Thomas-Mitarbeiterin Jessica Bernhauer klar: „Wir beteiligen uns an der Woche der seelischen Gesundheit, um der Stigmatisierung in der Bevölkerung entgegenzuwirken. Dafür ist es wichtig, dass die Gesellschaft mit den Betroffenen in persönlichen Kontakt tritt.“ Deshalb öffnete St. Thomas am Montag seine Türen für Interessierte und bot eine Schnitzeljagd, ein Theaterstück, eine Kunstausstellung sowie eine Führung durch die Therapieräume an. „Viele unserer Bewohner leiden unter Schizophrenie. Das hängt oft eng zusammen mit der Angst, verfolgt zu werden, und der Angst vor der Umgebung. Aber ich persönlich sehe auch die Angst der Bevölkerung vor der Erkrankung und den Erkrankten im Vordergrund. Dagegen möchten wir vorgehen“, bekräftigt Jessica Bernhauer in Bezug auf das Aktionswochenangebot in der Karlsruher Straße 48.
Verschiedene Therapieangebote
St. Thomas betreibt ein professionell betreutes Zuhause für psychisch erkrankte Menschen unter dem Motto „Psychiatrie Mitten im Leben“. Im Vordergrund des Vereins, der unter anderem weitere Niederlassungen in Heidelberg und Graben-Neudorf führt, steht die Eingliederung der Bewohner in einen geregelten Alltag.
Hintergrund
- Der Welttag der seelischen Gesundheit wurde 1992 von der World Federation for Mental Health (WFMH) ins Leben gerufen.
- Er findet jährlich am 10. Oktober statt, um auf die Belange von psychisch erkrankten Menschen aufmerksam zu machen.
- Es werden unterschiedliche Perspektiven der seelischen Gesundheit betrachtet mit dem Ziel, über psychische Krankheiten aufzuklären, Hilfs- und Therapieangebote aufzuzeigen und Vorurteile abzubauen.
Am Standort in Schwetzingen können die Bewohner das Stadtleben genießen und mit Arbeits- und Beschäftigungstherapie an der Wiederherstellung ihrer Tagesstruktur arbeiten. Bei der Beschäftigungstherapie, die vergleichbar mit einer Ergotherapie ist, lernen die Frauen und Männer, ihre Konzentrationsfähigkeit zurückzugewinnen. Mit der Durchführung handwerklicher Projekte kann den Erkrankten gezeigt werden, dass die kognitiven Fähigkeiten, die durch eine psychische Erkrankung nur noch eingeschränkt nutzbar sind, wiederkehren können.
Besonders beliebt ist bei St.-Thomas-Bewohnern die Arbeitstherapie, bei der sie sich durch Lohnbeschäftigungsarbeiten für Unternehmen ein wenig Geld dazuverdienen können. Des Weiteren bietet der Verein Musik- und Kunsttherapien an wie auch Inklusionsprojekte zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft.
Bewegendes Theaterstück
Zum Auftakt der Woche der seelischen Gesundheit haben die Bewohner unter Anleitung ein großes Angebot im kleinen Foyer geschaffen: Im hinteren Bereich der Eingangshalle präsentiert der hauseigene Künstler Helmut seine Gemälde. Hierbei handelt es sich um abstrakte Werke, hergestellt mit vielseitigen Techniken.
Der technisch versierte David hat zur Entdeckung des Gebäudes eine besondere Schnitzeljagd organisiert – mit einer App namens Aero können die Besucher über einen QR-Code das Gebäude erkunden. „Dazu benutzt die App die Smartphonekamera. Es wird ein virtueller Raum erzeugt, der Gegenstände im Gebäude anzeigt“, erklärt der Hobby-Entwickler.
Thomas und Claudias Talente liegen eher im schauspielerischen Bereich. Mit einem Bühnenstück, das Claudia Freiberger in der Theatergruppe mit den Freiwilligen einstudierte, möchten die Bühnenakteure ein Statement zum Wochenthema „Angst“ setzen. Die Aufführung handelt von einer Schmetterlingsraupe, die nicht essen möchte aus Angst, sich zu verwandeln und fliegen zu müssen. Als die Raupe sich dann unausweichlich doch zum Schmetterling entwickelt, stellt sie fest, dass das Fliegen ihre Passion ist. Im Chor beenden die Schauspieler das Stück: „Jeder kann seine Angst überwinden, denn gemeinsam sind wir stark.“
Die Woche zur seelischen Gesundheit möchten die Initiatoren nutzen, um aufzuzeigen, dass psychische Erkrankungen vielseitig sind und jeden treffen können. Die Öffentlichkeitsarbeit gestalte sich allerdings häufig als kompliziert, da die Bewohner sich wegen schlechter Erfahrung nur gehemmt in der Gesellschaft präsentieren wollten, verdeutlicht Claudia Freiberger von St. Thomas. Um den Umgang zu erleichtern, hat sich die Gemeinschaft eine untypische Idee überlegt: „Wir haben Hexenmasken gebastelt, um am Schwetzinger Faschingsumzug teilzunehmen“, berichtet die Standortleiterin und fügt hinzu: „Wir hoffen, dass es in diesem Kontext einfacher wird, mit den Menschen in Kontakt zu treten.“
„Ich möchte etwas sagen“, beginnt Schauspielerin Claudia gegenüber dieser Zeitung und erklärt, wie glücklich sie sei, in dem Gebäude ein Zuhause gefunden zu haben. Und ihr Bühnenkollege Thomas fügt hinzu: „Ich bin auch sehr froh, hier zu sein. Es ist das erste Heim, in dem ich mich wirklich wohlfühle.“
Zwei weitere Veranstaltungen
Es ist ein denkwürdiger Nachmittag, der dazu einlädt, sich tiefer mit den Erkrankungen der Psyche und denen, die darunter leiden, zu beschäftigen. Und das geht noch bei weiteren Veranstaltungen innerhalb der Woche der seelischen Gesundheit: An diesem Mittwoch, 11. Oktober, zeigt das Zentrum für Psychische Gesundheit Schwetzingen in Kooperation mit dem Kinoverein Ketsch um 19.30 Uhr den Film „Zusammen ist man weniger allein“ von Claude Berri im Central Kino in Ketsch. Der Einlass ist um 19 Uhr. Anschließend laden die leitende Ärztin Dr. Susanne Brose-Mechler, die Pflegerische Stationsleiterin Marion Ruffler und Sozialpädagogin Silke Brat-Reimann vom zfpG zu einem Austausch ein.
Zum Abschluss der Aktionswoche findet am Freitag, 13. Oktober, um 11 Uhr in der St.-Pankratius-Kirche Schwetzingen ein Gottesdienst statt, der den Wert der Gemeinschaft in schwierigen Zeiten thematisiert. Anschließend lädt der Caritasverband für den Rhein-Neckar-Kreis zu einem Mittagstisch im Josefshaus mit musikalischer Begleitung und einer gemeinsamen Kunstaktion ein. Serviert wird Kartoffelsuppe mit Dampfnudeln. Um Anmeldung für den Mittagstisch unter 06202/9314-47 oder per E-Mail an tagesstruktur@caritas-rhein-neckar.de wird gebeten. Zu den Veranstaltungen sind alle Interessierten willkommen.
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