Kleine Planken

"Schwetzingen zeigt Farbe": Demonstration gegen Rechts und für Demokratie

In Schwetzingen versammelten sich über 800 Bürger für eine Kundgebung gegen Rechtsextremismus und für Demokratie, Vielfalt und Menschenrechte. Zwölf Redner betonten die Wichtigkeit der Einigkeit im Kampf gegen Rechtsextremismus.

Von 
Stefan Kern
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"Schwetzingen zeigt Farbe" – viele sind zur Demo gegen Rechts und für die Demokratie auf den Kleinen Planken gekommen. © Dorothea Lenhardt

Schwetzingen. Manchmal bekommt man in Deutschland das Gefühl, dass der Meinungsraum zwischen den Menschen gewachsen ist. Überall tun sich rund um Klima, Geflüchtete, Russland und die Ukraine, Israel und die Terrortruppe der Hamas in Gaza, die Ampel-Regierung, Energieversorgung, Mobilität oder den Umgang mit der AfD vermeintlich Spalten auf. Dass diese Allgemeinplatz-Analyse so nicht ganz stimmt, machten schon die Soziologen Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westhäuser in ihrem neuen Buch „Triggerpunkte“ unlängst klar.

Laut den Veranstaltern ist die angekündigte Teilnehmerzahl von 500 weit übertroffen worden. © Dorothea Lenhardt

Aber auch am Wochenende in Schwetzingen konnte man den Eindruck gewinnen, dass es über die zahlreich divergierenden Meinungen doch einen breit aufgestellten Konsens gibt. Am alles überragenden Wert von Freiheit und Demokratie ließ jedenfalls keiner der 800 Teilnehmer an der Kundgebung für Demokratie, Vielfalt und Menschenrechte auch nur den geringsten Zweifel aufkommen. Genau wie niemand daran zweifelte, von wem derzeit die größte Gefahr für dieses Triptychon ausgeht: dem Rechtsextremismus und seiner politischen Ausformung, der AfD.

Demo gegen Rechts: "Nazis sind ekelhAfD"

Angefangen bei den Schildern, die auf den Kleinen Planken am Samstag trotzig gen Himmel gestreckt wurden: Von „FCK AfD“ und „Nazis sind ekelhAfD“ über die Ersetzung des A’s bei AfD durch einen wohlgeformten Kackhaufen bis hin zu „Was ist eine Blondine zwischen zwei AfD’lern – nicht die Dümmste“ oder „Wenn die AFD die Antwort sein soll, wie dumm war dann die Frage“ war der Tenor so einhellig wie selten. Jutta Müller, die bereits ihre vierte Demo gegen Rechtsextremismus hinter sich hat, machte dieser Anblick glücklich. Ihr sei es ein tiefes inneres Bedürfnis für die Demokratie laut zu sein: „Und dass das anscheinend vielen so geht beruhigt mich sehr.“

Nurcan Karakas vom Asylkreis Oftersheim gibt ebenfalls einen Denkanstoß. © Dorothea Lenhardt

Eine Sicht, die auch die Redner zu teilen schienen. „Wir alle“, so der Mitinitiator der Kundgebung, Florian Reck, seien dafür verantwortlich, dass die Extremisten keinen Boden gut machten. Gerade die Deutschen hätten ja erlebt, dass sich Extremisten nicht einhegen lassen. Das Ziel der Konservativen in der Weimarer Republik, die Nationalsozialisten unter Hitler einzuhegen, ging gründlich schief. Erstaunlich sei, dass Rechtsextremisten immer gleich vorgingen und es immer noch funktioniere. Die Frontbildung verläuft immer entlang einer korrupten Elite gegen das reine Volk. Und wie immer brauche es einen Führer, der diesen reinen Volkskörper befreie. Klar, dass dabei alles rausfliegt, was nicht passt. Bedeutet für ihn am Ende, frei nach Benjamin Franklin, einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten, wenn wir jetzt nicht zusammenhalten, hängen wir am Ende einzeln.

Demo gegen Rechts: „Sei ein Mensch“

Bürgermeister Matthias Steffan sieht diese Gefahr ebenso. Freiheit sterbe zentimeterweise und deshalb sei es so wichtig, früh dagegen aufzubegehren. Erich Kästners Bild vom Schneeball, der zertreten werden muss, bevor er zur Lawine wird, trifft es genau. Oder anders gesagt: Was 1933 geschah, hätte 1928 bekämpft werden müssen. Und deswegen trifft dieses „Nie-wieder-ist-jetzt“ ziemlich genau zu.

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Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Stephanie Aeffner, stellte ihre Rede unter die so schlichte Formel: „Sei ein Mensch“. Eine scheinbare Selbstverständlichkeit, die sie als Mensch mit Behinderung bei ihren Kollegen der AfD nicht finden kann. Und deshalb machte sich Nurcan Karakas von Oftersheimer Asylkreis auch Sorgen. Vor sieben Jahren sei sie mit ihrer Familie aus der Türkei nach Deutschland gekommen: „Der Anfang war schwer.“ Doch sie erlebte Hilfsbereitschaft und heute haben zwei Söhne das Abitur und der jüngste komme gerade auf das Gymnasium. Eine Erfolgsgeschichte für sie und das Land. Und so sei es kaum zu fassen, dass Rechtsextreme genau das nun in Frage stellen. Zum Glück gebe es diesen Moment: „Das hier zu sehen, macht glücklich.“

Demo gegen Rechts: "Es gibt einfach keine einfachen Lösungen"

Eine Sicht, die die Politiker Jens Brandenburg (FDP-Bundestagsabgeordneter), Dr. Andre Baumann (Staatssekretär der Grünen in Stuttgart), Daniel Born (Vizepräsident des baden-württembergischen Landtages) und Andreas Sturm (CDU-Landtagsabgeordneter) teilten. So verlockend es sei, so Brandenburg, „es gibt einfach keine einfachen Lösungen“. Demokratien seien stark, weil es Vielfalt gibt. Frei nach dem früheren deutschen Bundespräsidenten Walter Scheel gilt: „Die Demokratie ist nicht zuletzt deshalb die beste Staatsform, weil sie sich ihre eigenen Mängel eingesteht“. Wofür, so Baumann, die Freiheit die unerlässliche Voraussetzung sei. Und genau diese bedrohe die AfD.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Brandenburg spricht ebenfalls zu den Teilnehmenden. © Dorothea Lenhardt

Eine Sicht, die die Landtagskollegen Born und Sturm offensiv teilten. Nie wieder, so Born, bedeute „wehret den Anfängen“. Und diese Anfänge sind jetzt. Sturm erinnerte an das Schicksal Alexej Nawalnys. Sein Tod würde uns den großen Wert der Freiheit und der Demokratie einmal mehr vor Augen führen.

Demo gegen Rechts: Gemeinsam gegen Angst

Bevor Patrick Alberti vom Dorfpride-Bündnis, An Ngo von Fridays for Future, Elke Messer-Schillinger von der Initiative AfD-Watch Heidelberg und Pfarrerin Dr. Franziska Beetschen das Mikrofon übernahmen, rockte die Punkrock-Band „Cannibal-Rats“ mit dem Ärzte-Lied „Schrei nach Liebe“ das Publikum. Ein cooler Song, der aus der Kundgebung kurz eine Party machte. Dabei sei eine Party dann gut, wenn sie laut und bunt sei. Was in den Augen Albertis genau das ist, was die AfD zerstören will. Ihr Instrument dafür ist die Angst und diese könne am besten gemeinsam bewältigt werden. Wo keine Angst, da sei auch keine AfD. Und dafür gelte es, mit aller Härte zu kämpfen, so sagt es Ngo.

Auch die Kirchen lassen es sich nicht nehmen, Stellung zu beziehen. Hier Uwe Lüttinger, Dr. Franziska Beetschen, Christiane Banse und Steffen Groß. © Dorothea Lenhardt

Worte, die Messer-Schillinger, gerne hörte. Die AfD zersetze den Diskurs und zerstöre Zukunft. Und zwar immer genau da, wo man ihr Raum lässt. Heißt, man darf ihr nirgends Raum lassen. Nicht im Verein, nicht im Job und nicht in der Familie. Ganz ähnlich die Pfarrerin, die betonte, dass es nicht genüge, Demokratie zu haben, sie müsse gelebt werden. Das sei manchmal anstrengend, „aber es ist auch schön“ und bestärke die christliche Verheißung von einer Welt ohne Leid und Gewalt. Genau wie das Lied „Imagine“ von John Lennon, das zum Schluss von allen gemeinsam gesungen wurde.

Klar ist die Welt nun keine andere. Aber diese zwei Stunden markierten doch einen Unterschied und zeigten mindestens einen Weg auf, wie die Welt zu einem besseren Ort werden könnte. Nicht wenig in diesen aufwühlenden Zeiten.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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