Diesen Samstag

Deshalb ist die Demonstration in Schwetzingen gegen Rechts so wichtig

Im exklusiven Gespräch mit den Initiatoren der Demonstration „Schwetzingen zeigt Farbe“ an diesem Samstag, 17. Februar, in Schwetzingen zeigen die Initiatoren auf, warum der Kampf für die Demokratie gerade jetzt so wichtig ist.

Von 
Stefan Kern
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Die Demonstration „Schwetzingen zeigt Farbe“ findet an diesem Samstag, 17. Februar, statt. © Khaled Daoud

Überall in der Region gehen Menschen für die Demokratie auf die Straße und stemmen sich so gegen deren Gegner von der AfD und Rechtsextremismus. Hinter der Demo in Schwetzingen an diesem Samstag steht ein Team, zu dem Florian B. Reck gehört. Stellvertretend für den Organisationstrupp sprechen wir mit ihm.

Warum diese Demonstration jetzt?

Florian B. Reck: Weil viele Menschen derzeit große Sorge um das demokratische Miteinander einerseits und um ihr eigenes Wohl und das Wohl ihrer Liebsten andererseits haben. Weil in Deutschland Menschen auf gepackten Koffern sitzen, die nicht wissen, ob sie mehr Angst vor marodierenden Hamas-Unterstützern auf den Straßen oder vor den Deportationsfantasien der rechtsextremistischen AfD haben müssen. Weil es unter uns Menschen gibt, die sich fragen: „Wenn hier die Hütte abbrennt, wohin gehe ich dann?“ Und weil wir allen Menschen, Betroffenen und nicht Betroffenen die Gelegenheit geben wollen, sich gegenseitig den Rücken zu stärken. Die letzten Wochen haben gezeigt, viele Menschen haben mehr denn je das Bedürfnis, Haltung zu zeigen. Dementsprechend kam der Anstoß zu der Demo ja, wie an so vielen Orten, aus der Bevölkerung: Ulrike Kirchner wandte sich an Mitinitiator Patrick Alberti, der wandte sich an Vanessa Seidel und mich – und zack, war das Team gebildet. Wir geben den Menschen in und um Schwetzingen die Gelegenheit, sich öffentlich zur demokratischen Vielfaltsgesellschaft zu bekennen.

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Und warum ist sie in Ihren Augen gerade gegenwärtig so wichtig?

Reck: Rechtsradikale kommen nur selten ohne Unterstützung aus dem bürgerlichen oder liberalen Lager an die Macht. Die AfD ist eine zutiefst unappetitliche, rechtspopulistische, rassistische, frauenfeindliche, homophobe und in Teilen faschistische Partei, aber solange niemand mit ihr zusammenarbeitet, ist die Gefahr, die von ihr ausgeht, eine andere, als wenn wir befürchten müssen, dass Konservative sich in Stellung bringen, mit der AfD zu koalieren. Die große Gefahr, die bisher – und auch weiterhin – von der AfD ausgeht, betrifft auf der einen Seite vor allem die Verschiebung von Diskursen: Tabus werden gebrochen, was nicht sagbar war, wird sagbar. Darüber hinaus führen diese ständigen Tabubrüche auch dazu, dass sich potenzielle rechtsextremistische Gewalttäter ermutigt fühlen – wie vor fast genau vier Jahren der Attentäter von Hanau. Mit Vorstößen insbesondere konservativer Politiker, mit der AfD – ausgerechnet in deren Kernthema, der Migrationsfrage – zu kooperieren, deutet sich aber eine ganz andere Gefahr an: Die AfD könnte tatsächlich Teil einer Koalitionsregierung werden. Wenn sogenannte Christdemokraten, mit AfDlern, Aktivisten der Identitären Bewegung und anderen Faschisten zusammensitzen, um sich in gemütlicher Atmosphäre deren Deportationsfantasien anzuhören, dann wird diese Gefahr greifbar. Franz von Papen glaubte, Rechtsextremisten einhegen und kontrollieren zu können. Wie wir aus heutiger Perspektive wissen, war das ein fataler Irrtum und führte die erste deutsche Republik in die Katastrophe. Wir müssen verhindern, dass Konservative einen ähnlichen Fehler noch mal machen. Glücklicherweise haben das auch die allermeisten Christdemokraten erkannt. Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass die CDU sich an unserer Demonstration beteiligt. Mahnen und Warnen sind das eine - aber man muss den Leuten dann auch die Möglichkeit geben, das Richtige zu tun!

Wie gefährlich ist der Rechtsradikalismus aktuell?

Reck: Ich tue mich schwer mit dem Begriff „Rechtsradikalismus“. Wie Hannah Arendt schrieb, ist „das Böse“ niemals radikal, es geht niemals an die Wurzel eines Problems, sondern immer nur extrem. Schon deshalb bevorzuge ich, trotz aller Eingrenzungsprobleme, den Begriff „Rechtsextremismus“. Und diesen halte ich – insbesondere in seiner rechtspopulistischen Erscheinungsform – für eine der zentralen Gefahren für die demokratische Vielfaltsgesellschaft. Zu keinem Zeitpunkt seit 1945 war die Chance, dass eine rechtsextremistische Partei an der Regierung beteiligt wird, so groß wie heute. Für viele emanzipative Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte würde diese Entwicklung das Ende bedeuten, denn im Gegensatz zu Demokraten müssen Extremisten nur eine einzige Wahl gewinnen. Gleichzeitig möchte ich aber auch auf eine andere Form des Rechtsextremismus verweisen, an die man vielleicht gar nicht denkt, wenn man „gegen rechts“ hört: islamistischer Extremismus. Gerade die Eskalation des Gaza-Konflikts infolge des Hamas-Terrors hat einmal mehr gezeigt, welches große Potenzial an islamistischem Extremismus in Deutschland besteht.

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Überall auf der Welt scheinen Rechtspopulisten auf dem Vormarsch zu sein. Wie erklären Sie sich deren wachsende Wirksamkeit?

Reck: In der Regimeforschung wird von der dritten Autokratisierungswelle gesprochen. Schaut man sich Indizes zur Messung von Demokratiequalität an, so stellt man fest, dass die Demokratiequalität in den meisten Demokratien abnimmt und dass mittlerweile wieder mehr Demokratien zu Autokratien verfallen als umgekehrt. Oft sind an diesen Entwicklungen Rechtspopulisten beteiligt. Das ist erst mal eine empirische Feststellung. Wie sie zu erklären ist, darüber scheiden sich – wie so oft in den Sozialwissenschaften – die Geister: manche Forscher sehen einen quasi-natürlichen Backlash gegen eine zunehmende Liberalisierung – das ist mir allerdings eine zu bequeme Erklärung. Meines Erachtens spielen Medien und Netzwerke eine wichtige Rolle: Die extreme Rechte hat vor allem die sozialen Medien verstanden – und sie ist hochgradig vernetzt. Liest man die Strategiepapiere von Götz Kubitschek, dem völkischen Stichwortgeber etwa eines Björn Höcke, so wird außerdem klar, dass Rechtsextremisten verstanden haben, dass sie mit ihren Themen in Kultur, Gesellschaft und Diskursen präsent und normalisiert sein müssen. Der Erfolg dieser Idee der kulturellen Hegemonie, die sich Kubitschek ironischerweise bei Antonio Gramcsi, einem italienischen Antifaschisten und Sozialisten abgeschrieben hat, wird insbesondere beim komplexen Migrationsthema deutlich: Über Migration wird mittlerweile auch außerhalb der extremen Rechten fast nur noch als „Problem“ gesprochen.

Ausgehend von der Analyse, dass die Lösungsvorschläge von Populisten extrem unterkomplex sind und ihre Expertise augenscheinlich schwach ist – könnte es sein, dass der liberale und vernünftige Teil der Gesellschaft auf vielleicht verschlungenen Pfaden mit dazu beiträgt, dass die Rechten stärker werden – auch wir also Fehler machen und ein Blick in den Spiegel angezeigt scheint?

Reck: Ja und Ja. Demokratisches Regieren bedeutet häufig „Trial and Error“, bedeutet aber auch Fehleranalyse und Evaluierung – langfristig liefern liberale Demokratien daher tendenziell bessere Politikergebnisse. Kurzfristig kann es aber bedeutende Rückschläge geben, wenn allzu ambitionierte „Experimente“ durchgeführt werden. Solche Rückschläge sind für Populisten natürlich gefundenes Fressen.

Und was glauben Sie, welche Fehler würde der Spiegel offenbaren?

Reck: Ich würde manchmal eine gewisse Überheblichkeit von Teilen der Politik (über alle Parteigrenzen hinweg) und einen groben Mangel an Selbstreflexion und Bereitschaft zur Selbstkritik attestieren – manchmal übrigens auch mir. Politik von oben herab, macht es Populisten leicht, ihr Lieblingslied von der abgehobenen Elite zu singen. Manchmal haben wir vielleicht auch zu viel auf einmal von den Menschen verlangt, die sich nicht tagtäglich mit den „großen“ gesamtgesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen können. Auf der anderen Seite knickt dann die Politik aber auch allzu oft vor den Rechten ein – oder man fasst kontroverse Fragen gar nicht erst an – aus Angst vor dem Backlash. So verliert man dann die Menschen auf allen Seiten des Problems.

Welche Instrumente haben Demokraten noch in der Hand, um rechtsradikale Populisten aufzuhalten?

Reck: Das Wichtigste ist Aufklärung. Ich würde allerdings auch empfehlen, den Populisten den Nährboden zu entziehen: Mit mehr radikaler Transparenz und Bürgerbeteiligung bei allen wichtigen Entscheidungen auf allen Ebenen hätten wir zum Beispiel die Möglichkeit, die Legende von der abgehobenen politischen Elite zu zerstreuen. Gerade kontroversen Fragen sollten wir nicht aus dem Weg gehen, sondern sie leidenschaftlich und in ihrer ganzen Kontroversität debattieren. Menschen, die das Gefühl haben, dass ihre Stimme Gehör und Wirkmacht besitzt, wird diese Stimme – und damit die Demokratie – viel leidenschaftlicher verteidigen als jemand, der keine Beziehung zu unserer Demokratie hat.

Was sind für Sie die Fundamente einer anständigen Gesellschaft, die es zu verteidigen gilt?

Reck: Freiheit, nicht als absoluter Zustand, sondern als dauerhafter Prozess des Lernens; Pluralismus, nicht als vorgeschobener Wert, sondern als gelebter Vielklang der Stimmen und echtes Ringen um die besten Ideen; und Solidarität. Letzteres kommt aber vielleicht manchmal ein bisschen zu kurz – und daran könnten wir alle arbeiten. Das Potenzial dazu steckt in uns und in unserer Demokratie – gerade deshalb gilt es, sie zu verteidigen: Weil wir noch nicht fertig mit ihr sind – und sie noch nicht fertig mit uns!

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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