Zur Demo in Schwetzingen: Vorsicht vor der Wohlfühlblase

Stefan Kern fordert einen Dialog und einen respektvollen Umgang miteinander.

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Stefan Kern
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Unser Freier Mitarbeiter Stefan Kern. © Kern

Die Kundgebung auf den Kleinen Planken für Demokratie, Vielfalt und Menschenrechte beschreibt wie alle Demonstrationen in diesem Kontext eine kleine demokratische Sternstunde. Die Demokratie lebt vom Einsatz der Bürger. Eine Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Republik lautet: Sie stirbt nicht wegen ihrer Feinde, sondern wegen zu vielen passiven Freunden. Aus dieser Perspektive ist das Aufbegehren der Bürger gegen Ausgrenzung und Diffamierung ein äußerst erfreuliches Signal.

Doch zugleich wohnt diesem Signal ein gefährlicher Moment inne. Denn das Aufbegehren kann zu Selbstgerechtigkeit und Arroganz verleiten. Schnell fühlen sie die, die da aufstehen, so dermaßen auf der moralisch richtigen Seite, dass der Strom des weitgreifenden politischen Diskurses versiegt. Der Kampf für die Demokratie, so formulierte es Bernd Ulrich in „Die Zeit“, könne nicht ausschließlich in der eigenen politisch-moralischen Komfortzone geführt werden. „Solange es nicht schmerzt, ist es kein Kampf.“ Und dieser Kampf setzt voraus, dass sich der liberale Teil der Gesellschaft ehrlich macht. Denn er ist ein bestimmender Faktor, der mit dazu beiträgt, dass die AfD stärker wird.

Auch wenn es unangenehm und anstrengend ist: Wir müssen im Gespräch bleiben, gerade und auch mit den Menschen, die die AfD tatsächlich für eine Alternative für Deutschland halten. Aufzeigen, was ein Austritt aus der EU für das exportorientierteste Land der Welt bedeuten würde. Oder en detail fragen, wie ein gelingendes Pflegesystem bei einer alternden Gesellschaft unter dem Eindruck einer millionenfachen Remigration verwirklicht werden soll. Und vor allem mit der Behauptung aufhören, dass alles so bleiben kann, wie es ist. Jeder weiß im Grunde, dass das so nicht stimmt. Nicht für unsere Kinder. Daraus entsteht eine Spannung, die das Kommunikationsschwungrad der AfD mit viel Energie versorgt. Ja, es erfordert einiges an diskursiver Schmerzresilienz.

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Aber Demokratie bedeutet auch immer, im Rahmen der Verfassung das Andere auszuhalten. Für mich niederschmetternd war ein Plakat, dass eine junge Frau in Schwetzingen hochhielt: „Tötet Nazis“. Oder eines mit dem Slogan „CDU halt’s Maul“. Wie eine bessere und vor allem anständigere Welt gelingt, ist auch dem Autor dieser Zeilen nicht in Gänze klar. Aber so gelingt sie auf keinen Fall.

Das absolut stärkste Fundament der Demokratie ist der Dialog. Und zwar der, der bei allen Differenzen möglichst mit Respekt geführt wird.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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