Schwetzingen. Um es gleich vorweg zu nehmen. Die Idee mit der kurfürstlichen Tafel zum Schwetzinger Herbst auf dem Schlossplatz war, so sagte es der 16-jährige Tim, „mega“. Und auch die sechsjährige Lucy fand den Schlossplatz ohne Autos toll. Es habe nur noch „eine richtig große Rutsche“ gefehlt. Es waren Einschätzungen, die so auch bei den Erwachsenen anzutreffen waren. Für Angelika Stripf war die Tafel genau in der Mitte des Platzes „einfach nur schön“. Das sei kurfürstliches Flair wie aus dem Bilderbuch. Schade sei nur, dass man den Platz morgen schon wieder mit Autos teilen müsse.
Andererseits offenbare diese Sperrung die Bedeutung des Kurfürsten Carl Theodor für Schwetzingen. Sie ist groß, bis heute, denn sie war nur möglich, so sagt es Oliver Engert, Geschäftsführer vom Stadtmarketing Schwetzingen (SMS), weil mit dem Herbst auch dessen 300. Geburtstag gefeiert wurde.
Bevor René Kolb alias Carl Theodor und seine Frau Elisabeth Auguste (Franziska Schulz) den Schwetzinger Herbst mit ihrer Anwesenheit ehrten, übernahmen die Pfarrer Steffen Groß (evangelisch), Uwe Lüttinger (katholisch), Georgios Basioudis (griechisch-orthodox) und Julia Wirth von der evangelischen Gemeinde am Schlossplatz beim ökumenischen Gottesdienst die Hoheit auf der Bühne. Gemeinsam und in Anlehnung an Carl Theodor vermaßen sie den Raum des Glaubens für Freiheit, Verantwortung und Trost. Die wichtigste Botschaft, die wohl auch Carl Theodor unterschrieben hätte: Freiheit ist nicht Beliebigkeit.
Ganz im Gegenteil. In Groß‘ Augen ist Freiheit ein Ausdruck der Verantwortung. Das eine gebe es nur mit dem anderen. Und auch wenn das anstrengend sei, genau dahingehend habe Jesus die Menschen befreit. Am Ende gelten für das religiöse Quartett die beiden Gedanken aus dem Evangelium nach Matthäus: „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan“ und „Was immer ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, tut auch ihr ihnen“.
Schlemmen als Maxime in der Innenstadt von Schwetzingen
Nach dem Gottesdienst unter freiem Himmel, der sich im schönsten Herbstkleid zeigte, übernahm der Moderator Sebastian Schuschu das Zepter auf der Bühne und kündigte den feierlichen Einzug des Kurfürsten samt Gattin und Hofstaat an. Gesäumt war der fürstliche Zug von der Schlossgarde der Stadt Mannheim –sehr eindrücklich, genau wie die spannende Inszenierung der Historie dieses Kurfürsten.
In wenigen Minuten malte Schuschu, unterstützt von dramatischer Musik, ein schillerndes Bild des Kurfürsten in die Köpfe der Zuhörer. In seinen 75 Jahren auf dieser Welt, von 1724 bis 1799, hinterließ der Mann Spuren in der Kurpfalz, die bis heute wirkmächtig seien. Carl Theodor, der schon früh in Verantwortung gehen musste, war ein Mann der Kooperation und nicht des Konflikts. Was ihm damals vielleicht Häme eingetragen hat, sieht aus heutiger Sicht mehr nach gelungener Politik für die Menschen aus. In seiner Zeit schaffte er es jedenfalls, seine Ländereien aus den üblichen Querelen und Streitigkeiten herauszuhalten. Es galt das Credo: weniger Kriege und Intrige, dafür mehr Musik, Theater, Wissenschaft und Philosophie. Am Ende, so könnte man Carl Theodors Ansatz beschreiben, zeichne sich Zivilisation durch Kultur aus und nicht durch Gewalt.
Auch aus heutiger Sicht ein wegweisender Ansatz. Dazu passt die Eröffnung der Ausstellung „Zeitreise“ im Palais Hirsch. Thomas Krause zeigte Fotos, viele aus Schwetzingen, die er so bearbeitet hat, dass sie als Fotos so nicht mehr zu erkennen sind. Entstanden sind Collagen, die wie Wimmelbilder zum Entdecken einladen.
Wieder unten auf dem Schlossplatz begann mit dem Fassanstich durch den Welde-Chef Max Spielmann und Oberbürgermeister Dr. René Pöltl der eigentliche herbstliche Festreigen. Vier Schläge und einen blutigen Daumen kostete dieses Zeremoniell den Bürgermeister. Es war sein letzter Fassanstich als OB und der erste, bei dem er sich verletzt hat. Quittiert wurde das vom Volk mit „der Mann gibt bis zum Schluss alles, sogar sein Blut“.
Nachdem der Hofstaat und das Kurfürsten-Paar am Kopf der Tafel Platz genommen hatten, nahm das Fest für den Herbst richtig Fahrt auf. Der Musikverein Stadtkapelle unter der Leitung von Pascal Morgenstern sorgte für den musikalischen Aufschlag. Und an der Tafel wurden die ersten Leckereien probiert.
Von herausragenden spanischen Spezialitäten rund um frisch zubereitete Paella, Empanadas und Tortillas über Zwiebelkuchen, neuen Wein und feinsten Crêpes bis zu Cocktails, Gin aus Schwetzingen, Welde-Bier, perligen Getränken aus der Partnerstadt Wachenheim und gerstehaltigen Getränken von den bayerischen Freunden aus Karlshuld-Neuschwetzingen blieb kulinarisch gesehen kaum ein Wunsch offen. Der Schlossplatz geriet unter den Augen des Kurfürsten wahrlich zu einem Platz des Frohsinns.
Lustwandeln durch die Stadt Schwetzingen
Vom Schlossplatz führte der Lustwandel-Pfad weiter durch die Mannheimer Straße, wo die Geschäfte mit vielen Angeboten lockten, bis auf die Kleinen Planken und die Dreikönig-straße. Auf den Kleinen Planken lockte ein farbenfroher Markt mit den Früchten des Herbstes und in der Dreikönigstraße gab es auf der Bräuninger-Bühne verführerische Ausblicke auf die Herbstmode. Auf der Schlossplatz-Bühne übernahm unterdessen das Duo „Hawa Mupo“ und später Martin Orth, die bis zum Abend für entspannte musikalische Begleitung sorgten. Bis dato war es weniger eine wilde Party, dafür mehr kurfürstliches Vergnügen.
Etwas veränderte sich dieses Gleichgewicht am Abend mit den beiden musikalischen Gigs „Duo Schartel“ und „Across the Ages“ sowie dem DJ-Pult, das mehr in Richtung Bahnhof aufgestellt war. Das Duo, das teils auch als Quartett auf der Bühne stand, die fünf Musiker der Schlussband und auch die DJs verstanden ihr Handwerk und sorgten bis spät in die Nacht für ordentlich Stimmung.
Vielleicht standen DJ-Pult und Bühne etwas zu nah beieinander. Der Bass aus den Lautsprechern und die Musik von der Bühne waren jedenfalls nicht immer sauber zu trennen. Gestört hat es am Ende aber nur ganz wenige. Und so gilt: Dem Kurfürsten und seiner Gattin, so sagte es Carl Theodor, gereichte das alles zur Ehre.
Es ist überliefert, dass ihm auch das Glück des Geringsten seiner Untertanen am Herzen lag. Und damit wurde dieser Gedanke mit viel Leben gefüllt.
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