Menschen in Schwetzingen - Anna Meyer feiert die seltene Eichen-Konfirmation und gewährt Einblicke in ein erfülltes Leben

Schwetzingerin Anna Meyer feiert seltene Eichen-Konfirmation

Von 
Maria Herlo
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Ihre fünf Töchter sind für die 95-jährige Schwetzingerin nach wie vor enge Vertraute innerhalb der Familie. © Meyer

Schwetzingen. Sie empfängt mich mit freundlicher Zugewandtheit und einem durchaus jugendhaften Charme: Anna Meyer. Kürzlich beging sie die seltene Eichen-Konfirmation – die Konfirmation vor 80 Jahren – und im November feiert sie ihren 95. Geburtstag. Das Alter sieht man ihr nicht an, ihre Stimme ist erstaunlich klar und aufmerksam ihr Blick, die Bewegungen ohne jede Unsicherheit, eine sehr einnehmende Präsenz, auf die selbst jüngere Frauen neidisch sein könnten.

„Unsere Mutti ist etwas ganz Besonderes, unser aller Stolz“, betont Bärbel Meng, die jüngste Tochter, die bei unserem Gespräch ebenfalls anwesend ist. „Sie hat sechs Kinder großgezogen, zusammen mit ihrem Mann das schmucke Haus gebaut, hat mich und meine Geschwister zu rechtschaffenen Menschen erzogen. Heute noch ist sie die wichtigste Säule der Familie“, sagt sie voller Bewunderung.

Eine Säule für andere

Anna Meyer in ihrem Wohnzimmer. An den Wänden hängen viele Familienfotos. © Meyer

Um diese „Säule“ schart sich heute eine große Familie: Neben den fünf Töchtern und einem Sohn sind es zehn Enkelkinder, 15 Urenkel und fünf Ururenkel. Die Wände des Hauses sind gespickt mit Familienfotos, weitere Aufnahmen hat sie auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet. Über jede einzelne weiß sie zahllose Geschichten zu erzählen. Da ist Adele, die älteste Tochter, abgebildet als Schulkind, als Jugendliche, als junge Frau, es folgen Renate und Gerlinde, Brigitte und der inzwischen verstorbene Sohn Heiko. Und da ist Bärbel, die Jüngste, die viele Jahre bei der Firma Knapp und Kiefer tätig war. Auch sonst strotzt das Haus von Erinnerungsstücken: alte Möbel, an den Wänden Gemälde, in den Vitrinen und auf den Kommoden Geschirr aus feinstem Porzellan, Vasen aus Kristall, Lampen, Puppen. Sogar das Modell eines Schiffes ist zu bestaunen, auf dem ihr Bruder Folkert Agena Steuermann war, das 1945 bei Pillau in Ostpreußen mit ihm und 6500 Flüchtlingen an Bord untergegangen ist.

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Sie lächelt, während sie rüstig durch die Zimmer schreitet, mich durch das Haus in den gepflegten Garten führt: „Dies alles ist meine Arbeit“, sagt sie und zeigt auf die herrlich blühenden Blumen, auf die Zucchini, die Erdbeeren und Kartoffeln, den Salat und Rhabarber, die sie alle mit gesammeltem Regenwasser gießt. Ist vielleicht der Aufenthalt draußen in der Natur das Geheimnis, dass sie im hohen Alter noch so fit ist? „Mit Sicherheit auch das“, erwidert sie, „vor allem aber die Freude, die ich an den Pflanzen habe, an meiner wunderbaren Familie, an den Freundinnen, die mich besuchen, den täglichen Yogaübungen und das Joggen. Das macht mich glücklich.“ Zurück im Wohnzimmer demonstriert sie, wie phänomenal ihr Gedächtnis ist, alle wichtigen Telefonnummern kennt sie auswendig, zudem die Ballade „Erlkönig“ von Goethe oder die „Glocke“ von Schiller. Im Frauenkreis habe sie ab und zu Gedichte vorgetragen und Lieder gesungen, berichtet sie.

Unerlässlich schöpft Anna Meyer aus ihren Erinnerungen, Erfahrungen und Erlebnissen; Orte ihrer Kindheit tauchen auf, Eltern, Ehemann, der Umzug nach Schwetzingen, die Wohnung im Missionshaus von Lachen-Speyerdorf, die kleine in der Marstallstraße in Schwetzingen, die sie damals mit drei Kindern und Mann teilte, und schließlich das Eigenheim im Hirschacker.

Seinen Anfang nahm ihr Leben 1927 auf einem Bauernhof in Ostfriesland: Dort kam sie als Tochter von Tette und Heye Agena, in Aurich, Ortsteil Wiesens, zur Welt. Mit 18 Jahren lernte sie Willi Meyer kennen, einen Sanitätssoldaten aus Königsberg, Ostpreußen, der sich in sie verliebte und sie heiratete. „Ende des Krieges wurde er im Wiesenser Maidenlager interniert. Durch seine Hilfsbereitschaft wurde er im Dorf bald zu einem gefragten Mann“, erklärt Anna Meyer, wie es dazu kam. Da er kaum eine Chance hatte, Arbeit in Wiesens zu finden, zog er nach Schwetzingen um, wo er im damaligen Städtischen Krankenhaus als Krankenpfleger eingestellt wurde. Kurz darauf zog sie nach. „25 Jahre lang fuhr ich ihn ins Krankenhaus und holte ihn dort wieder ab“, schildert sie die Zeit, „bei Notfällen, da wartete ich, bis der Einsatz beendet war“. Als sie noch in der Marstallstraße wohnten, lief sie mit den Kindern jeden Tag nach Hirschacker, um am neu erworbenen Haus Eigenarbeit zu leisten.

Große Anerkennung

Anerkennung schwingt in ihrer Stimme mit, wenn sie erzählt, wie liebevoll ihr Mann im Krankenhaus mit Patienten umging, die ihm den Spitznamen „Bursche“ gaben – wegen seiner Einsatzbereitschaft. Insbesondere Chefarzt Dr. Siegfried Voll schätzte ihren Mann, dem die Menschen sehr am Herzen lagen. So hatte er 1963 einen älteren Mann zuhause in Pflege aufgenommen. „Er war allein“, betont sie, „hatte niemanden und blieb bei uns bis zu seinem Tod 1973.“

Das sind nur einige der unzähligen Erinnerungen, die in ihrem Gedächtnis haften geblieben sind. Eindrucksvoll machen sie all die Fäden der Beziehung Anna Meyers zu Mann und Kindern, zu Freunden und Verwandten sichtbar, gleichsam dokumentieren sie ein Stück Schwetzinger Geschichte.

Freie Autorin

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