Trauerfeier

Seinen Tod nicht als sinnlos hinnehmen

Viele Menschen nehmen emotional Abschied vom getöteten Polizisten Rouven Laur

Von 
Kai Plösser und Sebastian Koch
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Mannheim. Um 9.45 Uhr setzt sich der Zug aus etwa 2000 Polizisten in Bewegung. In Reih’ und Glied hatten sie sich zuvor in der Kurpfalzstraße zwischen Planken und Bismarckstraße postiert, um ihren vor zwei Wochen getöteten Kollegen Rouven Laur zu gedenken. „Der Trauermarsch war ein Wunsch der Kollegen, um ihrem Kollegen die letzte Ehre zu erweisen“, sagt Polizeisprecherin Sabine Abeln dieser Redaktion. und aus dem ganzen Bundesgebiet sind nach Mannheim gekommen.

So auch ein Polizist aus Niedersachsen. „Das gebührt die Ehre“, sagt er. „Wir sind Kollegen. Es ist völlig egal, woher er kommt.“ Noch immer hängt ihm die Tat vom 31. Mai am Marktplatz nach. Ihm kommen Tränen. „Ich hoffe, hier und jetzt Abstand zu bekommen.“ So wie ihm dürfte es an diesem Vormittag wohl vielen seiner Kolleginnen und Kollegen gehen. Auf dem Weg zum Rosengarten erweisen viele Passanten, die am Wegesrand stehen, den Polizisten ihren Respekt. Ein Mann hält diese eine Veranstaltung für noch zu wenig. „Das müsste bundesweit stattfinden“, meint er. „So etwas darf in Deutschland und Europa nicht passieren“, sagt er zum mutmaßlich religiös motivierten Messerangriff, bei dem der 29 Jahre Rouven Laur sein Leben verloren hat.

Gegen 10 Uhr erreicht die Spitze des Marschs den Plankenkopf. Zwei Beamte, die ein großes Bild von Rouven Laur tragen, laufen vorneweg. Minuten vergehen, bis das Ende des Zugs den Plankenkopf erreicht. Währendessen teilt sich die Trauergemeinde auf Höhe des Rosengartens. Etwa 2300 geladene Gäste dürfen in das Kongresszentrum, darunter sind neben Polizisten Eltern, Geschwister, Angehörige, Freunde sowie Politiker.

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Agnes Polewka
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Die Trauernden, die keinen Platz im Rosengarten haben, versammeln sich auf dem Friedrichsplatz, um die Trauerfeier auf einer Leinwand zu verfolgen. Auch viele Passanten sind da.

Auf der Trauerfeier im Rosengarten spricht Oberbürgermeister Christian Specht. „Den 31. Mai 2024 werde ich nie vergessen“, beginnt er und redet vor allem davon, was das Ableben Laurs für die Stadt bedeutet. „Der Tod von Rouven Laur berührt die Menschen in Mannheim sehr, da sich die grausame Tat im Herzen unserer Stadt ereignete. Auf einem Platz, der sinnbildlich für Dialog und Gemeinschaft steht.“ Mannheim werde Laur nicht vergessen. „Seine Offenheit, seine Menschlichkeit und sein konsequenter Einsatz für andere werden uns Vorbild für unser Handeln sein“, sagt Specht.

Brief von Hinterbliebenen

Bereits zuvor hatte Polizeipfarrer Friedel Goetz über den Menschen Laur gesprochen. „Rouven wollte leben. Er war voller Energie. Er ist mitten aus dem Leben gerissen worden.“ Das Lebensmotto des nur 29 Jahre alt gewordenen Polizeihauptkommissars: „Entscheide jeden Morgen selbst, was für ein Mensch du heute sein willst.“ Laur sei ein Mensch mit bejahendem Lebensgeist gewesen, sagt Goetz. „Unsere Gesellschaft hat er kritisch gesehen, aber zugleich positiv. Er suchte die Wahrheit, war ehrlich und zielstrebig“, sagt Goetz. Noch persönlicher, vor allem aber emotionaler wird es, als Thomas Seidelmann später einen Brief der Hinterbliebenen verliest. Seidelmann ist Bürgermeister von Neckarbischofsheim, der Heimat der Familie Lauer. Eine seiner Tochter, so erzählt der Bürgermeister, sei eng mit Rouven Laur befreundet gewesen.

„Seitdem wir die Gewissheit haben, dass es Rouven war, der am 31. Mai schwer verletzt wurde, ist unsere Welt eine andere“, zitiert Seidelmann aus dem Brief der Familie. Noch am Vortag hätten sie zusammen gekocht und gegessen. „Tschüss, bis bald“, habe Rouven mit dem ihm typischen Lächeln bei seiner Verabschiedung gesagt. Immer wieder bricht Seidelmann beim Verlesen des Briefs seine Stimme weg.

„Dem eigenen Kind, dem Bruder und dem Schwager, mit dem man noch am Vortag gemeinsam gekocht hatte, beim Sterben zuzusehen, will der Verstand nicht begreifen“, heißt es in dem Brief. Nur ganz langsam fange die Familie an, zu realisieren, dass er fortan fehlen wird. „Wenn wir in Whatsapp schreiben, wird seine Antwort fehlen. Wenn wir seinen Rat brauchen: keine Antwort mehr.“ Vor allem die Gespräche mit ihm und sein Lachen würden fehlen. „Rouven hat eine Lücke hinterlassen, die können wir nicht mehr schließen. Sie bleibt für immer“, trägt Seidelmann vor.

Laurs Tod solle ein Zeichen sein, dass sich in der Gesellschaft vieles bewegen müsse. „Rouven hätte nicht gewollt, dass wir uns von Hass und Wut überwältigen lassen. Stattdessen hätte er uns ermutigt, seine Werte weiterzugeben und für eine Veränderung und Neuausrichtung zu kämpfen“, schreiben die Angehörigen. Es liege an allen, vor allem an den Politikern, dass sich etwas ändere. „Wir wollen und wir dürfen seinen Tod nicht als sinnlos hinnehmen. Nur so kann Rouven die Ehre erwiesen werden, die er verdient.“

Freiwillig beim G-20-Gipfel

Rouven, so schreibt es die Familie, habe immer schon Polizist werden wollen. Einen Plan B gab es nicht. „Die Kollegen waren seine zweite Familie. Er war mutig, ambitioniert und stets bereit, sich Herausforderungen zu stellen.“ Nachdem Seidelmann den Brief verlesen hat, brandet Applaus auf – nicht nur im Rosengarten, sondern auch draußen auf dem Friedrichsplatz.

Kollegen teilen ihre Erinnerungen an Rouven Laur. Nach der Hochschule etwa sei er als junger Polizist 2017 nach Neckargmünd gekommen, erzählt Ralf-Peter Schwindt, Leiter des Polizeireviers Eberbach. Mit seiner menschlichen Art habe er sich schnell beliebt gemacht. Zudem sei er engagiert und fleißig gewesen. Bei Einsätzen habe er Verantwortung getragen. „Rouven war mittendrin, wollte was erleben und sich weiterentwickeln“, erzählt Schwindt. So habe er sich 2017 freiwillig zum G20-Gipfel in Hamburg gemeldet. Im Frühjahr 2021 hatte Laur in Eberbach seine erste Führungsposition als Dienstgruppenleiter bekommen. „Bei unserem letzten Gespräch hat er von seiner aufregenden Zeit beim Innenministerium in Stuttgart erzählt“, erinnert sich Schwindt.

Die Trauerfeier endet mit einem Film, für den die Polizeidienststellen des ganzen Landes und darüber hinaus verantwortlich sind. Anschließend gibt es Applaus er Menschen Die letzte Würdigung für Rouven Laur.

Redaktion

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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