Schwetzingen. In der Erstaufnahmeeinrichtung Tompkins Barracks in Schwetzingen leben seit einigen Wochen auch geflüchtete Menschen aus der Ukraine. Siegfried Lorek, Staatssekretär des baden-württembergischen Ministeriums der Justiz und für Migration, besuchte die ehemalige US-Kaserne und jetzige Liegenschaft der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Der CDU-Politiker kam auf Einladung von Umweltstaatssekretär Dr. Andre Baumann (Grüne) nach Schwetzingen. Gemeinsam mit Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder, Landrat Stefan Dallinger und Oberbürgermeister Dr. René Pöltl verschafften sich die beiden Landtagsabgeordneten einen Überblick über die Situation der Menschen vor Ort und sprachen mit haupt- und ehrenamtlichen Helfern.
„Es funktioniert einfach sehr gut“, betonte Baumann die „hervorragende Zusammenarbeit“ zwischen Land, Kreis und Kommune. Angesichts der grausamen Situation in der Ukraine kämen immer noch viele geflüchtete Menschen. Die Verwaltung sei aber nach dem ersten großen Flüchtlingsaufkommen 2015 inzwischen krisenerprobt. Lorek bestätigte den „viel engeren Austausch als noch vor sieben Jahren“. Die Flüchtlingsunterbringung bleibe aber eine große Herausforderung, jetzt müsse man schauen, wo noch nachgebessert werden muss. Der Migrationsstaatssekretär dankte den dem Rhein-Neckar-Kreis für die Unterstützung. Ebenso dankte er den Menschen für die „immense Aufnahmebereitschaft“ und die Bereitstellung von Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine. „Wir legen Wert auf eine gerechte Verteilung in die Stadt- und Landkreise“, meinte Lorek. Wie viele Geflüchtete noch aufgenommen werden, hänge vom Kriegsverlauf in der Ukraine ab. Viele Geflüchtete seien auch schon wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt.
Landrat verteilt „Hausaufgaben“
Die Tompkins Barracks waren im September vergangenen Jahres wieder für die Unterbringung in Betrieb genommen worden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist für alle Erstaufnahmeeinrichtungen im Land zuständig, erläuterte Regierungspräsidentin Felder. Mit der Stadt habe man eine „großartige Zusammenarbeit hinbekommen“, dankte sie OB Pöltl für die geleistete Flexibilität.
Landrat Dallinger schloss sich dem Lob an. Schwetzingen sei zusammen mit dem Kreis bereit gewesen, die Kreissporthalle mit Flüchtlingen aus der Ukraine zu belegen: „Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend, das klappt alles auf Zuruf.“ Er habe aber zwei Bitten: Die Verteilung im Land müsse gemäß dem Schlüssel besser funktionieren als im Jahr 2015 und die kommunalen Landesverbände sollten dringend die Finanzsituation zur Bewältigung der Krise besprechen.
Markus Rothfuß und Carolin Speckmann vom Regierungspräsidium Karlsruhe informierten über aktuelle Entwicklungen. „Wir machen keinen Unterschied zwischen Ukrainern und Menschen aus anderen Ländern. Unser Ziel ist es, Obdachlosigkeit zu verhindern“, erklärte Rothfuß. Die Zahlen reichten jetzt schon an die von 2015 ran. Am Mittwoch waren gerade wieder 200 Menschen in die Kreise verlegt worden. Am Freitag sollten Busse mit neuen Flüchtlingen ankommen.
Das Ankunftszentrum im Patrick-Henry-Village in Heidelberg ist immer der erste Anlaufpunkt für diejenigen Menschen, die nicht bei Verwandten und Freunden unterkommen können. Für Ukrainer besteht keine Verpflichtung, sich bei ihrer Ankunft bei einer Behörde zu melden. Im Ankunftszentrum müssen aber alle die vorgeschriebene Quarantänezeit von zehn Tagen verbringen. Speckmann führte die Besucher durch die Gebäude und erläuterte das Betriebskonzept der Aufnahmeeinrichtung. Viele unterschiedliche Akteure arbeiteten hier zusammen. Es gibt bestimmte Schutzbereiche. Rothfuß verwies auf das Sicherheitskonzept: „Wir wollen sichere Unterkünfte bieten.“ Es bestünde sonst die Gefahr, dass Frauen und Kinder Opfer von Menschenhändlern würden.
Kinder werden betreut
In den Tompkins Barracks sind Dienstleister mit der Alltagsbetreuung und der Essensverpflegung beauftragt. Ein Haus steht allein Müttern mit Kindern zur Verfügung. Ein Gebäude wird für Familien genutzt, in einem anderen Haus kommen nur Männer unter.
Christian Heinze (Diakonie Heidelberg), Birgit Grün (Caritas Heidelberg) und Eva Oliveira (DRK Kreisverband Rhein-Neckar Heidelberg) informierten die Gäste über die unabhängige Sozial- und Verfahrensberatung für Flüchtlinge. In der Erstaufnahmeeinrichtung gibt es Tipps zu den Abläufen und Zuständigkeiten im Asylverfahren sowie Beratung bei lebenspraktischen, sozialen, seelischen und körperlichen Schwierigkeiten. „Es geht hier um Schicksale von Menschen, die meistens eine individuelle Geschichte haben“, so Heinze. Die Mitarbeiter unterstützen beim Kontakt mit anderen Beratungsstellen und Behörden, bieten Mitmachaktivitäten an und koordinieren die Angebote von ehrenamtlichen Helfern aus Schwetzingen und Umgebung. Streetworker sind auf dem Tompkins-Gelände und in der Stadt unterwegs. Die unabhängige Sozial- und Verfahrensberatung soll sicherstellen, dass schutzbedürftige Personen Zugang zu allen notwendigen Hilfen und Integrationsangeboten erhalten. Standortleiter Timo Stelge zeigte den Besuchern verschiedene Räumlichkeiten. Bei der Betreuung geht es vor allem um die Grundversorgung mit Sachleistungen, dazu gehören Kleidung, Essen und Trinken sowie Hygieneprodukte.
Objektleiter Gordan Culum gestattete der Gruppe einen Blick in die große Kleiderkammer. Die medizinische Versorgung durch einen diensthabenden Ambulanzarzt ist vor Ort garantiert. Die vertraulichen Beratungsgespräche werden oft von Dolmetschern begleitet. Die Alltagsberatung, unabhängig von Sprache, Herkunft, Geschlecht, Alter oder Religionszugehörigkeit, hilft bei Sprachkursen, Freizeit- und Sportangeboten, Programmen für Kinder und Jugendliche sowie bei kreativen und kulturellen Angeboten. Ein Augenmerk liegt darauf, über das öffentliche Leben in Deutschland zu informieren.
Haustiere nicht gestattet
Jeder Bewohner hat einen Ausweis für die Einrichtung. Am Infopoint besteht eine Corona-Teststation. Der Quarantänebereich muss zurzeit aber nicht belegt werden. Für die Kinderbetreuung ist bestens gesorgt. Es gibt einen kleinen Kindergarten und einen Hausaufgabenraum, ein offenes Bücherregal und einen Handarbeitstreff. Sportangebote fehlen auch nicht. Die achtjährige Medina aus Mazedonien begrüßte die Besucher aus der Politik mit Bonbons. Haustiere können nicht erlaubt werden. Hunde, Katzen und Frettchen seien schon vorgekommen. Es sei nicht einfach, den Menschen das klarzumachen, meinte Rothfuß: „Tiere sind ja auch Familienmitglieder.“
Viele Ukrainer kommen auch mit dem eigenen Auto. Dafür stehen Parkplätze in ausreichender Zahl zur Verfügung. Staatssekretär Lorke dankte für die informative Führung durch die Einrichtung für schutzbedürftige Personen, die in ihrem Heimatland oder auf der Flucht Schlimmes erlebt haben: „Das nimmt eine gute Entwicklung. Es wäre toll, wenn wir die Einrichtung noch länger betreiben könnten.“ Baumann lobte das Engagement der vielen Bürger, Vereine und Organisationen: „Wir haben viel gelernt die vergangenen Jahre.“ OB Pöltl dankte „für alles, was hier passiert“. Er hoffe weiter auf eine „gute Zusammenarbeit im Interesse der geflüchteten Menschen“.
Zahlen und Fakten
- Erste Station für Asylbewerber und Flüchtlinge im Land ist das Ankunftszentrum in Patrick-Henry-Village
- In einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) können die Menschen bis zu 18 Monate untergebracht werden. Meistens werden sie aber schon nach vier bis sechs Wochen der vorläufigen Unterbringung in den Stadt- und Landkreisen zugeteilt
- In Baden-Württemberg sind seit Beginn des Krieges Ende Februar über 101 000 Menschen aus der Ukraine angekommen. Das sind mehr als die Flüchtlinge von 2015 zusammen. Die meisten Ukrainer sind allerdings bei Verwandten oder Bekannten untergekommen
- Das Regierungspräsidium Karlsruhe steuert landesweit die Zuweisung aller Asylbewerber
- Täglich kommen noch über 200 Ukrainer nach Baden-Württemberg. Auf dem Gelände der Tompkins Barracks gibt es 400 Plätze für Geflüchtete. Die Anzahl der Ukrainer variiert. Die Kapazität soll demnächst durch zusätzliche Wohncontainer um 200 Plätze aufgestockt werden. vw
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