Schwetzingen.
Steffen Groß, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Schwetzingen, und seine Worte zu "Weihnachten und warum es Zeit ist, die frohe Botschaft gerade jetzt zu verkünden":
Gerade am Ende dieses dunklen Jahres sehnen wir uns geradezu nach guten Nachrichten. Diese Sehnsucht hat ein Ziel: die Krippe, in der Gott zur Welt kommt.
Auf dem Weg dorthin hin gibt es allerdings keine Abkürzung. Damit das Weihnachtslicht in unser Leben strahlen kann, müssen wir erst einmal die Dunkelheit ernst nehmen. Alles andere ist Kitsch. Die Hirten sind damals auch durch die dunkle Nacht gelaufen und nicht mit einem hell erleuchteten Rentierschlitten gefahren.
Mich begleitet in diesen Tagen besonders ein Lied, das zunächst so gar nicht weihnachtlich klingt:
O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für. Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal.
Diese Zeilen schrieb der Dichter und katholische Pfarrer Friedrich Spee im Jahr 1622. Es war eine dunkle Zeit: Der Dreißigjährige Krieg wütete, die Hexenverbrennungen erreichten einen traurigen Höhepunkt. Die Not war groß, die Aussichten düster.
Spee redet in seinem Lied nichts davon schön, er flüchtet nicht in eine fromme Gegenwelt. Vielmehr nennt er die Not beim Namen und liegt Christus förmlich in den Ohren, als wolle er ihn aus der Komfortzone holen: Tu endlich was! Reiß die Himmel auf!
Welche Lieder mögen wohl die Menschen in der Ukraine in diesem Jahr zu Weihnachten singen?
Es ist eine der größten Stärken des christlichen Glaubens, dass er die Welt nicht schönredet. Einer der großen Sätze der Bibel lautet „Fürchte dich nicht!“ – und das ergibt nur Sinn, wenn die Welt eigentlich zum Fürchten ist. Friedrich Spee wusste das – und redet Klartext.
Das ist kein Klingeling und auch kein Weihnachtskitsch. Aber selten hat es so gut gepasst: Der Krieg, keine 2000 Kilometer entfernt von uns. Steigende Preise und bei manchem auch die blanke Angst. Eine Pandemie im Standby-Modus – und die Klimakrise, die uns immer näherkommt.
Friedrich Spee blieb im 17. Jahrhundert nicht stehen bei seinem Lied. Er kämpfte an, gegen die Dunkelheit seiner Zeit. Und viele Menschen in unserer Stadt tun es ihm heute gleich: Ob im Tafelladen, beim Spendensammeln für die Ukraine oder bei der Aktion „Tischlein deck dich“, die bald nach dem Fest alle einlädt, die sich nach Wärme und Tischgemeinschaft sehnen: Überall krempeln Menschen die Ärmel hoch und setzen der Dunkelheit etwas entgegen.
All diese Engagierten sind Weihnachten ganz nah auf der Spur: Gottes Sohn kam bekanntlich in einer rabenschwarzen Nacht zur Welt. Als erwachsener Mann wird er sich auf die Seite der Notleidenden und Ausgegrenzten schlagen und damit eine Bewegung der Liebe begründen, die bis heute andauert – auch in Schwetzingen. Wenn das mal keine gute Nachricht ist!
So können wir in dieses Jahr beides singen: „O Heiland, reiß die Himmel auf“ – und dann am Ende der Weihnachtsgottesdienste: „O du fröhliche!“. Dann reißt wirklich der Himmel auf – auch und gerade in diesem Jahr.
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