Schwetzingen. Die Resonanz auf unsere Berichte über den Racketclub ist groß: Zahlreiche Bürger aus Schwetzingen und der Region haben sich in den vergangenen Wochen bei Matthias Vogel und dem „Freundeskreis Racketclub“ um Initiatorin Raquel Rempp gemeldet. „Wir kommen manchmal gar nicht mehr hinterher, die vielen Fragen zu beantworten“, sagt Matthias Vogel, der das Sportzentrum in der Scheffelstraße 1999 übernommen und dort für mehr als 15 Jahre einen beliebten Treffpunkt für die Badminton- und Squashszene etabliert hatte.
Nach der Nutzung als Notunterkunft für Flüchtlinge durch den Rhein-Neckar-Kreis ab November 2015 ist davon nicht mehr viel geblieben – während die große ehemalige Tennishalle völlig ruiniert ist, betreibt Vogel nur noch zwei Squashplätze im benachbarten Gebäude.
Nach den Berichten über den Streit zwischen Vogel und dem Rhein-Neckar-Kreis, der in zwei Verfahren auch die Gerichte beschäftigt, haben inzwischen zahlreiche Bürger und einige Politiker das Areal besichtigt. „Wegen Corona konnten wir unsere geplanten größeren Besichtigungen für die Öffentlichkeit leider noch nicht umsetzen. Aber wer Interesse hat, kann sich bei uns jederzeit melden, dann machen wir das in kleiner Runde möglich“, sagt Raquel Rempp.
Die ehemalige Stadträtin der Freien Wähler ist seit Jahren in der Schwetzinger Flüchtlingshilfe aktiv. In der Nutzung des Racketclubs als Unterkunft für rund 250 alleinreisende Flüchtlinge sieht sie gleichwohl einen Skandal – ebenso wie in der Abwicklung durch den Kreis. „Ganz unabhängig von juristischen Details ist es eine Schande, dass Behörden so mit einem Bürger umgehen, der ihnen 2015 in einer nationalen Krise geholfen hat“, sagt Rempp. Aus diesem Grund vertritt der Freundeskreis die Ansicht, dass nicht direkt involvierte Politiker eine vermittelnde Rolle zwischen dem Landratsamt und Matthias Vogel einnehmen sollten, um den Konflikt außergerichtlich zu beenden.
Kein Einmischen in Streitigkeiten
Wir haben deshalb bei den Bundes- und Landtagsabgeordneten für Schwetzingen nachgefragt, wie sie zu dem Fall stehen und ob sie sich eine solche Vermittlerrolle vorstellen können. Die Antworten fallen recht unterschiedlich aus – was auch an der jeweiligen parteipolitischen Verbindung zu Landrat Stefan Dallinger (CDU) liegen mag.
So sieht der CDU-Bundestagsabgeordnete Olav Gutting keine Möglichkeit, sich in dem Fall zu engagieren. „Es handelt sich hier um eine zivilrechtliche Auseinandersetzung zwischen dem Landkreis als Mieter und dem Eigentümer des Objektes, in die meines Wissens auch schon eine Rechtsanwaltskanzlei eingebunden ist. Eine Einflussnahme auf das Verfahren ist da weder auf Bundes- noch auf Landesebene möglich“, erklärt Gutting.
Anders sieht das der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dr. Danyal Bayaz. „Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jemand, der ein Gebäude an die öffentliche Hand zum Zweck der Unterkunft für Geflüchtete vermietet, nicht auf Kosten sitzenbleiben sollte, die so nicht absehbar waren“, sagt Bayaz, schränkt dann aber ein: „Zunächst heißt es abzuwarten, weil sich die Politik aufgrund der Gewaltenteilung nicht in laufende Verfahren einmischen sollte. Auch öffentlich ausgetragener Streit ist bis zu diesem Zeitpunkt wenig sinnvoll, da er vermutlich nur die Fronten weiter verhärtet. Wir hoffen jedoch, dass die laufenden Gerichtsprozesse Klarheit schaffen und entscheiden, inwiefern angefallener Schaden ersetzt werden muss, um eine einvernehmliche Lösung für beide Seiten zu finden.“
Fragen werden nicht beantwortet
Sein Landtagsparteikollege Manfred Kern (Grüne) hat sich derweil bereits aktiv eingemischt. „Ich habe den Rhein-Neckar-Kreis um eine Stellungnahme gebeten, diese aber bis heute nicht erhalten. Stattdessen erhielt ich nur einen Hinweis auf das laufende gerichtliche Verfahren. Es mangelt nach wie vor an Transparenz in der Angelegenheit“, sagt Kern. Dem Wunsch des Freundeskreises nach einer Vermittlung stehe er positiv gegenüber. „Ich wäre sehr gerne bereit, vermittelnd tätig zu werden. Dies müssen aber beide Seiten wollen“, erklärt Kern mit Blick auf den zurückhaltenden Landkreis.
Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Daniel Born ist in dem Fall aktiv geworden, wie er erklärt: „Der gesamte Vorgang macht mich sehr traurig. Ich stand und stehe natürlich mit Herrn Vogel und dem Landratsamt zu dem Thema in Kontakt und habe mich auch bereits an das Innenministerium gewandt.“ Die Rolle eines öffentlichen Vermittlers will Born dennoch nicht einnehmen: „Als Wahlkreisabgeordneter ist es mir wichtig, einer gerechten und bürgernahen Lösung dienlich zu sein. Dies tue ich nicht, indem ich nach zusätzlicher öffentlicher Aufmerksamkeit strebe, sondern meine Aufgaben im Dialog mit den beteiligten Parteien mache.“
Der AfD-Landtagsabgeordnete Klaus-Günther Voigtmann ist ebenfalls zurückhaltend in Bezug auf eine Einmischung in den Fall. „Ohne Kenntnis des Mietvertrages und der Vereinbarungen bei der Über- und Rückgabe des Gebäudes lassen sich keine seriösen Aussagen in der Sache machen. Ganz offensichtlich haben hier mehr ideologische als professionelle Gesichtspunkte in diese Misere geführt“, erklärt Voigtmann. Die Aufklärung sieht er als juristische Angelegenheit: „Nachdem das Kind nun im Brunnen liegt, ist es schwer – und wohl den Gerichten überlassen – den jeweiligen Grad einer Schuld oder Mitschuld zu ermitteln.“
Doch auch beim Kreistag – immerhin das Kontroll- und Aufsichtsorgan des Landratsamtes – haben Raquel Rempp und ihre Mitstreiter inzwischen um Unterstützung geworben. So haben sie sämtlichen Fraktionen Anfang Juli ein umfangreiches Schreiben geschickt, in dem nicht nur die Sicht des Freundeskreises geschildert wird, sondern auch knapp 30 teils sehr detaillierte Fragen beigefügt sind, die das Landratsamt aus Sicht des Freundeskreises beantworten soll. Die Behörde hatte alle diese Fragen zuvor ebenfalls zugesendet bekommen, laut Freundeskreis aber bis heute nicht beantwortet.
Auch die Resonanz der Kreistagsmitglieder ist überschaubar. „Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, der AfD, der Linken und der FDP haben uns jeweils mitgeteilt, dass man die Fragen an die Fraktionsmitglieder und das Landratsamt weitergeleitet hat. Von der CDU, der SPD und den Freien Wählern gab es bisher keinerlei Rückmeldung“, sagt Raquel Rempp.
Gericht soll Lage klären
Somit gibt es beim Racketclub weiterhin keine Annäherung. Auf die Frage unserer Zeitung, ob Landrat Stefan Dallinger eine Möglichkeit sehe, den immer weitere Kreise ziehenden Fall außerhalb der juristischen Seite zu lösen, das Gespräch mit Matthias Vogel zu suchen oder eine bürgernahe Lösung anzustreben, antwortet der Rhein-Neckar-Kreis wenig versöhnlich: „Das Landratsamt stand mit Herrn Vogel während der Mietzeit in Kontakt. Zum Vertragsende hin wurde seitens des Landratsamtes mehrfach vergeblich versucht, mit diesem einen gemeinsamen Termin zur Rückgabe des Objekts zu vereinbaren. Herr Vogel berief sich jedoch einseitig auf eine Fortsetzung des Mietvertrages, was nach den getroffenen Vereinbarungen nicht möglich ist. Das Landratsamt sah sich daher gezwungen, eine negative Feststellungsklage zu erheben. Da Herr Vogel an seiner Rechtsauffassung weiterhin festhält, muss zunächst eine gerichtliche Klärung dieser strittigen Rechtsfrage herbeigeführt werden.“
Info: Mehr Fotos gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de
Der „Mavo-Racketclub“ als Flüchtlingsunterkunft
Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise Ende 2015 mietete der Rhein-Neckar-Kreis den größten Teil des Racketclubs für rund eineinhalb Jahre zur Unterbringung von Flüchtlingen an.
Rund 250 alleinreisende junge Männer aus unterschiedlichen Nationen lebten in der ehemaligen Tennishalle. Ihre Etagenbetten waren nur durch Bauzäune abgetrennt, die Essensausgabe erfolgte in der Halle. Durch Kondenswasser bildete sich Schimmel in Böden und Decken.
Es gab viel Vandalismus durch Bewohner. Regelmäßig kam es zu Polizeieinsätzen, die Nachbarn in der Scheffelstraße litten unter der angespannten Situation. Im Mai 2016 quartierte der Kreis die letzten Bewohner um und wollte die Halle die restliche Mietzeit über als Notfallquartier in Reserve halten.
Der Schimmel hat sich in weiten Teilen der Halle ausgebreitet. Zahlreiche Fenster, Türen, Wände und Sanitäranlagen sind zerstört. Der Renovierungsschaden wird von Matthias Vogel auf rund 1,4 Millionen Euro geschätzt.
Der Kreis sieht sich jedoch nicht in der Verantwortung und spricht von normalen Abnutzungen, die „im Wesentlichen dem Nutzungszweck und damit auch den vertraglichen Regelungen“ entsprechen würden, wie ein Sprecher auf unsere Anfrage im Februar entgegnete.
Zwei Gerichtsverfahren beschäftigen sich seit langem mit dem Fall – eines von Matthias Vogel initiiert, das andere vom Landkreis angestrengt. Bis zu endgültigen Urteilen könnte es noch Jahre dauern. beju
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