Von Volker Widdrat
Die Interkulturelle Woche (IKW) in Schwetzingen wurde am Samstag mit einem ersten Mitmachangebot eröffnet. Trommelklänge des Vereins „Sunucraft - Unsere Stärke“ aus Heidelberg lockten die Besucher auf die Sportanlage des Turnvereins 1864 an der Sternallee. Paco, Judith, Aleka, Hans und Daniel gaben den Rhythmus für die Gäste vor. Am nächsten Sonntag beim Trommelworkshop mit Konzert im Lutherhaus kann man mehr erfahren.
Sabine Busse, die zweite Vorsitzende des Vereins Capoeira Schwetzingen, stellte den brasilianischen Kampftanz vor. Es ist an sich kein Kampf, sondern ein Spiel mit Tritten und sanften Ausweichbewegungen - ganz ohne Körperkontakt. Ein paar Besucher wagten sich auf das Tartanfeld, um es selbst auszuprobieren. Capoeira ist für Menschen aller Altersgruppen geeignet, das zeigten die Sportler im Alter von vier bis 58 Jahren. Trainiert wird in Plankstadt.
Überwältigt von Resonanz
Schwetzingens Integrationsbeauftragter Markus Liu-Wallenwein war überwältigt, dass so viele Menschen zu der sportlichen Eröffnung gekommen waren. Er dankte dem Turnverein für die Möglichkeit zur Nutzung der Sportanlage. Die Menschen merkten manchmal nicht, wie vielfältig und bunt unsere Gesellschaft sei, „das ist schade und manchmal nicht ungefährlich“, meinte der Schirmherr der Veranstaltungsreihe, Oberbürgermeister Dr. René Pöltl. Die Interkulturelle Woche bringe viele verschiedene Blickwinkel auf die Stadt. Er dankte auch Gemeindediakonin Margit Rothe von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen für das Zusammenbringen der verschiedenen Akteure und wünschte den Menschen die ganze Woche über „viele spannende Begegnungen, die auch danach noch weitergehen mögen“.
„Wir sind bunt und vielfältig, das ist schön“, rief Athi Sananikone. Das sei auch an ihm und seiner Familie zu sehen, ergänzte der TV-Vorsitzende mit einem Schmunzeln. „Sport ist ein großartiges Werkzeug, um Menschen miteinander zu verbinden“, rührte Sananikone die Werbetrommel für die interkulturellen Veranstaltungen seines Vereins.
Imam Naweel Shad von der Ahmadiyya Muslim Jamaat lud zur Ausstellung „Die Vielfalt und die Mystik des Koran“ ein, die vom 30. September bis 2. Oktober in der Awo-Begegnungsstätte in der Hebelstraße zu sehen ist. Die öffentliche Debatte über den Islam und insbesondere den Koran beschränke sich häufig auf einzelne Aspekte wie Fundamentalismus und Extremismus. „Es ist wichtig, Brücken zu bauen, die uns zusammenführen.“ Die Gemeinde, die zur Eröffnung das Catering mit Fingerfood übernommen hatte, möchte „aufklären und im Dialog Vorurteile abbauen“, so der Imam: „Liebe für alle, Hass für keinen.“
Faeza Ahmad stellte die Frauenorganisation der Ahmadiyya Muslim Jamaat vor. Die Rolle der Frau für die Gesellschaft sei besonders wichtig, warb sie für ein friedliches Miteinander und ein kulturelles Verständnis untereinander.
Im Clubhaus standen bunte Stühle. Schüler der Ehrhart-Schott-Schule werden mit den selbstgebauten Sitzgelegenheiten vom 27. bis 30. September durch die Stadt ziehen und Menschen für Begegnungen und zum Austausch Platz anbieten. Die Schule habe sich spontan entschieden, die Aktion zu starten, auch wenn das Thema die Jugendlichen schon länger beschäftigt habe, berichtete Lehrerin Scarlett Kuppinger. Die Ehrhart-Schott-Schule biete nicht nur berufliche, sondern auch kulturelle Vielfalt: „Jeder darf seinen Platz einnehmen in der Gesellschaft.“ Mit den bunten Hockern sind die Schüler am 30. September auch beim deutsch-türkischen Abend im Palais Hirsch dabei.
Ein Stück greifbare Dankbarkeit
Die deutsch-ukrainische Gesellschaft Rhein-Neckar hat als Hauptaufgabe „die Verbreitung von Informationen in der deutschen Bevölkerung zur ukrainischen Kultur und Geschichte“. Zudem veranstaltet sie Vorträge, Seminare und Ausstellungen. Das hat sich mit dem russischen Angriffskrieg grundlegend geändert. Jetzt gibt es großes menschliches Leid, Not, Zerstörung und Flucht, schilderte die Vorsitzende Maria Melnik die schlimme Situation. Über den Verein sei ein „Tsunami der Hilfsbereitschaft hereingebrochen“, dankte sie Oberbürgermeister Dr. René Pöltl, der in der Flüchtlingsarbeit „alle Türen geöffnet habe“.
Olena Molnar und ihr Mann Ferenc, die seit vielen Jahren in Deutschland leben und sich vor allem im sprachlichen Bereich engagieren, hatten Geschenke dabei. Für den OB, für Lui-Wallenwein und für Ordnungsamtsleiter Pascal Seidel gab es ukrainische Motanka-Puppen. Die Wickelpuppen werden auf eine besondere Art und Weise in Handarbeit hergestellt. In der Ukraine sind sie traditionell ein Symbol der Fruchtbarkeit des Landes, des Glücks und des Wohlergehens der Familie. „Mit den Puppen wollen wir mit den Stimmen von allen ukrainischen Frauen danke sagen“, meinte Olena Molnar.
Die Gäste applaudierten für den Märchenfilm „Kyrylo der Gerber“, den die ukrainischen Flüchtlingsfamilien in Zusammenarbeit mit dem Jugendzentrum „Go in“ gedreht hatten. Am Stand vor dem Clubhaus stellte Pia Dörr die Jugendmigrationsdienste vor, die bundesweit junge Menschen mit Einwanderungsgeschichte vom zwölften bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres begleiten. Sie helfen bei der sprachlichen und gesellschaftlichen Integration und betreuen den schulischen und beruflichen Werdegang.
Oma und Opa für Ukrainer sein
Maria Thöle vom Diakonischen Werk im Rhein-Neckar-Kreis ist für die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer zuständig. Sie hilft bei der Sprache, den Lebensgewohnheiten, der Arbeitswelt, der Schule sowie beim Umgang mit den Behörden. Kpatcha Sogoyou ist der Ansprechpartner im Integrationszentrum in Schwetzingen.
Melanie Schwabenland von der Agentur für Arbeit war gemeinsam mit der Migrationsbeauftragten Rupati Tapadar und der Beauftragten für Chancengleichheit, Daniela Wagner, für den Bereich „Markt und Integration“ da. Der Aktionstag des Jobcenters Rhein-Neckar am 28. September richtet sich an Frauen mit Migrationsgeschichte. Im Angebot ist die individuelle Unterstützung mit dem Ziel, einen Einstieg ins Berufsleben zu finden. Teilnehmerinnen erwerben bei Bedarf berufsbezogene Deutschkenntnisse. „Es gibt aktuell viele Zugangskanäle ins Jobcenter“, erläuterte Schwabenland: „Wir arbeiten auch mit Dolmetschern vor Ort zusammen.“
Für Menschen mit geringem Einkommen wurde einst der Kulturpass in Schwetzingen und Oftersheim ins Leben gerufen. Ute Spendler und Birgit Stemmler, Ehrenamtliche vom Verein Kulturparkett Rhein-Neckar, informierten über die Vermittlung von kostenlosen Karten für Konzerte, Theater, Museen, Ausstellungen, Lesungen und Sportveranstaltungen.
Ukrainische Familien in Schwetzingen suchen Ersatzomas oder Opas sowie Helfer für die Hausaufgabenbetreuung. Integrationsbegleitung ist wichtig für die Teilnahme am sozialen Leben für alle ukrainischen Flüchtlinge. Am Stand gab es handgemalte Grußkarten, Bilderbücher und T-Shirts. Der Erlös geht ebenso wie Spenden an die ukrainische Armee. Die Frauen haben jetzt auch eine Mutter-Kind-Gruppe gegründet und sogar einen Chor gibt es, erzählte Olena Molnar unserer Zeitung.
„Die Brücke“ sucht Räume
Der 1995 gegründete Trägerverein „Die Brücke“ mit der Wärmestube im Keller unter der Südstadtschule informierte anhand von zahlreichen Zeitungsartikeln. „Die Brücke“ finanziert sich nur aus Spenden und den Jahresbeiträgen der wenigen Mitglieder. Margrit Jäger hat schon lange nicht mehr gekocht. Die Küche ist marode. Gemeinsam mit Vorstand Achim Schmitt gibt sie alle 14 Tage mittwochs gespendete Stofftaschen mit haltbaren Lebensmitteln und Hygieneartikeln raus. Der Trägerverein sucht immer noch vergeblich nach neuen Räumlichkeiten.
Zum Schluss wurde es noch einmal sportlich. Der baden-württembergische Cricket-Verband präsentierte den Umgang mit Schläger und Ball. Für die noch junge Sportart in Deutschland fehlen Trainings- und Spielmöglichkeiten. Und es ist schwierig, ein geeignetes Spielfeld zu finden. Das Cricket-Feld besteht aus Naturrasen. Das Zentrum, der Pitch, sollte aus Kunstrasen sein. Aktuell gibt es in Deutschland aber kaum Sportflächen, die diesen Anforderungen gerecht werden. Das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ fördert die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am organisierten Sport durch Angebote wie Cricket.
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