Schwetzingen. Sie ist elffache Weltmeisterin und Doppel-Olympiasiegerin, erfolgreichste Bahnradsportlerin aller Zeiten – und seit einem schweren Trainingsunfall querschnittsgelähmt. Nun ist Kristina Vogel an diesem Montag, 14. November, ab 19 Uhr im Danzi-Saal des Kulturzentrums für eine Lesung zu Gast. Vogel liest aus Ihrem Buch „Immer noch ich. Nur anders – Mein Leben für den Radsport“. Im Interview mit dieser Zeitung macht die 32-Jährige Lust auf die Lesung.
Wie haben Sie sich nach Ihrem Unfall 2018 motiviert, Ihr Leben aktiv fortzusetzen?
Kristina Vogel: Ich verstehe die Frage nicht. Warum muss man immer davon ausgehen, dass ich – nur weil es einen Schicksalsschlag gibt – in ein Loch fallen muss? Oder – nur weil ich im Rollstuhl sitze – mein Leben vorbei sein muss. Ich liebe das Lachen und ich habe gerne Spaß. Also mache ich das weiter. Natürlich ist es hier und da nicht leicht, weil unsere Gesellschaft nicht inklusiv ist, und schon gar nicht barrierefrei. Aber ich entscheide, das Beste daraus zu machen.
Fehlt Ihnen der sportliche Wettkampf?
Vogel: Ich setze mir andere Ziele und bin damit sehr glücklich. Darüber hinaus bin ich ja immer noch im Sport tätig: Ich bin Trainerin der Bundespolizei und bin im Radsport-Weltverband aktiv. Daher habe ich immer noch eine Art Leistungssport in meinem Leben.
Welche neuen Ziele hatten Sie sich damals nach dem Unfall gesetzt und welche verfolgen Sie nun aktuell?
Vogel: Ich wollte unbedingt das Krankenhaus nach sechs Monaten verlassen. Man sagte mir, dass dies möglich ist, es aber ein sehr ambitioniertes Ziel sei. Sechs bis zwölf Monate dauert die erste intensive Reha nach so einem Unfall, bis man die Selbstständigkeit erreicht, die man benötigt, um außerhalb des Krankenhauses leben zu können. Seitdem versuche ich, glücklich zu sein. Ich möchte spannende Dinge erleben und bin dankbar für die Möglichkeiten.
Sehen Sie sich als Vorbild für andere Menschen?
Vogel: Auf eine gewisse Art schon. Ich möchte Menschen zeigen, dass – auch wenn das Leben sehr hart zuschlägt – es an uns liegt, das Beste daraus zu machen.
Was können Sie Ihren Lesern und Zuhörern mit auf den Weg geben?
Vogel: Halten Sie die Augen offen, hören Sie zu und versuchen Sie „andere“ Menschen einzuschließen. Nur dann können wir von einer breiten und bunten Gesellschaft profitieren. Ich sage immer: Es wäre ja ziemlich langweilig und eintönig, wenn alle dasselbe tragen und essen wie ich.
Wie ist der deutsche Radsport aktuell aufgestellt? An was fehlt es, was könnte für die Sportler verbessert werden?
Vogel: Meine Partnerin und Miriam Welte haben wunderbare Nachfolgerinnen, die einen erfolgreichen und eigenen Weg gehen. Mit Lea Sophie Friedrich, Emma Hinze, Pauline Grabosch und Alessa Pröpster bin ich gespannt, was sie erreichen werden. Ich schaue ihnen gerne zu und bin sehr stolz. Was besser geht? Wie viel Zeit haben sie? In Deutschland wird Sport nicht so angesehen, wie in anderen Ländern. Sport gehört für mich in das Grundgesetz. Denn er ist essenziell für unsere Gesellschaft. Wir lernen Leistungen, Fairplay und Miteinander. Ohne direkt Leistungssportlerin zu werden.
Wie integrativ ist der deutsche Sport wirklich?
Vogel: Gut und nicht gut. Das Schöne am Sport ist, dass man da nicht arm, nicht reich, nicht weiß und nicht schwarz ist und dass Behinderung keine Rolle spielt. Na ja, nur dann, wenn man auch in eine Halle kommt, wenn diese auch barrierefrei ist.
Wie ist Ihre Meinung zur Fußball-WM in Katar?
Vogel: Es ist schwierig und meine Meinung ändert sich jeden Tag – boykottieren oder nicht. Fakt ist, ich kann Homophobie nicht unterstützen und schon gar nicht menschenunwürdige Arbeitsbedingungen. Natürlich muss man Länder im Prozess unterstützen. Rom hat man auch nicht innerhalb eines Tages erbaut. Wenn aber schwule Menschen als „damaged in mind“ betitelt werden, dann sprengt das meine Toleranzgrenze.
Info: Tickets für die Lesung gibt es für 10 Euro bei der Buchhandlung Kieser, Carl-Theodor-Straße 4, in Schwetzingen.
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