Waldorfkindergarten - Nach dem Corona-Ausbruch in der Einrichtung gibt es massive Vorwürfe gegen Leiterin Anne Lang / Fragen der Eltern und die Antworten darauf werden hier dokumentiert

Waldorfkindergarten Schwetzingen: Das sagt die Leiterin zu den Vorwürfen

Von 
Jürgen Gruler
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Nicht alles scheint hier so friedlich: Hinter den Türen des Waldorfkindergartens in Schwetzingen brodelt es gewaltig. © Widdrat

Dass es auch in einem Waldorfkindergarten nicht immer harmonisch zugeht und Kinder, Eltern und Erzieherinnen in Watte gepackt miteinander den Namen tanzen, wie gemeinhin Vorurteile glauben machen möchten, zeigen Vorgänge, die jetzt zu Tage treten, nachdem sich nach Angaben des Kreisgesundheitsamtes in der Schwetzinger Einrichtung sieben Mitarbeitende und 14 Kinder mit Corona infiziert haben. In einem zuerst anonymen Schreiben, dann aber doch noch persönlich in einem Gespräch mit drei Elternpaaren wurden massive Vorwürfe gegen nicht eingehaltene Hygieneregeln laut und es wurde der Vorwurf erhoben, Leiterin Anne Lang sei womöglich eine „Corona-Leugnerin“ oder Anhängerin der Querdenker-Bewegung. Beweisen soll das ein Screen-shot von deren Facebook-Account, bei dem Lang im April 2020 ein Video des umstrittenen Sinsheimer Arztes Dr. Bodo Schiffmann teilt.

Der Stadtverwaltung wird von den Eltern vorgeworfen, sich trotz der Hinweise von Eltern nicht um die Situation vor Ort gekümmert zu haben. Ordnungsamtsleiter Pascal Seidel weist das zurück: „Wir haben sofort die Kindergartenleitung kontaktiert und klar gemacht, welche Vorschriften unbedingt eingehalten werden müssen. Uns wurde versichert, dass man sich an alle Regeln halte. Eine Maskenpflicht, wie von Eltern immer wieder gefordert wird, besteht für Erzieherinnen im Umgang mit Kindern aber nicht, lediglich wenn die Erzieherinnen miteinander sprechen, müssen sie Masken tragen“, so Seidel.

Wir haben Leiterin Anne Lang mit den uns vorliegenden Vorwürfen konfrontiert und dokumentieren hier unsere Fragen und ihre Antworten. Die Fragen hatten wir auch an die Vorstandsmitglieder des Trägervereins geschickt, so dass alle Entscheidungsträger über die Vorwürfe informiert sind. Anne Lang sieht in der Vorgehensweise „eine persönliche Kampagne gegen ihre Person, weil die Umsetzung der Corona-Verordnung durch den Kindergarten nicht den persönlichen Einzelwünschen einiger Eltern entsprochen hat. Nachdem das Ordnungsamt keinerlei Verstoß gegen die Corona-Verordnung feststellen konnte und entsprechend die Beschwerde dieser einzelnen Eltern erfolglos geblieben ist, wird nun versucht, die Presse für eine persönliche Kampagne zu instrumentalisieren“, sagt Lang. Sie behält sich gar „die Einleitung entsprechender weiterer Schritte ausdrücklich vor“. Wie gesagt, wir haben die Vorwürfe, die uns im persönlichen Gespräch erläutert wurden, in Fragen an Anne Lang gefasst und sie hat uns diese ausführlich beantwortet. Hier die Dokumentation:

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Wie viele Kinder, wie viele Erzieherinnen sind positiv getestet worden. Sind diese Kinder aus mehreren Gruppen?

Anne Lang: Bedauerlicherweise ist mir die genaue Anzahl der Kinder nicht bekannt, da diese Angaben das Gesundheitsamt erhoben hat. Aus dem Kollegium waren es fünf Erzieherinnen und zwei Praktikanten. Meines Wissens waren die betroffenen Kinder alle aus der gleichen Gruppe, von dort aus wurden nach meiner Kenntnis zwei Kinder aus dem Nachmittagsbereich angesteckt.

Ist der Kindergarten durch das Gesundheitsamt zwangsgeschlossen worden?

Lang: Der Kindergarten wurde zunächst durch uns selbst – und zwar sofort nach dem Bekanntwerden der Erkrankung beziehungsweise des positiven Tests einer Schülerpraktikantin freiwillig geschlossen, und zwar ab dem 19. März um 14 Uhr. Wir haben am Mittag gegen 11 Uhr von der Erkrankung der Schülerpraktikantin erfahren, sofort das Gesundheitsamt kontaktiert und noch am selben Vormittag die Einrichtung geschlossen und per E-Mail alle Eltern informiert. Das Gesundheitsamt hat dann per Mail am 19. März gegen 16 Uhr reagiert und die Einrichtung vom 23. März zunächst bis zum 30. März geschlossen. Nach dem Bekanntwerden der weiteren Coronafälle hat das Gesundheitsamt mit weiterem Bescheid die Schließung des Hauskindergartens nebst Krippe bis zum 5. April verlängert. Da vom 2. bis zum 12. April ohnehin Osterferien sind, ging diese Schließung in die Ferienzeit über.

Ist es richtig, dass dem Gesundheitsamt des Kreises nach Bekanntwerden der Corona-Fälle erst die Herausgabe der Kontaktdaten aus Datenschutzgründen verweigert wurde?

Lang: Nein, dies ist nicht korrekt. Dieses Missverständnis ist offenbar dadurch entstanden, dass das Gesundheitsamt im Rahmen der Bescheide eine Standardformulierung verwendet hat, in welcher die Leitung des Kindergartens in Ziffer 1 der Anordnung zur Herausgabe der Daten aufgefordert wurde. Im Rahmen der sehr ausführlichen Begründung steht unter anderem, dass es hier eine Verweigerung aus Datenschutzgründen gegeben hätte. Dies ist in unserer Einrichtung selbstverständlich nicht der Fall gewesen. Ich gehe davon aus, dass das Gesundheitsamt aufgrund der nachvollziehbaren Arbeitsauslastung diesen Schließungsbescheid standardmäßig verwendet und hier vorsorglich die gesamte Begründung ungeprüft mitversendet wird, auch wenn sie im Einzelnen nicht zutrifft. Selbstverständlich haben wir sofort nach Bekanntwerden des positiven Tests der Schülerpraktikantin unverzüglich das Gesundheitsamt kontaktiert und sämtliche erforderlichen Daten mitgeteilt. Weiterhin haben wir noch am selben Vormittag vorsorglich die gesamte Einrichtung freiwillig geschlossen. Bis zum selben Nachmittag wurden sämtliche Kinder- und Erzieherkontaktdaten ans Gesundheitsamt überliefert, so dass das Gesundheitsamt bereits am Freitag und Samstag anhand dieser Daten alle zu diesem Zeitpunkt Betroffenen kontaktieren konnte und kontaktiert hat. Gerade aus Gründen der Transparenz und Schnelligkeit wurden die beiden Bescheide des Gesundheitsamtes ungeprüft und sofort an alle Eltern weitergeleitet. Diese Tatsache wird das Gesundheitsamt bestätigen können. Ferner gibt es im Kindergarten eine Dokumentation aller erfolgten Schritte, die können Sie jederzeit einsehen.

Stimmt es, dass trotz Hinweise der Eltern, Erzieherinnen keine Masken tragen mussten?

Lang: Die Corona-Verordnung schrieb bis zum 22. März das Maskentragen der Erzieherinnen nicht vor. Wir haben uns jederzeit den entsprechenden Verordnungen angepasst und unser bestehendes Hygienekonzept entsprechend erweitert. Richtig ist, dass wir in unserer Einrichtung stets versucht haben, die Kinder von der Pandemie so wenig wie möglich spüren zu lassen und ihnen ein höchstmögliches Maß an Normalität zu geben. Insbesondere die Kleinsten sind darauf angewiesen, Mimik und Gestik der Erzieherinnen zu erfassen. Wir betreuen in unserer Einrichtung insgesamt 120 Kinder. Es ist bedauerlicherweise nicht möglich, den einzelnen Wünschen aller Eltern zu entsprechen. Ebenso schwer ist es, die richtige Balance zwischen dem Sicherheitsbedürfnis und dem Entwicklungs- und Freiheitsbedürfnis der Kinder zu finden. Ich habe immer versucht, diese Balance bestmöglich im Sinne der Gesundheit aller und insbesondere auch im Sinne der psychischen Gesundheit der Kinder zu finden.

Stimmt es, dass Sie als Leiterin Erzieherinnen und Elternteile mit verdrehten Augen angeschaut haben, wenn sie Masken anlegten?

Lang: Nein, das stimmt nicht.

Ist es richtig, dass trotz der steigenden Infektionszahlen noch in der Woche des Ausbruchs im Kindergarten, mehrere Gruppen gleichzeitig im Garten gespielt haben?

Lang: Wir haben uns immer an die aktuellsten Corona-Verordnungen des Landes gehalten. Diese erlaubt nach wie vor das Zusammenlegen von zwei Gruppen. Um neben den gruppeninternen gemeinsamen Mahlzeiten und der in allen Gruppen obligatorischen gemeinsamen Mittagsruhe allen Kindern täglich möglichst viel Zeit an der frischen Luft zu ermöglichen, wurden jeweils zwei Gruppen gleichzeitig zum Spielen in den Garten gelassen. Hierbei handelte es sich immer um die gleichen zwei Gruppen. Dies ist auch vor dem Hintergrund geschehen, dass die Ansteckungsgefahr draußen bekanntlich geringer ist als in den geschlossenen Räumen.

Stimmt es, dass auch die Waldgruppe ins Haus geholt wurde und die Kinder auf die anderen Gruppen verteilt wurden?

Lang: Hierbei handelte es sich um einen einmaligen Vorgang. Am Donnerstag, 11. März, hat die Waldgruppe aufgrund einer Sturmwarnung ihren Vormittag im Garten draußen verbracht. Die Eltern der Waldgruppe wurden zuvor informiert, so dass nur die Kinder gebracht werden sollten, für die kurzfristig keine andere Betreuung möglich war. Weiterhin wurden die Eltern gebeten, die Kinder – soweit möglich – früher abzuholen. Zum Mittagessen sind dann lediglich die Kinder, die noch nicht abgeholt waren, in eine Gruppe mitgegangen, um zu essen. Danach sind die Kinder wieder in den Garten.

Hat am 18. März eine Personalkonferenz in Präsenz in der Einrichtung stattgefunden, obwohl bereits der Verdacht einer positiven Testung einer Mitarbeiterin bestand?

Lang: Es ist richtig, dass am 18. März eine Personalkonferenz in der Einrichtung stattgefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt lag uns weder ein positiver Test vor, noch gab es meines Wissens irgendwelche Hinweise darauf, dass jemand erkrankt sein könnte. Mir persönlich ist der vorgeworfene Verdacht einer positiven Testung nicht bekannt. Die Konferenz wurde nach den Hygienevorgaben abgehalten. Das Gesundheitsamt hat inzwischen bestätigt, dass der Ausbruch in unserer Einrichtung nicht in Zusammenhang mit der Konferenz steht. Es konnte nachverfolgt werden, dass der Ausbruch auf die Schülerpraktikantin zurückzuführen ist, welche diese zunächst symptomfrei und daher unerkannt in der hauptbetroffenen Gruppe verteilt hat. Die weiteren betroffenen Erzieher haben sich im persönlichen Kontakt außerhalb der Konferenz angesteckt, die beiden Kinder der anderen Gruppe durch die Nachmittagsgruppe.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Corona-Ausbruch?

Lang: Zunächst einmal sind wir dankbar, dass alle Verläufe – soweit uns bekannt – bisher mild sind und dass sich dank unseres Hygienesystems sowie der sofortigen Schließung der Einrichtung der Ausbruch auf eine Gruppe beschränkt hat. Wir gleichen uns nun mit der neuen Verordnung ab und werden nach den Osterferien alle Mitarbeiter zwei mal wöchentlich testen. Weiterhin müssen alle Erzieher auf den Fluren sowie im Kontakt mit Eltern und untereinander – außer im ausschließlich gruppeninternen Kontakt mit den Kindern – medizinische Masken tragen. Präsenzgesamtkonferenzen wird es bis auf Weiteres nicht geben, überdies wurde die Nachmittagsbetreuung eingeschränkt, so dass hier keine Mischung der Kinder mehr stattfinden wird. Alle Eltern wurden per Mail vom 30. März über die neuen Maßnahmen informiert.

Frau Lang, uns liegen Screenshots von Facebookposts von Ihrem Account vor, in denen Sie Videos von Dr. Bodo Schiffmann weiterleiten, einem Kopf der Querdenker-Bewegung. Sind Sie selbst Corona-Leugnerin oder sympathisieren Sie mit der Querdenker-Bewegung?

Lang: Ich bin weder eine Corona-Leugnerin noch eine sogenannte „Querdenkerin“. Ich habe mich – wie viele Menschen – zu Beginn der Pandemie mit allen Richtungen befasst und mir in diesem Zuge unter anderem auch ein Video von Bodo Schiffmann angesehen. Es mag durchaus sein, dass ich dieses – wie viele andere Videos und Kommentare auch gegenteiliger Ansichten – geteilt habe, was jedoch keinesfalls Schlussfolgerungen auf meine persönlichen Ansichten zulässt. Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass es wichtig ist, sich umfassend zu informieren. Abgesehen davon, dass meine persönliche Einstellung hier nicht relevant sein sollte, bin ich mir meiner Verantwortung als Leitung einer so großen Kindertagesstätte nach einer über 25-jährigen Tätigkeit durchaus sehr bewusst. Mein Hauptaugenmerk lag und liegt immer und ausschließlich auf dem Kindeswohl und damit darauf, den Kindern in unserer Einrichtung ein sicheres und behütetes Aufwachsen zu ermöglichen. Hierbei habe ich mich unter anderem auch damit befasst, welche Auswirkungen Lockdown und Maskenpflicht auf die zarten Kinderseelen haben können.

In Abstimmung mit dem Vorstand sowie in enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheits- und Ordnungsamt haben wir gemeinsam stets versucht, unter strikter Einhaltung der jeweiligen Corona-Verordnung den verbleibenden Ermessensspielraum unter größtmöglicher Berücksichtigung des Kindeswohls und unter der Gewährleistung eines möglichst störungsfreien Ablaufes die Balance zwischen dem Sicherheits- und dem Freiheitsbedürfnis der Eltern, Kinder und Erzieher bestmöglich zu finden. Hierbei habe ich immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Bei einer Einrichtung, die 120 Kinder betreut, ist es jedoch nicht möglich, es immer allen recht zu machen. Während die einen sich mehr Freiheit wünschen, haben die anderen ein größeres Sicherheitsbedürfnis und fordern weitergehende Maßnahmen.

Während der Großteil der Elternschaft den getroffenen Maßnahmen positiv gegenübersteht – was ich durch umfangreiche Feedbacks weiß – sehen sich hier einige wenige Eltern offensichtlich veranlasst, eine persönliche Kampagne – anscheinend insbesondere gegen mich – zu führen.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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