Von Katja Bauroth
„So einen ähnlichen hatten wir auch mal, einen 220er Diesel in Hellblau.“ Karin läuft um die Daimler-Benz-Limousine von Markus Wemmert aus dem pfälzischen Schönenberg-Kübelberg herum. Sie erzählt, wie sie einst eine Freundin, die 1,76 Meter groß war, mit ihrem Fahrzeug mitnahm. Als diese auf der Beifahrerseite ausstieg, waren alle verwundert, weil auf der Fahrerseite niemand auszumachen war - bis die Tür aufging: Heraus kletterte Karin mit ihren etwa 1,50 Metern. Die Leserin unserer Zeitung - den Nachnamen mag sie partout nicht rausrücken - plaudert munter über Erinnerungen und darf sogar in Markus Wemmerts Wagen aus dem Jahr 1970 Platz nehmen. Und tatsächlich: Ihr Kopf ist ziemlich genau in Lenkrad-Höhe, sie versinkt geradezu hinterm Steuer.
Hinter diesem Daimler Benz steht aber auch noch eine ganz eigene Historie: Er hat trotz seiner 52 Jahre nur 530 Kilometer auf dem Tacho - ohne Zulassung! Der Vorbesitzer, erzählt Wemmert, habe das Auto gekauft, sei 180 Kilometer damit nach Hause gefahren und hat es in der Garage abgestellt - und zwar in Zagreb, Kroatien. Aufgrund eines Unfalls mit einem anderen Fahrzeug fuhr der Mann dann nicht mehr auf der Straße Auto, bockte diesen Benz in der Garage auf und ließ dort den Motor immer wieder mal laufen, damit der Wagen in Schuss blieb. So erwarb ihn dann Wemmert, der den Benz als Liebhaberstück aufbewahrt und nicht fährt.
Es sind so viele Geschichten und Erinnerungen, die mit der 18. ASC-Classic-Gala Schwetzingen im Schlossgarten einhergehen (wir berichteten auch im Digitalen Sonntag). Drei Tage lang waren hier über 160 automobile Raritäten der Zeitgeschichte zu sehen - mittendrin mit der Marke Genesis der koreanischen Hyundai Motor Group der Schulterschluss zur Fortbewegung von heute und damit die Brücke zur Ecomobil-Gala vor den Toren des Schlosses.
Brühler in Spendierlaune
Unsere Leserin Karin schlendert derweil weiter, schließt sich Wemmerts Fahrzeug doch unter anderem die sehenswerte Sonderschau zu 70 Jahre Mercedes SL an. Dort hatte auch Karlheinz Eisner vom Oldtimer-Stammtisch Brühl ein Fahrzeug „geparkt“. Die Brühler gehören zur Classic-Gala wie „The Strangers“, die mit ihrem Rock‘n’Beat immer wieder für schöne Hintergrundbeschallung im Schlossgarten sorgen. Bei den Oldtimerfreunden aus Brühl war stets gut was los. Um einen restaurierten Hanomag (Baujahr 1958) versammelte sich am Samstag eine illustre Gruppe, darunter Heidelbergs Oberbürgermeister Professor Dr. Eckhart Würzner und Professor Frank Brecht von St. Thomas in Schwetzingen. Beide stehen in direkter Verbindung mit dem historischen Einsatzwagen der Feuerwehr: Er gehörte zuletzt Würzner, der es der psychiatrischen Nachsorgeeinrichtung St. Thomas überließ. Frank Brecht ließ den Wagen restaurieren, der nun für die Menschen von St. Thomas zu Ausfahrten genutzt wird. Dieses therapeutische Angebot bringt Freude und dient der sozialen Integration. Der Oldtimer-Stammtisch Brühl spendierte nun eine Kübelspritze und einen Helm aus der Herstellerzeit des Hanomags - eine schöne Aktion.
In Spendierlaune war auch Jürgen Klenert: Zumindest bewirtete der Lackierer aus Stutensee Bekannte, die an ihrem VW Samba (Baujahr 1966) samt dazugehörigen Eriba Pan (1965) vorbeischauten. Sie hatten es sich auf Klappstühlen im damals angesagtem orangebraunen Blumenprint bequem gemacht. Auf dem Klapptisch standen ein Käseigel und ein Zigarettenigel. Klenert war das erste Mal in Schwetzingen dabei und zuvor viele Jahre beim Concours d’Elegance in Baden-Baden. „Eigentlich gibt es die Bezeichnung Samba nicht“, klärte der Oldtimerfan zu seinem Volkswagen auf, „der Bus trägt den Beinamen Deluxe“. Das Besondere: Er hat einen Durchgang vom Cockpit in den hinteren Teil, „so konnte die Mama vom Beifahrersitz nach hinten, wenn die Kinder quengelten“.
Richtig Platz ist in einem Cadillac. Den US-amerikanischen Fahrzeugen, die einst den Anspruch erhoben, „Maßstab für die Welt“ zu sein, wurde zum 120. Geburtstag eine Sonderschau gewidmet. Spätestens mit dem ersten Serien-V-8 (1915) strebte die Marke zur Spitze, toppte 1930 mit einem V-16 und verdrängte bis 1935 Packard vom Spitzenplatz. Unter allen Cadillacs war der 1940 vorgestellte Typ 62 zwar ein teures, aber auch vernünftiges Auto. Er bot die Laufruhe des V-16 und kostete nur die Hälfte. Dass der „King of Rock‘n’Roll“, Elvis Presley, etliche „Cadis“ besaß und verschenkte, erzählte Franz Bernd Glanzer, Präsident des Fanclubs „Elvis Presley will never die“. Er ist auch ab und an bei einer Sonderausstellung zum militärischen Werdegang des berühmten Schauspielers und Sängers in Schramberg in Schwarzwald zu treffen, die noch bis 18. Februar 2023 im Auto- und Uhrenmuseum zu erleben ist. Wie passend, dass gerade der Elvis-Film in den Kinos läuft . . .
Berühmte Sänger und ihre „Cadis“
Ein rosafarbener Cadillac, wie ihn Elvis einst fuhr, gehört Jürgen Laser. Der aus Speyer stammende Oldtimerfan („Das ist noch Technik, die ich verstehe“) war mit Ehefrau Karin aus Kirchheim bei Bad Hersfeld nach Schwetzingen gekommen und schwärmte vom Ambiente: „Diese Classic-Gala ist eine der hochwertigsten, die ich kenne“, stellte er dem unermüdlichen Initiator Johannes Hübner und seinem Team ein tolles Zeugnis aus. Stilecht waren er und seine Gattin gekleidet, genossen ihr Picknick im Kleinen und das Flair mit Liveauftritten in Rockabilly-Manier etwa von Sänger Carsten Hesse.
Sänger - gutes Stichwort: Hans Albers (1881 - 1960, „der blonde Hans“) war auch ein „Cadi“-Fan. Sein schwarzer Achtzylinder aus dem Jahr 1951 (162 PS) war ebenfalls im Schlossgarten zu sehen. Die 35 000 D-Mark, die Albers dafür zahlte, kamen damals 100 Monatseinkommen von Otto-Normalverbrauchern gleich. Der Wert heute - rechnen wir lieber nicht nach . . .
Oldtimer als Geldanlage sind das eine, doch für die meisten Aussteller bei der Classic-Gala ist das Sammeln historischer Fahrzeuge pure Leidenschaft. Gabriela und Hermann Maier aus Singen haben sogar das Mac-Museum Arts & Cars gegründet. Sie sind gerne in Schwetzingen dabei, dieses Mal mit einem Aston Martin DB2-4, Baujahr 1955. Der einstige Rennwagen in „Moonbeamgrey“ mit dunkelroten Speichenfelgen ist ein Scheunenfund. „Als er entdeckt wurde, lag noch das Abschleppseil drin“, fängt Gabriela Maier an, zu erzählen . . .
Und die nächsten Geschichten zu alten Autos gibt es vom 1. bis 3. September 2023 im Schlossgarten zu hören.
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