Die Aufgabe ist gewaltig. Das weiß der grüne Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium, Dr. Andre Baumann, nur zu gut. In wenigen Jahren muss das Industrieland Baden-Württemberg den Umstieg von fossil auf regenerativ geschafft haben. In weniger als acht Jahren, bis 2030, so das Ziel des Landes, sollen die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent sinken. Und 2040 soll mit den CO2-Emissionen netto ganz Schluss sein. Diesem Ziel, so Baumann innerhalb einer hybriden Veranstaltung (digital und Präsenz) unter dem Titel „Energiewende in der Kurpfalz“, müsse sich vieles unterordnen. „Wir haben noch zehn Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen.“ Am Ende entscheide Erfolg oder Misserfolg über die Lebenschancen zukünftiger Generationen.
2020 verzeichnete das Land Baden-Württemberg CO2-Emissionen in Höhe von knapp 65,2 Millionen Tonnen. Im Vergleich zu 2019 ist das ein Minus von 6,2 Tonnen und damit 8,7 Prozent. Eine enorme Differenz, was jedoch, das räumt das Umweltministerium auf seiner Internetseite selbst ein, viel mit dem Lockdown infolge der Corona-Pandemie zu tun habe. Erste Daten deuten darauf hin, dass es 2021 mit den CO2-Emissionen wieder ordentlich nach oben geht. Die Aufgabe, vor der das Land steht, ist also nicht kleiner geworden. Vor allem der Verkehr ist mit einem Emissionsanteil von 31 Prozent die dominierende Treibhausgasquelle. Die Folgen sind im Ländle längst zu spüren. Die Jahresmitteltemperatur lag 2020 im Vergleich zu 1881, dem Jahr der ersten Aufzeichnungen, bereits 1,5 Grad höher. Extremwetterereignisse treten schon jetzt gehäuft auf und ziehen das Ökosystem massiv in Mitleidenschaft.
Fehler der Vergangenheit
Gegen diese Entwicklung führt Baumann das Klimaschutzgesetz Baden-Württembergs ins Feld. Ziele und Maßnahmen seien ambitioniert. Um die Ziele zu erreichen und bis 2040 klimaneutral zu sein, sollen auf mindestens zwei Prozent der Landesfläche Windkrafträder oder Photovoltaikanlagen entstehen. Und das mit den zwei Prozent gilt für jeden Landkreis, auch für die Schwachwindregion Rhein-Neckar-Kreis. „Es wird viel passieren müssen, überall.“
Ein Grund für das Tempo jetzt liegt in der Vergangenheit. 2017 hat die damalige Bundesregierung das Erneuerbare Energiegesetz geändert und die Branche annähernd komplett ausgebremst. In Baumanns Augen einer der strategischen Fehler. Und dieser muss nun behoben werden. Heißt, die Planungs- und Genehmigungszeit muss von sieben auf höchstens dreieinhalb Jahre halbiert werden. Grundlage für den Schutz von Vögeln und Fledermäusen ist nicht mehr das Individuum, sondern die Population. Bedeutet, der Tod einzelner Tiere wegen eines Windrades fällt weniger ins Gewicht als die Bewertung der Population. Und auch in Landschaftsschutzgebieten sollen Windräder nun gebaut werden dürfen. Mögliche Standorte sind in der Region südlich von Schwetzingen, vereinzelt auch im Entenpfuhl in Ketsch und bei Reilingen, Nähe der Autobahn. Die Kommunen würden davon übrigens durchaus profitieren. Pachtzahlungen können sich gut über 100 000 Euro im Jahr belaufen.
Photovoltaikpflicht wichtig
In Bewegung soll auch der Ausbau der Photovoltaik kommen. Schon seit Januar dieses Jahres gilt für Gewerbe-Neubauten eine Photovoltaikpflicht. Ab dem kommenden Mai gilt diese Pflicht dann auch für den privaten Hausbau und auf Parkplätzen mit mehr als 35 Stellflächen. Und ab dem 1. Januar 2023 gilt die Photovoltaikpflicht bereits bei einer grundlegenden Dachsanierung.
Dass das alles nicht für eine verlässliche Energieversorgung reichen wird, ließ Baumann nicht unerwähnt. Neben Effizienzsteigerungen geht es dem Schwetzinger vor allem um die Entwicklung lokaler Speichermedien und große Übertragungsnetze, um den Strom von Norden nach Süden transportieren zu können. Baumann weiß, dass es gegen alles erhebliche Widerstände geben wird. Aber dem Land bleibe keine Wahl. Die Konsequenzen des Nichthandelns wären weitaus dramatischer als alle Folgen des Handelns: „Es ist unsere Verantwortung für die Zukunft.“
Weniger Bürokratie ist hilfreich
Damit wir der Verantwortung gerecht werden können, das wurde in der anschließenden Diskussion deutlich, müsse das bürokratische Procedere deutlich vereinfacht werden. Die bürokratischen Anforderungen, so der Tenor, glichen einem Irrgarten und würden den Photovoltaikausbau eher behindern als fördern. Zum Problem könnte sich auch der Fachkräftemangel entwickeln, brauche der Ausbau doch mehr Menschen, die diesen Ausbau in Szene setzen. Und dann noch die Punkte Ressource und lokaler Widerstand. Es gebe wahrlich einige Hürden.
Die Aufgabe hat ohne Übertreibung Herkules-Format, doch Baumann zeigte sich sehr zuversichtlich, dass das Land diese Wende schafft.
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