Konzert - Palatina-Klassik feiert zehnjähriges Bestehen und nimmt engen Bezug auf Ukraine-Krieg und Russland-Verbindungen

Feiern in einer Welt ohne Frieden

Von 
Uwe Rauschelbach
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Speyer. Zehn Jahre sind keine lange Zeit. Doch globale Krisen, die gewohnte Zeitläufte im Nu unterbrechen und infrage stellen können, verändern auch das Zeitempfinden. Und so begeht der 2012 gegründete Förderkreis Palatina-Klassik die ersten zehn Jahre seines Bestehens in großer Feierstimmung. Diese ist allerdings nicht ungetrübt, wie jetzt beim Festkonzert in der Speyerer Kirche St. Otto deutlich wurde.

Denn die Kooperationen von Palatina-Klassik mit russischen Musikern und die Verbindungen, die Künstlerischer Leiter Leo Kraemer zu Ensembles im Baltikum – insbesondere in Estland – unterhält, rücken auch die kriegerischen Ereignisse in der Ukraine in eine bedrückende Nähe. Der Vorsitzende des Förderkreises, Michael Wagner, unterstrich in einer Ansprache jene Werte, die Palatina-Klassik vertrete: Kunst und Kultur seien „elementare Bausteine unseres Menschseins“.

Auch Leo Kraemer appellierte an die „Menschen guten Willens“, Zeichen des Friedens zu setzen. In die Kirche St. Otto hatte er das Vokal- sowie das Bläserensemble von Palatina-Klassik mitgebracht. Kraemer selbst nahm an der Orgel mit einer Improvisation über den gregorianischen Hymnus „Veni creator“ Bezug auf das bevorstehende Pfingstfest. Über eine Flötenmelodie legte der Organist schroffe Akkorde, ließ expressive Harmonien und scharfe Rhythmen grell aufschäumen und setzte den Cantus Firmus des Pfingsthymnus wie eine Epiphanie ein.

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zg
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Auch nutzte Kraemer durchaus freiere Möglichkeiten, sich im tonalen Raum zu bewegen. Dies ließ sich auch der Klangsprache vernehmen, die der Interpret und Komponist für das nunmehr für Chor und Bläser arrangierte „Veni creator“ gewählt hat. Sie erwies sich als adäquates Mittel, die kirchenmusikalische Bedeutung und traditionelle Verwurzelung des Themas zu würdigen und es zugleich in einen modernen ästhetischen Kontext zu überführen. Das Vokalensemble Palatina-Klassik meisterte Kraemers Werk in seiner komplexen Verdichtung und mit seinem in extreme Spitzen zielenden Tonregister auf hohem gesanglichen Niveau.

Atmosphäre des Jubels

Schon mit den kräftigen Eingangsakkorden zu Claudio Monteverdis „Marienvesper“ beeindruckte der Chor mit makelloser Intonation und konziser Artikulation, aber auch dank kräftiger und markanter Stimmen, die in der Kirche sogleich eine Atmosphäre der Freude und des Jubels entfachten. Orgel und Blechbläser verliehen Giovanni Gabrielis Psalmvertonung „Jubelt dem Herrn“ mit einem Instrumentalstück des Komponisten nachträglich eine Haltung der innigen Andacht.

Leo Kraemer dirigierte das Vokalensemble überwiegend vom Klavier aus, so auch mit Johann Pachelbels „Singet dem Herrn“, das abermals von den Blechbläsern klangvoll begleitet wurde. Franz Schuberts mehrteilige „Deutsche Messe“ bot hierzu einen romantisch-homophonen Kontrast und ließ sich dank des innigen Chorgesangs als berührendes geistliches Werk wahrnehmen, das auch menschlichen Sorgen und Nöten Raum gibt.

Die beiden Pfingstmotetten des aus Estland stammenden Komponisten Rudolf Tobias (1873-1918) verbanden sich mit dem Wunsch des Künstlerischen Leiters, die Musik möge eine geistige Verbindung zu den vom Krieg geplagten Menschen in der Ukraine schaffen. Mit Blick auf seine besonderen Beziehungen, über die er als Chefdirigent der Estnischen Philharmonie wie des Kammerorchesters der Petersburger Philharmoniker verfügt, war für Leo Kraemer mit der Aufführung dieser beiden Pfingstmotetten ein besonderer Moment im Konzert gekommen.

Die bewegten Harmonien ließen die existenzielle Not und die Sehnsucht des Beters nach Rettung verständlich werden. Der Ruf nach dem, der retten soll, wurde vom Chor in aller Eindringlichkeit formuliert. Auch dank der Bläserbegleitung wurden die beiden Pfingstmotetten in ihrer geistlich-poetischen Sprache erfahrbar. Monteverdis „Magnificat“ aus der Marienvesper, das der Chor am Schluss vortrug, brachte mit dem Lobgesang Marias als Reaktion auf die göttliche Weissagung des Engels zum Ausdruck, was aktuell offenbar nottut: Im Gewirr der Zeit auf jene Stimme zu hören, die einen guten Plan für diese Welt hat.

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