Speyer. Mit Plakaten, auf denen „Nie wieder ist jetzt“ steht, mit Westen der „Omas gegen Rechts“, die später noch auf ihr Engagement aufmerksam machen, und schweigend zieht eine Gruppe von 200 Bürgern nach Einbruch der Dunkelheit über die Hauptstraße. Im Hintergrund wechselt der Dom in schrillen Farben sein Licht – dort ist eine Erweckungsveranstaltung für junge Christen im Gange. Den Menschen, die zum Platz ziehen, an dem bis zur Pogromnacht die jüdische Synagoge stand und der etwas versteckt hinterm Kaufhof liegt, geht es ums Gedenken und ums Mahnen. Ums Gedenken an die grausamen Taten der Nazis mit Millionen Opfern. Und ans Mahnen gegen wieder immer stärker werdenden Antisemitismus und Fremdenhass in unserer heutigen Gesellschaft.
Wie alle Jahre hat der Deutsche Gewerkschaftsbund mit Axel Elfert an der Spitze zum Gedenken aufgerufen und die „Roten Raben“ singen zur Begrüßung am Synagogen-Gedenkstein „Die Gedanken sind frei“ – wie passend für die heutige Stimmung in der Gesellschaft, in der Trump oder die AfD der Meinungsfreiheit auf den Pelz rücken wollen.
Mahnwache zur Reichspogromnacht in Speyer: US-Präsident Donald Trump ist Thema
Axel Elfert steigt genau da ein: „Was sind das für Zeiten, in denen ein vorbestrafter Narzisst und Sexist mit Lügenkampagnen und Verfälschungsstrategien US-Präsident werden kann – protegiert von den Milliarden eines Elon Musk?“, fragt er laut. Und dann sorgten die FDP und ein zaudernder Kanzler noch am gleichen Tag für das Ende der Bundesregierung.
„Wir müssen endlich wehrhafter werden gegen Populisten und deren Hintermänner in Deutschland, Europa und der Welt. Lügen und Falschmeldungen im Internet darf man keinen Glauben schenken. Rassistischen und antisemitischen Parolen müssen alle aktiv entgegentreten“, sagt der DGB-Ortskartellvorsitzende. Und dann nennt er ein aktuelles Beispiel aus Speyer, wo im Rheinstadion wochenlang „I love Hitler“ gestanden habe, bis die Kollegen vom Bauhof es dann weggemacht hätten. Er macht auch auf die Kriege in der Welt aufmerksam und meint: „Vielleicht fehlt uns auch manchmal der Mut für Friedensverhandlungen. Denn wir alle wollen doch lieber in Frieden leben als an die Menschen in Geiselhaft und im Bombenhagel denken zu müssen“, so Axel Elfert.
Die Saat der neuen Nazis sei bei uns schon aufgegangen. „Wir müssen gegen Unrecht und Verdummung vorgehen, die Angst vor Überfremdung ernst nehmen und deren Probleme lösen und wir brauchen mehr Geld für Bildung statt für immer mehr Waffen“, fordert er: „Dafür lohnt es sich hinzustehen und einzutreten. Denn wer in der Demokratie einschläft, wacht in der Diktatur auf!“
Bürgermeisterin in Speyer erinnert an Synagoge vor 86 Jahren
Bürgermeisterin Monika Kabs (CDU) erinnerte in ihrer emotionalen Rede an die Vorgänge in der Reichspogromnacht vor 86 Jahren, als in Speyer die Synagoge geplündert und angezündet wurde. Wertvolle Ritualgegenstände wie goldene Glocken und Bücher wurden geraubt, jüdische Männer verhaftet. Und die Stadtverwaltung habe dann noch die Reste der abgebrannten Synagoge abgerissen und die Kosten der jüdischen Gemeinde in Rechnung gestellt.
„101 Jahre lang hat die Synagoge unsere Stadt geprägt, auch der jüdische Friedhof wurde geschändet, die jüdischen Mitbürger ins KZ gebracht oder grundlos getötet. Es ist beschämend, dass wir heute wieder jüdische Einrichtungen mit der Polizei vor Übergriffen schützen müssen und Menschen, die ihren Glauben zeigen, Angst vor Übergriffen haben müssen“, sagt Monika Kabs. Gerade jetzt, 400 Tage nachdem die Hamas 1200 jüdische Menschen getötet und 250 verschleppt hätte. „Wir müssen aus der Geschichte lernen, dürfen das Leid der Menschen nicht gegeneinander ausspielen und müssen an einer gerechteren Welt arbeiten“, fordert die Bürgermeisterin zum Mittun auf.
Die „Roten Raben“ singen dann „Wir haben geglaubt, wir wären die Nazis los, aber sie lügen sich wieder an die Macht.“ Und der evangelische Dekan Arne Dembek erzählt, wie er als 13-Jähriger in seiner Heimatstadt am Niederrhein der 80-jährigen KZ-Überlebenden Erna Falk begegnete. Zuerst durfte ihre Tochter Leni nicht mehr in den Kindergarten, weil Nazi-Mütter das so wollten, dann durfte sie nicht am Laternenumzug zu St. Martin mitgehen, danach habe sie mitansehen müssen, wie in der Pogromnacht ihr Vater abgeführt und ins KZ gebracht wurde, später sei das Mädchen dann selbst ermordet worden mit Tante und Onkel, zu denen sie vermeintlich in Sicherheit gebracht worden war. Das gelte es im Gedenken den jungen Menschen zu erzählen, so Dembek.
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