Speyer. Keine Stadt in der Pfalz steht heute noch so für die gute alte Weinstubenkultur wie Speyer. Je nachdem, wie eng der Betrachter den Rahmen spannt, kommt man auf sechs bis acht Traditionslokale in der Innenstadt. Wer dort regelmäßig unterwegs ist, der weiß, wie viele Speyerer Bürgerinnen und Bürger dort jede Woche abwechselnd einkehren, mal da, mal dort, an einem festen Stammtisch mit Freunden oder spontan zum Abendessen oder ein paar Pfälzer Schorle.
Da ist es immer eine wahre Schocknachricht, wenn bekannt wird, dass langjährige Wirtsleute vom Aufhören sprechen. So auch im Frühsommer dieses Jahres bei der „Schwarzamsel“, der derzeit ältesten durchgängig betriebenen Weinstube in Speyer.
Das war einiges zusammengekommen. Alter und Gesundheit bei den Wirtsleuten, vor allem aber der plötzliche Tod des langjährigen Kochs, der immer dafür gesorgt hatte, dass die traditionelle Pfälzer Weinstubenkarte mit Leberknödeln, Bratwürsten, Saumagen, Rumpsteak, Schnitzel, Flammkuchen und Kartoffelmax wöchentlich durch Gerichte ergänzt wurde, die man sonst halt fast nirgends mehr bekommt. Vom Krautwickel, über Rinderrouladen bis zu den Sauren Nierchen reichte das Spektrum oder im Sommer bis zum Ochsenmaulsalat. Eine willkommene Abwechslung für Stammgäste und ein Anreiz für Touristen, die mal eintauchen wollen in die Pfälzer Gastlichkeit.
Nachfolger bringt viel Erfahrung und einen Koch mit
Der Schock weicht derzeit einer großen Erleichterung. Denn der Stiftung, der die beiden ineinander verschachtelten Gebäude gehören, ist es gelungen, jetzt einen Nachfolger zu finden, der ihren Herzenswunsch erfüllt. Dass das Lokal eine traditionelle Weinstube bleibt – mit Pfälzer Leckereien, Stammtischen und dem Kennenlernen immer anderer Leute. Denn an so einen Weinstubentisch mit zwei Leuten passen immer noch vier bis sechs weitere dazu. Da haben sich schon die verrücktesten Kontakte und Unterhaltungen ergeben.
Dass das geklappt hat, ist dem Stammpersonal zu verdanken, jenen fleißigen Bienchen, die abends dafür sorgen, dass die Gläser nicht leer werden und niemand Hunger leidet. Denn eine der Bedienungen hat ihrem Sohn erzählt, dass die „Schwarzamsel“ zur Übernahme steht. Und der hatte sich schon einige Monate nach einem eigenen Lokal umgesehen. Erfahrung bringt Florian Kocher mit, denn der 34-Jährige hat schon während des BWL-Studiums fleißig in der Gastronomie gearbeitet, dabei elf Jahre lang im bekannten „Essighaus“ auf der Plöck in Heidelberg, einem der letzten Horte traditioneller deutscher Küche in der Uni-Stadt.
Zuletzt war der Wieslocher dann als Betriebsleiter in der Betreibergesellschaft tätig, die auch den „Grünen Baum“ und das „Welde Brauhaus“ in Schwetzingen bewirtschaftet. „Aber ich habe gemerkt, dass ich näher bei den Menschen sein will. Bei einem so urigen Laden wie der ,Schwarzamsel‘ geht mir einfach das Herz auf“, sagt Florian Kocher.
Die Verträge sind inzwischen unterschrieben. Die bisherigen Wirtsleute hatten für ihn eine Empfehlung abgegeben. Nicht leichtfertig, sondern nach einem Kennenlernen, bei dem er mit der Wirtin zusammen im Service der „Schwarzamsel“ mitgearbeitet hat. Und Florian bringt einen gleichaltrigen Koch mit, der genau das kann, was hier gefragt ist: Bodenständige regionale Küche, typisch Pfälzer Gerichte und auch die Tagesgerichte und saisonale Schmankerln soll es künftig wieder geben. „Wir wollen in Speyer gute Gastgeber sein. Auch beim Bedienen werden die bekannten Gesichter wieder auftauchen, inklusive seiner Mutter.
Florian Kocher wagt sich gerne und gut überlegt in die Selbstständigkeit: „Alles, was ich bisher gesehen habe, zeigt mir, dass die Größe ideal ist und ich glaube, dass man hier eine gute Balance finden kann. Und die „Schwarzamsel“ überm Tisch neben dem Tresen wird sicherlich als Namensgeberin ihren Platz behalten. Natürlich auch der berühmte Jägerstammtisch mit den eingravierten Namen der verstorbenen Stifter. „Aber das eine oder andere werde ich vielleicht auch etwas umdekorieren. Kommt Zeit, kommt Rat“, sagt Florian Kocher, der neue „Schwarzamsel“-Wirt ab Januar.
Blick in die Geschichte des Traditionsgasthauses
Die Geschichte des Hauses in der Korngasse 18 reicht über 235 Jahre zurück. Nach der Speyerer Stadtbeschreibung von 1773 betrieb dort Metzger Heinrich Schmal sein Geschäft. Seine Witwe führte dieses bis 1814 weiter. Von ihr erwarb Daniel Landes das Gebäude. Nach dessen Tod und dem seines Sohnes Peter wurde das Haus Mitte des 19. Jahrhunderts an den Wirt Heinrich Brinkmann veräußert, der dort die Weinhandlung und das Restaurant „Zum Hahnen“ eröffnete. Seine Witwe führte das Geschäft bis kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs weiter.
Neuer Besitzer wurde dann Karl Schirmer, der das Weinlokal in „Weinwirtschaft zur Schwarzamsel“ umtaufte. Nächster Besitzer war das Ehepaar Freytag. 1929 schließlich erwarben Julius und Elsa Schick das „Haus mit Vorräten und allen Einrichtungsgegenständen“, wie es in der notariellen Urkunde heißt. Auch das neben der „Schwarzamsel“ gelegene Haus 19 ging 1946 in den Besitz der Familie Schick über. Dort liegt gleich rechts am Eingang das heutige Nebenzimmer. Dieser mit gotischen Gewölben ausgestattete Raum wurde 1974/75 um- und ausgebaut und ist seither die Stammburg der illustren Freundesrunde „Die Pfalzgrafen“. Nach dem Tod von Julius Schick ging das Anwesen in den Besitz seiner einzigen Tochter Lore Zwick über.
Sie verstarb allzu früh und ihr Mann Edwin übernahm die Verantwortung für diese traditionelle Weinstube im Schatten des Altpörtels. Durch eine umfassende Sanierung und Restaurierung im Jahre 1991 unter der Leitung und Aufsicht des Architekten Josef Blanz erhielt das Anwesen sein heutiges Aussehen. Schon die Eltern von Gerd Kronau führten die „Schwarzamsel“ viele Jahre und pflegten die Speyerer Stammtischkultur, später übernahmen dann Helga und Gerd diese Aufgabe bis heute.
Ein Kuriosum gibt es bis heute: Wer mal eine Schorle Richtung WC wegbringen möchte, muss im Schankraum immer die linke Tür nehmen. Die rechte führt nur zum Ausgang und der Zwischengang ist durch ein Gitter getrennt. Man kann also von dort aus die Toilette zwar sehen, aber nicht erreichen. Die echten Speyerer erkennen dann natürlich sofort, wenn im Winter ein Gast ohne Jacke rechts rausgeht und kurz danach mit wirrem Blick wieder reinkommt. Das kann dann nur ein „Außergewärtiger“ sein – also zumindest ein Nichtspeyerer, vielleicht sogar ein Tourist.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/speyer_artikel,-speyer-historische-weinstube-schwarzamsel-in-speyer-bleibt-erhalten-_arid,2334221.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/speyer.html